"Destruktive Idee" von Polaschek: Studenten wehren sich gegen VWA-Abschaffung
Von Leonie Tupy
Kurz vor Schulschluss sorgte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) mit seinem Plan, die verpflichtende Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) abzuschaffen, für Schlagzeilen. Diese spezielle Form der Abschlussarbeit war bisher fixer Bestandteil der Reifeprüfung, wegen eines Anfang Juli beschlossenen Digitalisierungspaketes ist diese jetzt nur mehr eine Option.
Bisher mussten Schüler im Rahmen der Zentralmatura eine VWA verfassen. Sie wurde ursprünglich als Vorbereitung auf die späteren Herausforderungen im Rahmen eines Universitäts- oder Hochschulstudiums eingeführt. Die schriftliche Arbeit musste 40.000 bis 60.000 Zeichen umfassen, das sind ungefähr 25 Seiten. Außerdem sollte sie unter Anleitung eines Lehrers geschrieben und anschließend mündlich präsentiert werden.
Polaschek: "Nicht mehr zeitgemäß"
Jetzt gibt es Neuerungen: Die VWA sei „nicht mehr zeitgemäß“, ist Polaschek wie berichtet überzeugt. Statt einer Literaturrecherche haben AHS-Schüler ab 2025 die Möglichkeit, eine abschließende Arbeit, etwa in Form eines Multimediaprojekts zu erstellen.
Dies kann beispielsweise ein Podcast oder eine Videoreportage sein. Eine weitere Alternative gibt es als Übergangslösung bis zum Schuljahr 2028/29: Es kann eine zusätzliche Maturaprüfung anstelle einer Arbeit absolviert werden. Der vermehrte Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist einer der Gründe für die Änderung.
Kritik der Opposition
Dies trifft nicht nur auf positive Resonanz. Die Opposition kritisiert die Reform der Reifeprüfung, sie sei zu hastig durchgeführt worden, lautet einer der Einwände. Es handle sich um eine "Hauruck"-Aktion kurz vor der Nationalratswahl, kritisiert Petra Tanzler (SPÖ).
Auch Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre äußert sich zur Reform. Sie sieht diese als „Kapitulation vor der KI“ und erläutert: „Der Umgang mit KI und allen Chancen und Risiken, die sie für jeden Schüler und jede Schülerin mit sich bringt, muss ein integraler Bestandteil des Unterrichts werden. Und auch die Abschlussprüfung sollte KI sinnvoll einbeziehen, statt sie zu verbannen.“
Der Ursprung der VWA
Die vor zwölf Jahren eingeführte VWA wurde ursprünglich als Vorbereitung auf spätere Herausforderungen im Rahmen eines Universitäts- oder Hochschulstudiums eingeführt. Sie sollte helfen, schriftliche Kompetenzen, die essenziell für die Absolvierung eines späteren Studiums sind, zu erwerben.
Relevant ist dies nicht zuletzt, da laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) 88 Prozent der AHS-Maturanten und 72 Prozent aller Maturanten Österreichs die Intention haben, nach dem Abschluss ein Studium zu beginnen.
Lokale Umfrage
Der KURIER hat mit Studenten geredet, die sich für die VWA aussprechen. Die VWA habe geholfen, Seminararbeiten und Arbeitsaufträge zu verfassen, so lautet der Tenor.
Die Universität setze bestimmte Fähigkeiten voraus: richtiges Zitieren und Quellen auf ihre Vertraulichkeit zu prüfen werden zum Beispiel als selbstverständlich angesehen.
Unkritisiert bleibt die VWA allerdings auch unter den Befragten nicht. Die mangelnde Begleitung durch Lehrpersonal beim Schreibprozess der Arbeit sticht u.a. negativ hervor. Verbesserungen der VWA seinen also durchaus anzudenken, die VWA ganz abzuschaffen sei aber keine gute Lösung.
"Ich denke, die VWA hilft viel in der Vorbereitung auf Seminararbeiten und auch Diplomarbeiten. Einerseits dabei, wie man an das Schreiben herangeht, aber auch beim Lernen der Informationssuche."
Außerdem findet Chiara es gut, dass die bisherige VWA aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil besteht, da es individuell verschieden sei, ob einem das Schreiben oder das Vortragen mehr liegt. Ihre Verbesserungsvorschläge? "Ich fände es gut, wenn man bei der VWA Zeichenzahl kürzen würde, damit man sich mehr auf die Informationssuche konzentrieren kann."
"Die VWA hat mir im Studium insofern geholfen, als dass sie mich an das wissenschaftliche Arbeiten, Zitieren, Durchführen einer Literaturrecherche und auch an das Formulieren einer Forschungsfrage herangeführt hat. Das hat sich nach am Anfang des Studiums, aber vor allem für die Seminararbeiten ausgezahlt".
Über die neue Version der VWA – eine abschließende Arbeit als Multimediaprojekt, beispielsweise in Form einer Videoreportage – sagt sie: "Ich bin ehrlich gesagt kein Fan davon. Natürlich ist Kreativität super, aber de facto bereitet eine schriftliche Form in meinen Augen definitiv mehr auf das Leben in der Uni vor, vor allem weil man nicht in jedem Kurs ständig über Zitierregeln, etc. aufgeklärt wird."
Außerdem sei das wissenschaftliche Arbeiten Übungssache: "Ich habe auch über ein politisches Thema geschrieben, was mich noch mehr ermutigt hat, dann wirklich Politikwissenschaft zu studieren. Ich fand es insgesamt einfach spannend und die VWA hat mich sicher auch für wissenschaftliches Arbeiten motiviert".
"Schon damals hatte ich endlich das Gefühl, etwas zu lernen bzw. zu üben, was ich in einem potenziellen Studium permanent brauchen könnte: tiefgreifende Recherche, das Unterscheiden von seriösen und unseriösen Quellen sowie das Gliedern und Verfassen einer inhaltlich schlüssigen Arbeit".
Er halte es für eine "destruktive Idee", die VWA abzuschaffen, da sie der einzig annähernd reale Einblick in die Studienwelt im Laufe der Schulkarriere sei. Auch die immer mehr verbreitete Nutzung von KI findet er in der Debatte nicht relevant, da die grundsätzlichen Fähigkeiten, die man aus der Gestaltung einer solchen Arbeit zieht, in seinen Augen nicht verloren gehen.
"Ich sehe die VWA als sinnvolle Möglichkeit den Maturanten eine wissenschaftliche Denkweise näherzubringen". Er berichtet: "Im Laufe meines Studiums habe ich noch keine komplexen Texte verfasst, trotzdem hat die VWA mir geholfen, mit wissenschaftlichen Artikeln umzugehen und mich beim Arbeiten mit diesen zurecht zu finden". Kritisch sieht er, dass bei der Qualität der VWA sehr viel mit dem Engagement der jeweiligen Betreuungsperson steht und fällt.
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