Wallner über Flüchtlinge: "Religion und Kultur sind schon ein Faktor"
Die Bevölkerung tue sich leichter mit ukrainischen Flüchtlingen als mit jenen von 2015, sagt der Vorarlberger Landeshauptmann. Zudem fordert er die Pflegelehre und hält ein Verschieben der Impfpflicht um zwei Monate für denkbar.
Markus Wallner, ÖVP-Landeshauptmann von Vorarlberg, im Interview über den Wechsel seines Landesrats in die Bundesregierung, die Impfpflicht und die Flüchtlinge.
KURIER: Ist Johannes Rauch der Richtige für den Job des Gesundheitsministers?
Markus Wallner: Er bringt die Fähigkeiten mit, kennt die politischen Mechanismen. Das könnte dazu führen, dass wir schnell in einen Arbeitsmodus finden. Was wichtig ist, es sind viele Herausforderungen da.
Wo muss er anpacken – abseits der Pandemie?
Wir haben Handlungsbedarf in der Pflege. Die Pflege zu Hause muss leistbar und machbar sein. Über die Finanzierung sollte man im Hintergrund reden und der älteren Generation nicht ständig das Gefühl geben, sie wäre eine Belastung. Das zweite Thema ist die Ausbildung. Wir in Vorarlberg bieten uns als Pilotregion für die Pflegelehre an. Das ist aber nur ein Modell – wir müssen allen Altersgruppen etwas anbieten und durchlässig sein, weil wir auf einen ausgeprägten Fachkräftemangel zusteuern.
Es gibt Bedenken, dass die Pflegelehre im Vergleich zur akademischen Ausbildung minderwertig sein könnte.
Bei uns gibt es keine schlechten Lehrberufe, die Lehre ist ein Qualitätsprodukt. In der Schweiz ist die Pflegelehre seit Jahren etabliert. Wir sehen, dass sie funktioniert.
Ukrainische Flüchtlinge sollen temporären Schutz bekommen und gleich arbeiten dürfen. Es heißt, der heimische Arbeitsmarkt „will und braucht“ sie. Was denken Sie?
Durch den temporären Schutz fällt die Bürokratie des Asylverfahrens weg, das macht einen Unterschied. Aber wir müssen schon sehen, wer da kommt: Frauen mit Kindern, die traumatisiert sind und ihre Männer im Krieg zurücklassen mussten. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie diese Frauen sich fühlen. Zu erwarten, dass man sie gleich zum Arbeiten einsetzen kann – da wäre ich vorsichtig.
Die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, ist groß. Tut sich Ihre Partei leichter, weil es – anders als 2015 – um hellhäutige Christen geht?
Man soll nicht verschweigen, dass das eine Rolle spielt bei der Flüchtlingsaufnahme. Die Zivilbevölkerung reagiert im Moment sehr positiv und will helfen, weil sie sieht, was da vor unserer Haustüre passiert. Wenn es in der Folge um die Integration geht, ist das religiöse und kulturelle Umfeld schon ein Faktor . Und die Leute haben auch Angst vor bestimmten Strömungen.
Ist das nicht rassistisch?
Diesen Vorwurf habe ich so nicht gehört und kann damit auch nichts anfangen.
Wie muss sich Österreich aufstellen, damit die Stimmung nicht kippt – wie 2015?
Da ist Vorarlberg ein gutes Vorbild. Wir hatten viele kleine, menschenwürdige Unterkünfte, eine gute regionale Verteilung, und keine Massenquartiere. Die humanitäre Grundeinstellung haben wir durch die Integrationsvereinbarung mit klaren Spielregeln verbunden.
Müssen ukrainische Flüchtlinge in Vorarlberg auch Deutsch lernen, um Sozialleistungen zu erhalten?
Das kann man im Moment vergessen, jetzt geht es um schnelle Hilfe. Bei längerem Aufenthalt muss man natürlich über Integration reden.
Morgen wird entschieden, wie es mit der Impfpflicht weitergeht. Was denken Sie?
Die Impfpflicht ist beschlossen und sie gilt. Sie ist nur noch nicht sanktioniert.
In einem US-Bundesstaat ist es gesetzlich verboten, auf einem hässlichen Pferd zu reiten. Ist unsere Impfpflicht – ohne Strafe – ähnlich effektiv?
Das Gesetz ist mit mehreren Stufen so gebaut, dass man die Impfpflicht schärfer stellen kann. Wir werden jetzt zu entscheiden haben, wann der richtige Zeitpunkt ist.
Das Scharfstellen könnte also verschoben werden?
Könnte sein. Wenn wir für den Herbst gut immunisiert sein wollen, wäre es wohl in ein bis zwei Monaten soweit.
Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, um die Impfquote zu steigern?
Die Erfahrung zeigt, dass die Bereitschaft meistens dann steigt, wenn die Bevölkerung die Not sieht – wie im Herbst auf den Intensivstationen. Besser wäre es natürlich, an Vorsorge zu denken. Einschränkungen wie die 2-G-Regel haben auch geholfen. Daher bleibt offen, ob wir das für den Herbst wieder brauchen.
Die 2-G-Regel, die Impfanreize – bei vielen fruchtet alles nichts. Haben Sie schon einmal daran gedacht, es aufzugeben, die Verweigerer ihrem Schicksal zu überlassen?
Ich bin vom Impfen überzeugt. Und in der Politik sollte man nie aufhören, die Menschen überzeugen zu wollen.
Markus Wallner
ist seit 2011 Landeshauptmann von Vorarlberg und bildete 2014 eine Koalition mit den Grünen, die nach der Landtagswahl 2019 fortgesetzt wurde. Aktuell hat Wallner den Vorsitz der Landeshauptleute-Konferenz und ist damit Sprachrohr der Länder gegenüber der Bundesregierung
Johannes Rauch
war gemeinsam mit Wallner Architekt der schwarz-grünen Koalition und Landesrat für Umwelt und Infrastruktur. Jetzt wird er Gesundheitsminister, Daniel Zadra folgt ihm im Land nach.
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