Vier Tage vor Start der Corona-Ampel: Länder vermissen klare Regeln
Es sollte eigentlich ganz simpel sein: Je nach Corona-Lage, die mit einer Ampel dargestellt wird, soll es künftig in den einzelnen Bezirken Österreichs (bis auf Wien, das gilt als Ganzes) darauf abgestimmte Maßnahmen geben.
Der Teufel liegt aber im Detail: Was passiert bei Grün, Gelb, Orange oder Rot? Und wer hat die Macht darüber?
In den Ländern vermisst man Konkretes, dabei soll die Corona-Ampel schon ab Freitag gelten. Erst an dem Tag will das Ministerium seinen Leitfaden präsentieren – das ist denkbar knapp.
Am Montagabend wurde bei einer Videokonferenz zwischen den Gesundheitsreferenten der Länder und Gesundheitsminister Rudolf Anschober zumindest der Ablauf konkretisiert:
Bislang war bekannt, dass eine Kommission immer donnerstags beraten und für jeden Bezirk eine Ampelfarbe empfehlen wird – von Grün für „geringes Risiko“ bis Rot für „sehr hohes Risiko“. Einfließen werden die Zahlen der Neuinfizierten und Tests, die Cluster-Bildung und die Spitalsressourcen.
Neu ist jetzt, wie der KURIER erfuhr, dass Anschober jede Woche eine Verordnung herausgeben wird, die Standards vorschreibt – was also in den grün, gelb, orange und rot eingefärbten Bezirken mindestens gelten muss. Darüber hinaus können die Regionen individuell nachschärfen. Deren Verordnungen dürfen aber nicht weniger streng sein als jene des Ministers.
Wer hat das Sagen?
Zur Kompetenzfrage gibt es in den Ländern unterschiedliche Sichtweisen: In Wien heißt es aus dem Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ), es sei zu diskutieren, ob sich Regeln wirklich auf Bezirks- bzw. Stadtgrenzen beschränken sollen. Man könnte den Speckgürtel mitbedenken, weil es viele Pendler gibt.
In Tirol (nach Ischgl ein gebranntes Kind) wünscht man sich konkrete Vorgaben und standardisierte Abläufe. Es könne nicht sein, dass Orange im Bezirk Landeck etwas anderes bedeutet als im Bezirk Amstetten. Dennoch will man vor Ort feinjustieren.
Im Burgenland fordert Hans Peter Doskozil (SPÖ) klare Regeln, die je nach Farbe für alle gelten – für die Umsetzung sind ohnehin die lokalen Behörden zuständig, die sich vor Ort auskennen.
Die Entscheidung über Ampelfarbe und Maßnahme ist hochpolitisch, es schwingen Interessen mit. Im Eisenstädter Landhaus drückt man es so aus: „Derjenige, der in einer Tourismusregion mitten in der Saison auf Rot schaltet und alles zusperrt, hat den schwarzen Peter. Deshalb soll das der Bund vorgeben.“
In Oberösterreich plädiert man für einen Mittelweg: Es brauche für die großen Maßnahmen klare Leitlinien, heißt es bei Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP). Alles andere solle flexibel bleiben.
In Salzburg sieht man die Ampel tatsächlich nur als „Empfehlung“ und will möglichst kleinräumig vorgehen – bis hinunter auf die Gemeindeebene brauche es einen Spielraum.
Erste Fortschritte
Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) ist nach der Videokonferenz mit Minister Anschober am Montag vorerst zufrieden. „Das Ampelsystem ist mit seinen vielen verschiedenen Faktoren zwar komplex, aber aussagekräftig und zielgerichtet. Die Details warten wir ab“, sagt er im KURIER-Gespräch.
Es wird nämlich darauf ankommen, welches Repertoire an Maßnahmen die Bezirke pro Ampelfarbe zur Verfügung haben. Vereinfacht gesagt: Dürfen Schulen oder Kulturstätten schon bei Orange gesperrt werden oder erst bei Rot?
Ob es sich um eine Landes- oder eine Bundeseinrichtung handelt, spielt dabei keine Rolle. Bezirksbehörden dürfen schon jetzt, weil sie in der „mittelbaren Bundesverwaltung“ stehen, selbst Maßnahmen ergreifen.
Auf den letzten Drücker
Dass das Ministerium seinen Leitfaden erst am Freitag vorstellt, wenn die Ampel schon eingeschaltet wird, sieht man quer durch die Länder kritisch. Es sei mittlerweile Usus, dass Vorgaben aus Anschobers Büro auf den letzten Drücker kommen. Das wolle man in Zukunft nicht mehr akzeptieren.
In der Ampel-Praxis brauche es eine längere Vorlaufzeit. Wenn die Ampel immer erst am Freitag neu geschaltet wird, sei es „ein Ding der Unmöglichkeit“, die Maßnahmen übers Wochenende umzusetzen, heißt es.
Zur Kritik der Länder sagt eine Sprecherin von Minister Anschober, dass die Experten der Kommission mit Hochdruck arbeiten und es ja laufend Besprechungen mit Landesvertretern gebe.
Das Ampelsystem geht übrigens ohne rechtliche Basis in Betrieb: Die Zuständigkeiten zwischen Bezirken, Ländern und Bund stehen in einer Novelle, die wegen vieler anderer Punkte scharf kritisiert wurde (siehe unten). Bis das Gesetz beschlussreif ist, dauert es.
Im Ministerium sieht man da kein Problem: Wie beim Babyelefanten, für den es derzeit ja auch keine gesetzliche Grundlage gibt, gelte es, den Hausverstand einzusetzen.
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