Schmutz-Wahlkampf: Österreich steht am Anfang

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Die Silberstein- Affäre zeigt, dass sich soziale Netzwerke ideal für dreckige Tricks eignen. Diesmal wurde die SPÖ erwischt. Bei Fake News steht Österreich erst am Anfang.

"Sorge dafür, wenn es sich auf irgendeine Weise erreichen lässt, dass übles Gerede über deine Gegner aufkommt. (...) Wähle den Vorwurf, der dem Charakter dieser Gegenkandidaten am ehesten zu entsprechen scheint".

Dieser Rat stammt nicht etwa aus der aktuellen SPÖ-Kampagne, sondern aus einem mehr als 2000 Jahre alten Guide über Wahlkämpfe, erstellt von Quintus Tullius Cicero. Er, sozusagen der Erfinder des Dirty Campaignings, soll mit derlei Tipps seinem weitaus bekannteren Bruder zu dessen Wahlerfolgen verholfen haben. 2000 Jahre später hat das Anpatzen mit den nun aufgedeckten Schmutz-Seiten über Sebastian Kurz eine neue Dimension erreicht, Mundpropaganda wurde ersetzt durch ein massenmediales Vehikel für Dirty Campaigning: Soziale Netzwerke.

Wie viele Menschen von derlei Kampagnen erreicht werden können, führte etwa die nun aufgeflogene Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" eindrucksvoll vor: Zwar hatte die Fanpage kurz vor ihrer Auflösung "nur" rund 15.000 Fans – erreicht haben die Postings der rassistischen Schmutz-Seite aber stets Zehntausende. Ableiten lässt sich dies aus den massiven Interaktionsraten (ergo Likes, Kommentare und Shares): Einzelne Videos – etwa ein satirisch anmutender Fake-Chat zwischen Karl-Heinz Grasser, Wolfgang Schüssel und Kurz – wurden fast eine Million Mal angesehen. Zum Vergleich: Ein Facebook-Posting des Bundeskanzlers, der rund 15 Mal so viele Fans hat wie "Die Wahrheit über Sebastian Kurz", weist zumeist nur einen Bruchteil der Interaktionen der Schmutz-Seite auf. Dies liegt an den Unsummen, die vom Silberstein-Team in die Bewerbung der Sudelseiten geflossen sein müssen.

Schmutz-Wahlkampf: Österreich steht am Anfang
Facebook bietet seinen Seitenbetreibern nämlich an, die Reichweite de facto endlos zu steigern – dass es sich bei Inhalten auf Facebook um Werbung von Seiten handelt, die man nicht zwingend mit "Gefällt mir" markiert hat, sieht man als User lediglich am Hinweis "Gesponsert". Wer auf das etwas versteckte Häkchen daneben klickt, erfährt, warum er mit dieser einem normalen Inhalt ähnelnden Werbung adressiert wurde. Im konkreten Fall der Schmutz-Seite über Kurz wurden vor allem Fans der FPÖ adressiert – der Werber nennt dies "Micro-Targeting".

Justiz im Dunkeln

Problematisch: Im Falle von Schmutz-Kampagnen bleibt verborgen, wer hinter den jeweiligen Seite steckt. Eine Impressumspflicht gibt es auf Facebook nicht, auch wenn das heimische Mediengesetz sie vorsähe. Eigentlich müsste in diesem Fall eine Verwaltungsstrafe verhängt werden – das wiederum ist unwahrscheinlich, weil man ja von Facebook nicht erfährt, wer die Seite betreibt.

Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht im Justizministerium, erklärt, dass auch die Staatsanwaltschaft in den meisten Fällen auf Granit beißt – obwohl Facebook laut E-Commerce-Gesetz eigentlich verpflichtet wäre, bei Vergehen die Seitenbetreiber zu nennen. Der kalifornische Konzern rechtfertige sich aber in der Regel damit, dass Accounts bereits offline seien und sie nicht alle Daten hätten. Was das Löschen von Seiten betrifft, nimmt Facebook laut Pilnacek das sogenannte "Host-Provider-Privileg" für sich in Anspruch. Demnach behauptet das Netzwerk, nicht feststellen zu können, ob Inhalte strafrechtlich relevant seien. Zu all dem kommt letztlich, dass Fake-Seiten auch mit erfundenen Namen und anonymen Bankkonten betrieben werden können – was wiederum einen Gerichtserfolg auf zivilrechtlichem Weg unmöglich macht.

Sollte man trotz aller Widrigkeiten im Umgang mit dem Konzern an die für Werbung hinterlegten Konten und die echten Namen kommen, kann das Experten zufolge Jahre dauern. Dass dies dann längst keinen Einfluss mehr auf das Wahlergebnis hätte, lade laut Politikberater Thomas Hofer zusätzlich zum anonymen Beschmutzen ein. Hofer ist davon überzeugt, dass die Urheberschaft der nun aufgeflogenen Facebook-Seiten noch immer verborgen wäre, wenn die Betreiber "nicht derart sorglos und dilettantisch agiert hätten".

"Nur Vorboten"

Andere fragwürdige Seiten in diesem Facebook-Wahlkampf treiben ihr Spiel zudem weiter – schließlich waren die beiden aufgeflogenen Fake-Seiten nur ein Teil des heurigen Schmutz-Wahlkampfes im Sozialen Netzwerk mit rund 3,7 Millionen österreichischen Usern. Bei der anonymen Facebook-Seite "Freunde der Wahrheit" wird etwa auch mit Tausenden Fans im Rücken eine Kampagne gegen Kurz gefahren. Hier gibt es kein Indiz in Richtung Silberstein. "Die kritischen Sozialdemokraten" nehmen indes die SPÖ ins Visier.

Das tat bis zuletzt auch die Sudelseite "SPÖ Watch" – diese wurde aber jüngst vom Netz genommen. Wer die Betreiber anschreibt und nach ihrer Identität fragt, bekommt allenfalls ausweichende Antworten. Relativ klar sind die Betreiberverhältnisse nur bei wenigen Kampagnen-Seiten: So stammt etwa die linke Kurz-Bashing-Seite "Die 95 Prozent" aus der Feder einer Ex-ORF-Redakteurin, ein ehemaliger Wirtschaftsbund-Funktionär tunkt die Sozialdemokratie auf "Fass ohne Boden" ein.

Gefälschte Reden

Laut Hofer stehen wir in Sachen Dirty Campaigning indes erst am Anfang: Letztlich handle es sich derzeit "nur um Bilder mit zusammengeschusterten Texten und ein paar Videos". In den USA, schildert der Experte, werden bereits Programme entwickelt, mit denen man etwa Reden von Politikern glaubwürdig fälschen kann. Sprich: Es wird bald die Möglichkeit geben, Politiker in Videos sagen zu lassen, was man will. Und das, sagt Hofer, "hat dann wirklich eine ganz andere Dimension".

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