Von Linkswende bis zum Kampf um die Mitte

Von Linkswende bis zum Kampf um die Mitte
Europas Sozialdemokraten. Politisch in der Defensive gehen die Parteichefs ganz unterschiedliche Wege

Zugegeben, Malta mag für manchen nicht leicht auf der Landkarte zu finden sein und ist bevölkerungsmäßig der kleinste aller EU-Staaten. Die dortigen Sozialdemokraten der Labour Party aber können sich auf eine Mehrheit stützen, die selbst Bruno Kreisky Respekt abgenötigt hätte: 55,04% – und das in einer Zeit, in der die Sozialdemokratie in vielen ihrer Kernländer sich gerade der politischen Bedeutungslosigkeit nähert, wie in Frankreich.

Viele linke Akzente setzt Joseph Muscats wirtschaftsfreundliche Regierung aber nicht. Ein Kurs, mit dem der britische Namensvetter, die dortige Labour Party, wenig anfangen könnte. Auch die in Portugal regierenden Sozialisten steuern viel weiter links. Weiter östlich verbergen sich hinter der Bezeichnung Sozialdemokraten inzwischen Parteien mit zweifelhaftem Verhältnis zu demokratischen Werten. Eine kleine Auswahl markanter Führungspersönlichkeiten der europäischen Sozialdemokratie.

Linker der alten Schule: Jeremy Corbyn, UK (69)

Mit mehr als 40 Prozent der Stimmen bei den Unterhauswahlen 2017 schaffte der einstige Hinterbänkler vom linken Flügel einen respektablen Erfolg. Corbyn war durch eine Revolte der Basis gegen die Labour-Führung an die Parteispitze gelangt. Er steuert Labour, wo man sich seit Tony Blair an der politischen Mitte orientiert hatte, auf einem traditionell linken Kurs – und das mit großem Erfolg vor allem bei jungen, urbanen Wählern. Wie viele Linke bei Labour ist Corbyn EU-Skeptiker, da er die Union für zu marktliberal hält.

Von der linken Rebellin zur Pragmatikerin: Andrea Nahles, BRD (48)

Die ehemalige Chefin der Jungsozialisten galt lange als die kämpferischste Vertreterin des linken Flügels – und bei Parteigranden auch als die gefährlichste. Sie brachte SPD-Chef Franz Müntefering zu Fall und setzte sogar Gerhard Schröder oft schwer zu. Seit April an der Parteispitze fährt Nahles einen pragmatischen Kurs. Sie führte die SPD in die Große Koalition und vertritt auch in Sachfragen gemäßigte Haltungen.

Sozialreformer mit Sachverstand: Antonio Costa, Portugal (57)

Als der erklärte Linke nach den Wahlen 2015 mit Hilfe von zwei linksradikalen Parteien an die Regierung kam, ging in Brüssel die Angst vor Schuldenpolitik und Staatspleite um. Doch Costa balanciert seither geschickt zwischen sozialpolitischen Reformen, wie etwa der Erhöhung des Mindestlohns und einer Budgetpolitik, die alle Vorgaben der EU erfüllt. Auch gesellschaftspolitisch ist Costa klar progressiv, so hat er Adoptionsrechte für homosexuelle Paare eingeführt, oder erleichterten Zugang zu Abtreibungen.

Viel Korruption, wenig Demokratie: Robert Fico, Slowakei (54)

Der Mord am Journalisten Jan Kuciak, der Geschäften von Freunden und politischen Partnern Ficos mit der Mafia nachging, brachte im Frühjahr Hunderttausende Slowaken auf die Straße – und Fico zum Rücktritt als Premier. Als Parteichef zieht er jedoch weiter die Fäden und gilt als der starke Mann der slowakischen Politik. Seine Haltung in der Flüchtlingskrise, sein Umgang mit Medien und die Korruption, die unter seiner Regierung überhand nahm, gelten als schwer vereinbar mit sozialdemokratischen Grundsätzen. Trotzdem bleibt seine SMER Teil der europäischen Sozialdemokraten.

Reformer auf Schleuderkurs: Pedro Sanchez, Spanien (46)

In einem Coup stürzte er im Juni die durch Korruptionsaffären geschwächten Konservativen per Misstrauensvotum. Doch Sanchez will seither wenig gelingen: Seine anfangs liberale Einwanderungspolitik musste er verschärfen, sein Budget hängt in den Seilen, die Separatisten in Katalonien wollen von seinen Verhandlungsvorschlägen nichts wissen und die ehrgeizigen Sozialreformen existieren vorerst nur auf dem Papier.

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