Verpatzte Generalprobe für Michael Ludwig

Verpatzte Generalprobe für Michael Ludwig
Wiener SPÖ fährt mit 28,9 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein, Türkis und Grün legen zu

Dass der Sonntagabend für die Wiener SPÖ und Michael Ludwig kein Zuckerschlecken wird, ahnte man schon früh. Bereits in den vergangenen Tagen stapelten die Funktionäre tief, um letzte Wähler zu mobilisieren: Man könne froh sein, wenn die SPÖ in Wien vor der ÖVP liegen werde, hieß es – wohl um das tatsächliche Ergebnis in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

Das gelang nicht einmal ansatzweise: Mit knapp 29 Prozent (Details siehe Grafik) fuhr die SPÖ ihr historisch schlechtestes Wiener Ergebnis bei einer Nationalratswahl ein. Ludwig wirkte am Sonntag sichtlich gezeichnet.

Lange Gesichter gab es auch bei den Wiener FPÖ-Funktionären. Die Blauen hatten sich 20 Prozent als Wahlziel gesetzt – geworden sind es nur 14,2 Prozent. Das Kontrastprogramm gab es bei den Wahlgewinnern: Grün und Türkis.

Angesichts der Wien-Wahl, die spätestens in einem Jahr stattfindet, sind die Ergebnisse besonders brisant.

SPÖ: „Es ist uns nicht gelungen, mit Sachthemen durchzukommen“, lautete die Analyse der roten Parteimanagerin Barbara Novak. Die Detailergebnisse zeigen, dass die SPÖ vor allem der grünen Aufbruchstimmung nichts entgegenzusetzen hatte. Zahlreiche grüne Leihstimmen von der Wahl 2017 gingen zurück an die Öko-Partei.

Auch wenn man nach außen keine Personaldebatte anzetteln will: Dass mit Ex-Wien-Parteimanager Christian Deutsch ein Vertrauter Ludwigs für den erfolglosen Wahlkampf der Bundespartei verantwortlich ist, wird noch für interne Diskussionen sorgen.

Michael Ludwig und die Wiener SPÖ werden sich in den nächsten Monaten strategisch umorientieren müssen. Das Schreckgespenst einer rechten Mehrheit im Wiener Rathaus ist angesichts des desolaten Zustands der FPÖ kein taugliches Wahlkampf-Mittel mehr. Trotz der Schwäche der FPÖ will man die Wahl nicht vorverlegen. Das sei derzeit keine Option, heißt es aus der Partei.

Grüne: Für die Grünen ist Wien wieder das, was es – mit Ausnahme der Nationalratswahl 2017 – immer war: eine Hochburg. Nach der Nachfolgedebatte um Ex-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou liefert die Landesgruppe wieder ab – trotz der jüngst aufgepoppten Spendenaffäre um Christoph Chorherr.

Zum Glück für die neue Parteichefin Birgit Hebein. Für die bisher eher unbekannte Politikerin war die Wahl eine Bewährungsprobe. Angesichts der gegenwärtigen Relevanz des grünen Kernthemas Klimaschutz allerdings keine allzu schwere. Hebein, die zur Fundi-Fraktion zählt, hat einen routinierten Wahlkampf ohne Pannen abgeliefert.

Mit dem Plus kann sie gegenüber der SPÖ selbstbewusster auftreten. Das ist ihre Chance, das eigene Profil und jenes der Partei zu schärfen. Womit, ist auch schon klar: Vor allem beim Thema Klimaschutz wolle man nicht locker lassen, ließ sie wissen.

FPÖ: Konnte deren damaliger Parteichef Heinz-Christian Strache vor fünf Jahren noch vom Bürgermeistersessel in Wien träumen, ist die Wiener FPÖ ein Scherbenhaufen. Stand doch die Landespartei im Fokus der jüngsten blauen Skandale.

Eine Parteispaltung steht im Raum: Ob Klubchef Herbert Kickl oder der jetzige (nicht amtsführende) Vizebürgermeister Dominik Nepp bei der Wien-Wahl Spitzenkandidat sein wird (oder mit Strache gar Konkurrenz aus dem eigenen Lager droht), ist ungewiss.

ÖVP: Auch in Wien legte die ÖVP zu – und konnte den zweiten Rang festigen. Bei der Wien-Wahl wird Parteichef Gernot Blümel mit Grünen und FPÖ um diese Position kämpfen müssen. Die Chancen für eine Koalition mit Ludwigs SPÖ sind weiter intakt.

Neos: Die Themenlage – etwa Korruption und Freunderlwirtschaft – kam in Wien auch den Pinken und ihrem Landessprecher Christoph Wiederkehr entgegen. Ohne die Unterstützung von Bundeschefin Beate Meinl-Reisinger wird es bei der Wien-Wahl aber auch nicht gehen.

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