Virologe Bergthaler: "Masken sinnvoll für alle Innenräume"

Virologe Bergthaler: "Masken sinnvoll für alle Innenräume"
Der Immunologe Andreas Bergthaler tritt für einzelne Verschärfungen ein, will vulnerable Gruppen schützen und sieht derzeit wenig Sinn im "blinden Weitertesten".

Neuer Gesundheitsminister, fast vollständig aufgehobene Maßnahmen, neue Rekordzahlen mit knapp 50.000 Infizierten pro Tag und Streit in der Ampel-Kommission. Im Club 3 nahm der Immunologe Andreas Bergthaler zu den Ereignissen dieser Woche Stellung.

Sind angesichts steigender Zahlen die Öffnungen zu früh und radikal erfolgt?

Bergthaler: Ich habe als Virologe immer einen sicheren Zugang. Der Druck auf die Politik war schon sehr groß. Es stimmt, dass wir auf den Intensivstationen keine angespannte Situation haben. Dafür steigen die Probleme bei den normalen Spitalsbetten, es gibt Engpässe beim Personal und Bedenken wegen langfristiger Folgen. Dass die Zahlen so stark steigen, war aber Anfang Februar nicht absehbar.

Bergthaler zum Thema Masken

Wenn Sie dem neuen Minister Rauch drei Empfehlungen aufschreiben müssten, welche wären das?

Für mich ist das Tragen von Masken das gelindeste Mittel. Wir haben uns nach fast zwei Jahren daran gewöhnt, auch wenn es vor allem für Schüler eine Belastung ist. Masken wären aber nicht nur in der Schule, sondern in allen Innenräumen wichtig. Zweitens ist mir der Schutz der vulnerablen Gruppen wichtig. Die haben zum Teil echte Überlebenängste. Und der dritte Punkt: Wir müssen jetzt schon die Weichen für den Herbst stellen.

Braucht es dann die Impfpflicht?

Die Impfung ist eine Erfolgsgeschichte. Aber dass das politische Projekt Impfpflicht mehrfach missglückt ist, ist relativ offensichtlich. Man muss die Leute anders erreichen, wenn man es ernst meint.

Was der Virologe zur Impfpflicht sagt

Aber hilft eine Impfung auch gegen neue Varianten?

Die Impfungen ermöglichen, unser Immunsystem zu trainieren, daher bauen wir über die gesamte Pandemie gesehen Scheibe um Scheibe mehr Grundimmunität auf. Das hilft dann auch gegen andere Varianten und reduziert das Risiko, dass ein gesunder Mensch schwer erkrankt.

Club3 mit Andreas Bergthaler

Brauchen wir im Herbst daher vielleicht einen 4. Stich?

Ich glaube, es spricht sehr viel dafür, dass man das zumindest anbietet. Es könnte über die nächsten Jahre ein Schema ähnlich der Grippeimpfung geben, dass man rechtzeitig vor der Jahreszeit, die Infektionen begünstigt, eine Booster-Impfung bekommt. Das reduziert nochmals das Risiko vor schwerer Erkrankung und gerade in den ersten Wochen nach der Impfung auch die Weitergabe an andere. Das heißt, es macht wenig Sinn, sich jetzt eine vierte Impfung zu holen, weil es kommt der Sommer und da bringt es nicht wahnsinnig viel.

Club3 mit Andreas Bergthaler

Jetzt hat vermutlich schon eine knappe Million Menschen Omikron gehabt. Kann man sich damit ein zweites Mal infizieren?

Es gibt belegte Fälle aus Dänemark, wo Personen, die mit BA.1 angesteckt waren, wenige Wochen später mit BA.2 infiziert wurden. Aber es nicht noch nicht klar, wie häufig das vorkommt und ob man dann auch erkrankt oder nicht.

Soll es kostenfreie Tests für die gesamte Bevölkerung weiterhin geben?

Für mich persönlich hängt das stark davon ab, wie hoch die Gesundheitsgefährdung über die Gesamtbevölkerung zu sehen ist. Wenn es so bleiben würde wie Omikron, finde ich wenig Argumente, dass man gesamthaft blind weiter testet. Es ist ja international fast eine Anomalie, wie viel in Österreich getestet wird. Und man merkt bei den Umfragen auch, dass sich nur ein geringes Spektrum der Bevölkerung wirklich häufig testen lässt. Ein Großteil testete sich nur, wenn es unbedingt notwendig war, weil man sonst irgendwas nicht machen darf.

Gibt es in Österreich zu viele Kommissionen, zu viele Experten, die mitreden?

Ich sehe keine großen Widersprüche zwischen den Kommissionen. Dass nicht immer alle einer Meinung sind, ist auch klar. Die Politik muss sich halt die Frage stellen, wie sie mit Risiko in Krisen umgeht. Das muss man präventiv agieren, Maßnahmen setzen, bevor der Schaden eintritt. Und wenn man sie richtig setzt, dann tritt der Schaden gar nicht ein. Es ist also eine sich selbst zerstörende Prophezeiung, und das macht es für die Politik sehr schwierig.

Das gesamte Interview

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