Das steht im schriftlichen Urteil zum Grasser-Prozess
Die PDF-Datei, die das schriftliche Urteil gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seine Mitangeklagten enthält, hat 1280 Seiten. 14 Monate nach dem Urteilsspruch am Wiener Straflandesgericht liegt nun die verschriftlichte Version vor.
Das Strafmaß ist ja bereits bekannt, in erster Instanz wurde Grasser nicht rechtskräftig zu acht Jahren Haft verurteilt. Auf die schriftliche Begründung des Urteils hat bisher kein anderer Verurteilter so lange warten müssen.
Dem KURIER liegt das Urteil vor.
Dass es einen sogenannten Tatplan gegeben hat, hält das Gericht für erwiesen und hält nun auch schriftlich fest:
Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, Dr. Peter Hochegger und KR Ernst Karl Plech überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen.
Grasser habe über seinen Freund Walter Meischberger die Angebotshöhe für den BUWOG-Kauf verraten haben. Dazu steht im Urteil:
Mag. Karl-Heinz Grasser informierte Ing. Walter Meischberger bereits nach der Besprechung mit Dr. Heinrich Traumüller am 4.6.2004 über die Ergebnisse der ersten Angebotsrunde. Nach der Besprechung am 7.6.2004 verriet Mag. Karl-Heinz Grasser Ing. Walter Meischberger auch den dort präsentierten vermeintlich maximal ausschöpfbaren Kaufpreisrahmen der CA Immobilien Anlagen AG von "€ 960 Millionen".
Ing. Walter Meischberger setzte Dr. Peter Hochegger über die Höhe des Angebots der CA Immobilien Anlagen AG aber auch des Österreich-Konsortiums in Kenntnis, damit dieser die Informationen an MMag. Dr. Karl Petrikovics weitergeben konnte.
Dr. Peter Hochegger informierte MMag. Dr. Karl Petrikovics über das Ergebnis der ersten Bieterrunde, und zwar insbesondere darüber, dass die CA Immobilien Anlagen AG ein Angebot über rund € 922 Millionen abgegeben hatte.
(...)
Dr. Peter Hochegger und Ing. Walter Meischberger ermöglichten dadurch, dass die Informationen von Mag. Karl-Heinz Grasser zu den Vertretern des Österreich- Konsortiums gelangten und trugen dadurch zur Umsetzung der unzulässigen Provisionsvereinbarung bei.
In Sachen "Schwiegermuttergeld" heißt es im Urteil:
Nicht feststellbar war, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser von seiner damals noch Schwiegermutter in spe Marina Ghiori-Lhota €100.000,- vor der Übergabe an W. erhielt.
Interessant ist auch, was das Gericht zum Teilgeständnis von Peter Hochegger anführt - Grasser hatte dieses ja als falsch bezeichnet.
In diesem Zusammenhang wird auf die beweiswürdigenden Erwägungen bei der Würdigung der Einlassungen des Angeklagten Dr. Peter Hochegger verwiesen. Der Einwurf des Angeklagten Mag. Karl-Heinz Grasser, dass sich der Angeklagte Dr. Peter Hochegger dreht und wendet, wie er es gerade braucht, war grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, traf jedoch auch auf den Angeklagten Mag. Karl-Heinz Grasser selbst, aber auch den Angeklagten Ing. Walter Meischberger zu.
(..)
Zum Vorwurf, der Angeklagte Dr. Peter Hochegger habe einen Deal mit der Anklagebehörde abgeschlossen, konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten eine Beweisaufnahme unterbleiben; nicht nur, weil die behauptete Absprache nach der Anklageerhebung sinnlos gewesen wäre, sondern auch weil die Aufklärung von schuld- und tatsachenrelevanten Umständen nicht zu erwarten war.
Ob die vermeintlich teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten Dr. Peter Hochegger nun einer medialen Strategie geschuldet oder tatsächlich von einem Sinneswandel geprägt war, war nicht entscheidungswesentlich. Auch eine geständige Verantwortung ist von Amts wegen auf den Wahrheitsgehalt und auf die Übereinstimmung mit dem Akteninhalt zu überprüfen, was im gegenständlichen Fall auch ausführlich gemacht wurde.
Als erschwerend für die Strafzumessung habe sich bei Grasser unter anderem das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum und die sorgfältige Planung der Taten ausgewirkt. Als mildernd wird der bisherige ordentlichen Lebenswandel, und das lange Zurückliegen der Taten und das seitherige Wohlverhalten angeführt.
Weiters heißt es in dem Urteil: "Ebenso zu berücksichtigen war, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen auch höchster Organwalter entsprechende Sanktionen nach sich ziehen; denn nur so kann die Normtreue sichergestellt werden."
Die Richterin nahm in ihrem Urteil auch zur Dauer des Verfahrens Stellung. Es habe sich nicht um ein im juristischen Sinn unverhältnismäßig langes Verfahren, das zu einer Strafmilderung führen würde, gehandelt, argumentierte sie. Denn eine überlange Verfahrensdauer liege nur vor, wenn man den Behörden eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung vorwerfen könne. Zu Berücksichtigen sei, dass Ermittlungen gegen mehr als 40 Beschuldigte geführt wurden. Im Ermittlungsverfahren seien über 150 Zeugen einvernommen worden, 110 Ermittlungsanordnungen wie Hausdurchsuchungen, Kontoöffnungen und Telefonüberwachungen durchgeführt worden, darunter auch im Ausland. "Überdies wurde eine Vielzahl an Beschwerden und Einsprüchen von der Verteidigung eingebracht", heißt es im Urteil. "Insgesamt konnten längere Phasen unbegründbarer behördlicher oder gerichtlicher Inaktivität bei präziser Betrachtung nicht festgestellt werden." Dennoch sei bei allen Angeklagten die lange Verfahrensdauer als mildernd veranschlagt worden.
"Informationsfluss merkwürdig"
Grassers Anwalt Manfred Ainedter fand den Informationsfluss des Oberlandesgerichts im Vorfeld mehr als "merkwürdig". Denn Grassers neuerlicher Fristsetzungsantrag war zuvor vom Oberlandesgericht abgelehnt worden. Bereits zum zweiten Mal begehrte der Ex-Finanzminister mit diesem Rechtsmittel, dass Richterin Hohenecker eine Frist vom Oberlandesgericht gesetzt werde, bis wann das Buwog-Urteil fertig formuliert sein solle. "Nachdem Grasser und seinen Anwälten keinerlei Auskunft erteilt worden ist, wann mit dem schriftlichen Buwog-Urteil zu rechnen sei, stellt sich die Frage, wie die Frau Präsidentin zu diesen Äußerungen kommt", sagt Ainedter erst kürzlich gegenüber dem KURIER.
Freitagvormittag kündigte er an, eine Fristverlängerung zu beantragen. Er kritisierte das "seltsame Versteckspiel mit der Zustellung", das "passt zum Verfahren". Das heute schriftlich zugestellte Urteil ist, wie üblich und dem Rechtsrahmen entsprechend, nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Kommentare