Vranitzky missfällt SP-Kritik an ÖBB-Chef Kern

"Es gibt nur wenige Vorleben, die jemanden von Haus aus als Politiker disqualifizieren." Franz Vranitzky, Alt-Bundeskanzler, SPÖ.
Manager zu sein disqualifiziert nicht für die Politik, richtet der Alt-Kanzler der Parteispitze aus.

Auf den ersten Blick ist nicht viel passiert am Wochenende. Die Nationalratspräsidentin und der Bundeskanzler standen Journalisten Rede und Antwort, Doris Bures im Ö1-Mittagsjournal, Werner Faymann in der ORF-Pressestunde. Die Art und Weise, wie beide mit den Gerüchten um eine Ablöse an der Parteispitze umgehen, lässt Experten und Funktionäre wie Alt-Bundeskanzler Franz Vranitzky freilich staunen.

Zur Erinnerung: Am Samstag hat Bures nicht nur festgehalten, Faymann sitze fest im Sattel; sie hatte obendrein erklärt, der bisweilen als Kanzler-Alternative genannte ÖBB-Boss Christian Kern habe nicht das Zeug zum Parteichef ("Er wäre kein guter Politiker"). Am Sonntag kommentierte dann Faymann die Befindlichkeiten. "Bei uns ist etwas los", sagte er über die SPÖ. Er sehe sich "fest im Sattel". Und dass Bures Kern die Kompetenz absprach, unterstrich er: "Sie wird wissen, wie er ist."

"Nicht nachvollziehbar"

Verdiente Funktionäre wie Franz Vranitzky können derlei nicht mehr nachvollziehen. "Es gibt nur wenige berufliche Vorleben, die jemanden von Haus aus als Politiker disqualifizieren", sagt Vranitzky zum KURIER.

Um als Politiker erfolgreich zu sein, sei es wichtig, "politische Vorgänge zu erkennen, zu begreifen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und sich der Aufgabe bewusst zu sein, die man für die Gemeinschaft zu erfüllen hat".

Unter Vranitzkys besten Ministern waren Manager: Rudolf Streicher und Viktor Klima. "Ich habe kein Disqualifizierungselement darin gesehen, wenn jemand vor seiner politischen Tätigkeit in einem verantwortungsvollen Beruf stand", sagt Vranitzky.

Mit dieser Ansicht sei er in der SPÖ früher nicht allein gewesen. Vranitzky: "Ich habe mich ja nicht für die Politik beworben, sondern ich bin gerufen worden, also wurde das in der SPÖ früher anders gesehen."

Auf die Frage, ob es sich die SPÖ angesichts der dünnen Personaldecke leisten könne, Spitzenleute ex cathedra für unfähig zu erklären, sagt Vranitzky: "Generell ist das Angebot an Spitzenleuten in den Parteien nicht gerade überbordend."

Schlechtes Krisenmanagement

Auch außerhalb der Partei werden die Aussagen des Duos Bures/Faymann als strategisch ausnehmend ungeschickt qualifiziert.

"Anstatt zu sagen: ,Wir sprechen nicht über Themen, die keine sind‘, wurden die Ablösegerüchte nun manifest gemacht", sagt Politik-Berater Thomas Hofer zum KURIER. "Und als Kollateralschaden hat man ÖBB-Chef Christian Kern beschädigt, indem man ihm öffentlich jede Qualifikation für die Politik absprach."

Wie Hofer ist auch Politik-Analyst Peter Filzmaier überzeugt, dass das Krisenmanagement in diesem Fall kläglich versagt hat. Das offensive Thematisieren der Ablöse-Gerüchte und die scharfe Attacke auf Kern würden die Spekulationen befeuern. "Genau das", sagt Filzmaier, "wollte man verhindern."

Bleibt die Frage: Wenn klar ist, dass keine Antwort die beste gewesen wäre, wie konnte das den Routiniers Faymann und Bures passieren? "Das ist wohl nur durch deutlich erhöhte Nervosität erklärbar", sagt Filzmaier.

Das sieht auch Heidi Glück so. Die Politik-Beraterin war Sprecherin von Kanzler Wolfgang Schüssel und sieht zwei Probleme: "Zum einen sind der Kanzler, Kern, aber auch Bures beschädigt – als parteiübergreifende Nationalratspräsidentin hält man sich bei Partei-Themen grundsätzlich eher zurück."

Weit schwerer wiege, dass die SPÖ sich thematisch eine unnötige Flanke geöffnet habe: "In einer politisch ruhigeren Phase des Jahres hat man selbst ein Negativ-Thema gesetzt."

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