Matura: Grüne gegen einfaches Streichen der vorwissenschaftlichen Arbeit

Matura: Grüne gegen einfaches Streichen der vorwissenschaftlichen Arbeit
ÖVP-Bildungsminister hält die Pflicht zur VWA für nicht sinnvoll, FPÖ wäre ebenfalls für Abschaffung. KI-Experte kontert: Eine Abschaffung löst Probleme nicht.

Die Grünen halten das von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) geplante Streichen der Pflicht zum Verfassen einer Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) bei der AHS-Matura für nicht sinnvoll. 

Nach den Vorstellungen des Ministers soll diese durch eine weitere mündliche Matura-Prüfung ersetzt werden können. Für Reformen bei der VWA sei man aber offen, meinte die Grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann in mehreren Medienberichten.

Derzeit müssen AHS-Maturanten zur Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten an Hochschulen eine bis zu 60.000 Zeichen umfassende VWA schreiben. Die Arbeit daran zieht sich vom ersten Semester der siebenten Klasse bis zum Beginn des zweiten Semesters der achten Klasse. Anschließend muss sie außerdem vor einer Kommission präsentiert und diskutiert werden. 

Geht es nach der von Polaschek eingesetzten Expertengruppe, soll sie künftig durch eine zusätzliche mündliche oder schriftliche Prüfung, eine Projektarbeit oder andere "innovative Formate" ersetzt werden können. Dass die Pflicht fallen soll, ist für Polaschek jedenfalls fix. Dafür nötig ist allerdings eine Gesetzesänderung.

Die Zustimmung des Koalitionspartners dafür ist aber nicht fix, machte Hamann klar. Einfach die Verpflichtung zur VWA zu streichen, ist für sie nicht sinnvoll. Sie könne sich aber etwa ein eigenständiges kleines Forschungsprojekt statt des derzeit vorherrschenden Aufarbeitens und Zusammenfassen von Fachliteratur vorstellen.

Die Neos sind ebenfalls gegen das "überstürzte" Streichen. "Die Antwort der Schule auf ChatGPT und Co. kann doch nicht sein, das Rad zurückzudrehen zu früheren Maturaformaten", so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre in einer Aussendung. Stattdessen solle KI sinnvoll einbezogen und etwa mehr Fokus auf Präsentation und Diskussion der Ergebnisse gelegt werden.

Die FPÖ ist dagegen für das Ersetzen der VWA durch eine weitere schriftliche Prüfung bei der Matura. Bildungssprecher Hermann Brückl betonte, dass man schon 2009 als einzige Partei gegen die Einführung der VWA gestimmt habe.

"Das Thema geht nicht weg"

"Sehr überrascht" von den Plänen Polascheks und vor allem deren Begründung zeigte sich bei einem Pressegespräch des Österreichischen Bundesverlags (öbv) am Mittwoch der AHS-Lehrer Bernhard Gmeiner, der neben seiner Unterrichtstätigkeit auch KI-Fortbildungen für Lehrkräfte anbietet. Die Argumentation, dass man damit auf die rasanten Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) reagiere, geht für ihn an der Grundproblematik vorbei.

"Das Thema geht ja nicht weg, wenn man die Verpflichtung streicht. Es wird ja weiter Schüler geben, die das wählen werden", meinte Gmeiner. Bei einer spontanen Umfrage am gestrigen Abend in seiner eigenen Maturaklasse hätten etwa zwei Drittel angegeben, sie hätten die VWA auch freiwillig verfasst.

Sinnvoll würde es Gmeiner erscheinen, wenn man die Regeln und Prämissen für die VWA anpasse. "Als Lehrperson muss ich viel enger betreuen. Der Fokus sollte auch nicht auf dem Verfassen der Arbeit liegen, sondern auf der Defensio bzw. der Diskussion." Für Lehrer bzw. Schüler bedeute das außerdem, dass die einzelnen Arbeitsschritte viel intensiver begleitet und im Betreuungsprotokoll dokumentiert werden müssten. Im Protokoll müsse auch ganz genau festgehalten werden, welche Arbeitsschritte konkret durch KI unterstützt worden seien und in welcher Form dies geschehen sei.

Möglichkeiten durch KI

Ganz generell müsse beim schulischen Schreiben ein Umdenken stattfinden, betonte Gmeiner. "Man wird weniger Endprodukte bewerten als vielmehr auf den Prozess eingehen und schauen, wie ein Text entsteht." Bei Referaten oder Buchzusammenfassungen müsse die Aufgabenstellung überdacht werden. Das sei aber möglich. Außerdem biete KI auch die Möglichkeit für eine individualisierte Betreuung von Schülern. Diese könne etwa anhand vorgegebener Kriterien gut Feedback geben bzw. Feedback gut begleiten.

Eine Umfrage des öbv unter knapp 400 Lehrkräften zeigt, dass diese KI große Bedeutung beimessen: Rund drei Viertel gehen davon aus, dass diese in zehn Jahren selbstverständlicher Teil des Unterrichts bzw. der Bildungsmedien sein wird. Gleichzeitig ist man sich gewisser Gefahren bewusst. Mehr als 80 Prozent gaben an zu beobachten, dass KI Schüler "verleitet, sich vor Arbeit zu drücken, die sie sinnvollerweise selbst machen sollten".

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