Kern: Es soll "ein Ruck durch unser Land" gehen

Kern holte besonders stark zum Rundumschlag aus und kritisierte die Steuerpolitik aller globalen Konzerne
Neuer SP-Kanzler hielt seine erste Rede vor dem Parlament. Die besten Zitate.

Heute Vormittag hat der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) seine erste Erklärung vor dem Nationalrat abgeben. In seiner Grundsatzansprache hat Kern erörtert, wie er sich den Neustart der Koalition und die Zusammenarbeit mit der künftig Opposition vorstellen wird. Ein Programmpunkt im Hohen Haus ist heute die Vorstellung der vier neuen Regierungsmitglieder.

"Bedürfnis, dass durch unser Land ein Ruck geht"

Zu Beginn seiner Rede ging Kern auf die Stimmung in Volk ein: "Ich habe mit einer Vielzahl an Bürgern gesprochen. Es ist mir nicht entgangen, welche Erwartungshaltung entstanden ist. Daraus entsteht eine Verpflichtung, das ist völlig logisch. Es ist das Bedürfnis, dass durch unser Land ein Ruck geht."

Der Neo-Kanzler prangerte die "unglaubliche Kurzatmigkeit" in der Politik an. Er sei fest davon überzeugt, "dass sich dieses Land keine politische Führung leisten kann, die sich keine Zeit nimmt, nachzudenken. Ich glaube, wir brauchen eine akzentuierte Politik. Es ist das Ziel verloren gegangen, wohin wir unser Land führen wollen. In dieses Vakuum kriecht umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe."

Kern will daher "die Köpfe und die Herzen nicht dem billigen Populismus überlassen. Wir wollen die Hoffnung nähren, und nicht die Sorgen und die Ängste der Menschen. Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen. Wir dürfen unser Denken nicht mit dem Kompromiss beginnen."

Um dies zu unterstreichen verkehrte Kern ein Bonmot des seinerzeitigen SPÖ-Kanzlers Franz Vranitzky in sein Gegenteil. Heute gelte, dass "der, der keine Visionen hat, tatsächlich einen Arzt braucht".

Kern: Es soll "ein Ruck durch unser Land" gehen
Austria's Chancellor Christian Kern (C) delivers a speech in the parliament in Vienna, Austria, May 19, 2016. REUTERS/Leonhard Foeger
Kern dankte auch seinem Vorgänger Werner Faymann, der das Land in schwierigen Zeiten geführt habe, und er bedankte sich auch bei den scheidenden Regierungsmitgliedern für ihre Arbeit und ihren Einsatz.

"New Deal": Plan für Österreich 2025

Ein Schwerpunkt seines Programms werde in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik liegen. "Wir haben eine Periode von mehr als fünf Jahren an Reallohnverlust. Wir versuchen, die Stimmung in diesem Land wieder zu drehen. Meinen Vorschlag - insbesondere an meinen Partner in der Regierung - kann man mit New Deal bezeichnen: Kurzfristig die Investitionsbereitschaft der privaten Unternehmer zu stärken. Und von den Unternehmen auch erwarten, dass sie ihre soziale Verantwortung ernst nehmen."

Anhand einer von ihm getätigten Reise ins Silicon Valley und dem Beispiel des iPhone-Herstellers Apple skizzierte Kern, wie wichtig Innovationsfreude sei - und wie entscheidend diese für das Gelingen ein funktionierendes politisches Umfeld ist. Kern will daher "einen Plan für Österreich 2025 schaffen und entwickeln, öffentliche und private Investoren zusammenbringen". Den internationalen Entwicklungen können man sich nicht enziehen. Es sei daher wichtig, "rechtzeitig Vorraussetzungen zu schaffen, um diese aktiv mitgestalten zu können." Er versprach eine offene politische Diskussion und ein Ende der "Kapselpolitik".

Zuletzt richtete er einen Appell an die Politiker aller im Parlament vertretenen Parteien: "Mein Zugang ist, dass es in diesem Land keine Politikverdrossenheit gibt. Die Politik muss raus zu den Menschen, in den Dialog aufnehmen. Wir müssen Menschen zeigen, dass es sich wieder lohnt, politisch zu engagieren."

Mitterlehner: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hieß sein neues Gegenüber in seiner Folgerede willkommen: "Ich will, unsere Seite will auch. Wenn wir die Probleme angehen, sollen sich Anspruch und Wirklichkeit miteinander verbinden. Gemeinsam auf gute Zusammenarbeit, gehen wir die Sache an!"

Auch Mitterlehner dankte Werner Faymann, der Österreich in schwierigen Zeiten gut und würdig vertreten habe. Trotz einiger Probleme sei die Zusammenarbeit mit Faymann gut gewesen und gemeinsam habe man auch große Leistungen erbracht. Mitterlehner nannte etwa die Bewähltigung der Wirtschaftskrise, oder die Heta, die man in "ruhiges Fahrwasser gebracht habe.

Sowohl Regierung als auch Opposition seien aber Teil des schlechten Bildes der Politik gewesen. "Vom Kuchen der Selbstkritik kann sich hier jeder ein Stück abschneiden“.

Kern: Es soll "ein Ruck durch unser Land" gehen
ABD0026_20160519 - WIEN - ÖSTERREICH: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP/li) und der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) während einer Nationalratssitzung nach der Regierungsumbildung am Donnerstag, 19. Mai 2016, im Parlament in Wien. - FOTO: APA/ROBERT JAEGER
Der Vizekanzler forderte aber nicht nur von der Regierung, sondern von allen Seiten ein „anderes Miteinander“ ein. Alle Beteiligten sollten sich künftig konstruktiv einbringen und zuhören.

Wird dieser Neustart dieses Mal klappen?, fragte sich Mitterlehner selbst in seiner Rede. Ja, meint er. Und zwar, weil der Druck dieses Mal stärker sei; der Druck sei gut, um Lösungen zu finden. Zudem gebe es die feste, auch dokumentierte Absicht. Zu guter Letzt bestehe ein Momentum, einen Schwung, den der neue Kanzler mitbringe.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, zitierte Mitterlehner Hermann Hesse, was ihm einiges an Gelächter aus dem Plenum einbrachte. „Zauber heißt aber nicht Zauberkunststück“, legte er nach. „Geben sie uns die Chance und die Zeit, Sie werden sehen, wir werden uns das gemeinsam erarbeiten.“

Weitere Zitate aus Kerns erste Rede

  • "Was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass wir mit jeder Faser unseres Wollens, dass wir mit unserer gesamten Leidenschaft und mit jeder Minute unseres Denkens versuchen werden, die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen. Und wenn wir scheitern, werden das die richtigen Motive sein, aus denen wir scheitern."
  • "Ich halte das für sinnvoll, hier nicht jedem Mikrofon gegenüber eine Wortspende abzugeben, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich dieses Land eine politische Führung nicht leisten kann, die sich keine Zeit zum Nachdenken nimmt."
  • "Politischer Inhalt wurde durch taktischen Opportunismus ersetzt, und genau das ist es, glaube ich, womit wir brechen müssen."
  • "In dieses geistige Vakuum, in diese Ritzen dieses Vakuums, dieses Gebäudes kriecht natürlich umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe."
  • "Im Jahr 2016 bedeutet keine Visionen haben, dass derjenige, der keine Visionen hat, tatsächlich einen Arzt braucht."
  • "Wir wollen die Köpfe und die Herzen nicht dem billigen Populismus überlassen. Wir wollen zeigen, dass wir eine positive Alternative haben."
  • "Ab heute läuft der Countdown um diese Auseinandersetzung, läuft der Countdown um die Herzen und Menschen in unserem Land."
  • "Wir wollen die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste der Menschen. Wir wollen eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberstellen. Wir wollen eine Politik der Weltoffenheit der geistigen Verengung gegenüberstellen. Und wir wollen eine Politik der Heimatverbundenheit und des Patriotismus dem Chauvinismus und der Hetze gegenüber Minderheiten gegenüberstellen."
  • "Die größte Wachstumsbremse ist am Ende des Tages die schlechte Laune."
  • "Ich bin überzeugt, dass es in diesem Land keine Politikverdrossenheit gibt, aber es gibt natürlich eine große Distanz zu dieser Kapselpolitik, die sich von den Menschen und den tatsächlichen Interessenslagen, Sorgen und Notwendigkeiten mittlerweile deutlich entfernt hat."

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