Was genau ist eine VWA?
Die AHS-Matura ist derzeit an drei Prüfungsmodi gebunden: Schülerinnen und Schüler müssen drei oder vier schriftliche Prüfungen und zwei oder drei mündliche Klausuren absolvieren. Hinzu kommt verpflichtend als Teil der Note die Vorwissenschaftlichen Arbeit, die aber an kein Fach gebunden ist.
Was genau kritisieren die Lehrer-Vertreter an der verpflichtenden VWA?
Die beiden größten Fraktionen in der AHS-Gewerkschaft, die „Österreichische Professorenunion“ und die „Christgewerkschafter“, warnen, dass die Arbeiten nicht nur von Schülern, sondern auch von KI-Programmen wie ChatGPT verfasst werden können. Der Einsatz von KI erfordere eine viel intensivere Betreuung, die Lehrkräfte in Zeiten des generellen Lehrermangels zusätzlich belaste. Und: Während die Kinder von Akademiker-Eltern auf die familiäre Unterstützung bauen können, ist das für Jugendliche aus bildungsfernen Schichten oft nicht möglich. Die VWA bevorzuge demnach bestimmte Schüler.
Ist es demnach sinnvoll, die VWA abzuschaffen?
Nein. „Die Vorwissenschaftliche Arbeit ist ein wichtiges Instrument“, sagt Barbara Schober, Bildungspsychologin und Dekanin der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien. Gerade weil Studierende mitunter klagen, dass sie Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule zur Hochschule haben, sei es wichtig, die Vorwissenschaftliche Arbeit beizubehalten. „Mit ihr lernen Schüler im Idealfall die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens. Wie gehe ich mit Quellen um, was überhaupt sind gute Quellen, etc.? In Zeiten von Fake News wird dieses kritische Hinterfragen noch wichtiger.“
Für die Universitäten bieten die VWA den Vorteil, dass sie Studienanfänger mit Vorkenntnissen bekommen. Schober: „Dass Lehrkräfte sagen, sie seien mit dem Begleiten der VWA überfordert, muss man ernst nehmen. Aber das ist kein Argument dagegen, sondern dafür, die Lehrkräfte zu unterstützen.“
Was ist mit der KI? Sollte sie an Schulen oder Universitäten verboten werden?
Nein. Bildungsforscher und Pädagogen plädieren dafür, KI in die Ausbildung an Schulen und Universitäten zu integrieren anstatt zu verbieten. „Es geht bei KI um viel mehr als nur um die Plagiatsprüfung schriftlicher Arbeiten“, sagt Regine Mathies, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Innsbruck, zum KURIER. An Österreichs größter Universität, der Uni Wien, hat man längst entschieden, KI aktiv in die Hörsäle zu bringen. Die Wissenschaft kann sich technischen Entwicklungen nicht verschließen. Zudem hebt KI wissenschaftliches Arbeiten auf ein neues Level.
Expertin Schober bringt ein Beispiel: „In der Psychologie gibt es zur Frage, wie Langeweile und Leistungsfähigkeit zusammenhängen, weltweit Tausende Studien in verschiedensten Sprachen. Es ist für eine Wissenschafterin de facto unmöglich, alle Artikel, Aufsätze und Studien zu lesen, die damit zu tun haben.“ Einer KI könne man schnell beibringen, „dass sie einen Großteil der für eine bestimmte Frage relevanten Papers und die enthaltenen Erkenntnisse findet“. Die Kunst bestehe darin, der KI die richtigen Fragen für derartige Suchen zu stellen und die Ergebnisse richtig einzuordnen und für weitere Erkenntnisse zu nutzen. „Das wird auch in Zukunft nur der Mensch können.“
Aber wie kann man jetzt Plagiate bei der Matura bzw. VWA verhindern?
Die Lösung besteht möglicherweise darin, die Benotungskriterien zu ändern. „Derzeit wird vor allem das Ergebnis – die schriftliche Arbeit – benotet“, sagt Expertin Mathies. Diese Kultur müsse sich hin zu einer Prozessbegleitung ändern. In der Praxis bedeutet das: Schüler entwickeln gemeinsam mit Lehrern Forschungsfragen und schildern in der schriftlichen Arbeit aus, wofür sie KI eingesetzt haben. Mathies: „Ziel muss sein, das kritisch-distanzierte Denken und den Umgang mit KI zu erlernen.“
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