"Vor den Frauen sollen sich alle fürchten"

"Vor den Frauen sollen sich alle fürchten"
"Was bedeutet Feminismus für Sie?" Von zehn Frauen antworten alle zehn unterschiedlich auf diese Frage. Doch das macht nichts, vielleicht ist es ja genau das, was den Feminismus ausmacht.

Nach der Definition der Encyclopædia Britannica handelt es sich bei Feminismus um den „Glauben an die gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter“. Es geht also darum, Gleichheit einzufordern, wo sie noch nicht erreicht ist. Obwohl das ziemlich einleuchtend klingt, hat der Feminismus einen schlechten Ruf. Kaum eine Bewegung wird von so vielen unterschiedlichen Seiten angegriffen.

Auch Feministinnen selbst machen beunruhigende Beobachtungen. Denn, wenn die US-amerikanische Popkulturjournalistin Andi Zeisler, Mitbegründerin des feministischen Magazins "Bitch", aktuell über Feminismus spricht, dann verwendet sie Wörter wie Trend und Vermarktung. Hinzu käme, dass Frauen und Feminismus seit einiger Zeit gleichgesetzt würden. Doch egal ob der Twitter-Hashtag #aufschrei, unter dem alte Probleme neu aufgelebt sind, nackte Brüste, die in der Öffentlichkeit als Transparent verwendet werden, eine oft zugeschriebene Aggressivität und grenzenloser Männerhass, gespreizte Beine in der U-Bahn oder aber auch eine kontroversielle Diskussionsrunde: Es geht letztlich immer um Frauenrechte und Frauenpolitik.

"Vor den Frauen sollen sich alle fürchten"
DasBusiness Riot Festivalrückte auch dieses Jahr wieder die Frauenförderung in der Arbeitswelt in den Fokus. Frauen aus verschiedenen Branchen präsentierten und diskutierten von 20. bis 22. Oktober 2016 bei etlichen Workshops und Vorträgen praktische und theoretische Zugänge zu Themen rund um Autonomie, Karriere und Erwerbsbiografie. Das Festival will eine Plattform für feministische Diskurse sein. Ich wurde eingeladen, eine Diskussionsrunde zu moderieren. Sie trug den Titel„Wann sind wir endlich da? Frauenpolitik als Nebenschauplatz.“

Das Podium war prominent besetzt. So durfte ich die ehemalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die deutsche Soziologin und Buchautorin Christiane Funken dort begrüßen. Ebenfalls gekommen sind: Manuela Vollmann von der Gleichstellungsorganisation abz*austria; Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie der Arbeiterkammer Wien, sowie Birgit Moosmann von der Vienna Insurance Group.

Was raten die Frauen den Frauen?

Wichtig sei es, sich zu vernetzen, hartnäckig und solidarisch zu sein. Ein Punkt, der allen am Podium sehr wichtig war: die Gestaltung von Karenzmodellen. Einer jungen Frau im Publikum dauerte die Auseinandersetzung damit allerdings zu lange. „Können wir nun bitte über etwas anderes reden? Frauenpolitik ist schließlich viel mehr.“

Frau kann sich an diesem Punkt die Frage stellen, ob Karenz nicht der Kern von Frauenpolitik ist - oder aber vielleicht doch nur ein Zeichen der Rückschrittlichkeit der Debatte hierzulande? Eine andere Möglichkeit wäre es, den Fokus auf das Thema vielleicht der Generation der Podiumsgäste zuzuschreiben, da die eingeladenen Diskutantinnen teils Mütter sind und auch etwas älter als die Frauen im Publikum. Doch auch das ist nicht der Grund für den starken Fokus auf das Karenzthema. Diese Tendenz beobachtet man bei sehr vielen Diskussionen dieser Art. Frauenpolitik und Familienpolitik hängen (noch immer) sehr eng zusammen. Es gibt Frauen, die das gut finden. Und es gibt Frauen, die das – gelinde gesagt – langweilt. "Wir können nicht von der Frau sprechen“, so Heinsch-Hosek. Es gebe schließlich viele unterschiedliche Lebensrealitäten. Und sie zeigten sich an diesem Abend.

"Vor den Frauen sollen sich alle fürchten"
Auf der einen Seite saß Birgit Moosmann. Sie machte von Beginn an klar, dass sie niemals an einem Vorstandsposten interessiert gewesen wäre. Sie sei sich sicher, sie hätte wohl einen bekommen, aber darauf angelegt? „Nein, ich wollte nie so viele Stunden arbeiten.“ Die hinterherhinkenden Erwerbsbiographien von Frauen sieht sie – neben einigen anderen Faktoren – einer Sache geschuldet, an der die Frauen selbst Schuld zu haben scheinen. „Frauen wollen immer etwasmit Menschenmachen. Wie oft ich das höre. Das sind oft Jobs, die nun mal nicht die große Karriere versprechen.“

Manuela Vollmann plädierte dafür, dass zwei Frauen sich gemeinsam für einen Job bewerben könnten. Unternehmen wären bereit für so viel Flexibilität, man müsse sich nur trauen. Dann würden wir dahin kommen.

Und Christiane Funken, Buchautorin von „Sheconomy“ und sicher, dass die Zukunft der Arbeitswelt weiblich ist und dass die Wende kommen wird (bloß wann, darüber wollte sie keine Prognose abgeben), lenkte die Diskussion auf das Privatleben. „Augen auf bei der Partnerwahl!“, gab sie den jungen Frauen im Publikum mit.

Ingrid Moritz formulierte das feministische Endziel nach hitzigem Hin und Her von leichtem Grinsen begleitet, aber dennoch lautstark als: „Vor den Frauen sollen sich alle fürchten!“

Viel früher beginnen

Viele Frauen im Publikum wollten ihre Gedanken mit dem Podium teilen: Wozu brauchen wir Gender-Seminare? Monogeschlechtliche Schulen schaffen ein anderes Selbstbild! Ich möchte nicht mehr als 15 Stunden arbeiten, ich will doch für mein Kind da sein! Oder, und da war sich der komplette Raum einig: Frauenpolitik muss viel früher beginnen!

Letzteres ist ein Argument, das vor allem Heinisch-Hosek sehr wichtig ist. „Wir müssen bereits in den Kindergärten, Schulen und an den Universitäten beginnen, hier viel stärker zu sensibilisieren.“ Wie groß die Herausforderungen sind, Frauenpolitik zu betreiben, das weiß die ehemalige Ministerin nur zu gut. Der konservative Ruck, sogar Rechtsruck der Gesellschaft, löst bei ihr sichtliche Frustration aus, denn er beschneide die Frauenrechte und verlagere in alte Traditionen. „Ich habe den Eindruck, wir machen in den letzten Jahren und aktuell leider Rückschritte.“

170 lange Jahre

Und nun wurde der „Global Gender Gap Report“ publiziert. Eine Studie zur Frauengleichstellung in den Ländern dieser Welt – mit ernüchternden Resultaten. Bis Frauen und Männern weltweit für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, wird es demnach noch 170 Jahre dauern. Österreich hat im Vergleich zum Vorjahr 15 Plätze verloren und rutschte auf Platz 52 ab. Die aktuelle Frauenministerin Sabine Oberhauser bezeichnet die Ergebnisse der Erhebung als "inakzeptablen Zustand" und forderte mehr Transparenz bei den Gehältern. Die Autoren der Studie sprechen von einer insgesamt „Dramatischen Rückwärtsentwicklung“. Die Tageszeitung Österreich titelt mit „Frauenranking“ und Heinisch-Hosek hatte Recht. „Wenn wir nicht anfangen, uns zu formieren und klare Aussagen zu treffen, dann haben wir die letzten 25 Jahre vieles falsch gemacht. Es versandet gerade alles, wofür der Feminismus gekämpft hat. Es ist viel passiert, aber genau jetzt muss es weitergehen“, sagt eine junge Frau, die der Diskussion zugehört hat.

Die Frage des Abends war: Wann sind wir endlich da? Ich stelle eine Gegenfrage: Dann, wenn wir über Frauenpolitik diskutieren, ohne über Karenz zu sprechen?

Kommentare