"Unternehmer bieten 10.000 Euro Startbonus, um Fachkraft an sich zu binden"

Auch der Kellner ist auf den Regionallisten gelandet
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger über die Personalnot im Tourismus, warum er sich für mehr Saisoniers und gegen 4-Tage-Woche ausspricht.

Die Sommersaison beginnt und der heimischen Hotellerie und Gastronomie mangelt es akut an Personal. In welche Branchen Köche, Kellner & Co. während der Pandemie gewechselt sein könnten, warum eine Rezession möglich erscheint - das sagt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger im KURIER-Gespräch. 

Die anhaltende Kritik an der ÖVP und insbesondere jene Wirtschaftsbund Vorarlberg teilt er nicht.

KURIER: Der Rechnungshof ortet weitere Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes im Jahr 2019 an die Vorarlberger Volkspartei und hat "Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Angaben".

Kurt Egger: Wie es Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Rüdisser bereits gesagt hat: Wenn sich die zwei angesehenen Institutionen – Finanzamt und Rechnungshof – darauf einigen können, ob der Wirtschaftsbund Partei oder Verein ist mit allen dazu gehörenden Konsequenzen, dann ist allen geholfen.

"Unternehmer bieten 10.000 Euro Startbonus, um Fachkraft an sich zu binden"

Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger

Ist der Wirtschaftsbund eine Teilorganisation der ÖVP?

Der Wirtschaftsbund ist eine Teilorganisation und damit Teil der ÖVP. Seit 2019 legen wir inklusiver allen Landesgliederungen deshalb auch Rechenschaftsberichte ab. Da sind wir die einzige Wählergruppe in der Wirtschaftskammer, die so transparent verfährt.

Themenwechsel. Die SPÖ will internationalen Vorbildern folgen und fordert die staatlich geförderte 4-Tage-Woche mit 95 Prozent des Nettogehalts bei 20 Prozent weniger Arbeitszeit …

… ich kann dem Vorschlag wenig abgewinnen. Wir haben einen Höchststand an offenen Stellen, einen Tiefststand an zur Verfügung stehenden Arbeitskräften. Ich kann nicht hergehen und mehr Arbeit auf weniger Menschen mit weniger Stunden verteilen. Das wird sich nicht ausgehen.

Möglicherweise brächte das Modell aber mehr Menschen in Beschäftigung, weil sie weniger arbeiten wollen.

In der jetzigen Situation würde die 4-Tage-Woche zu einer Mehrbelastung derer führen, die im Job sind. Daher kann ich den Gedankengang der Gewerkschaft wie der SPÖ nicht nachvollziehen. Im Tourismus fehlen 40.000, im Handel 53.000 Fachkräfte.

Branchen wie Gastronomie und Hotellerie suchen händeringend nach Personal und finden keines, weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind, zu gering entlohnt wird? Woran liegt es?

Wir gehen davon aus, dass sich viele in der Branche während der Pandemie beruflich umorientiert haben. Sehr viele aus EU-Mitgliedsstaaten haben den Weg nicht mehr nach Österreich gefunden, sondern sind in ihren Heimatländern geblieben, weil sie dort andere Jobs gefunden haben.

Also sind höhere Löhne die Lösung?

Anders, ich nenne Ihnen ein Beispiel: Fast 50 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit - von diesen haben 72 Prozent Betreuungspflichten für Kinder unter 15 Jahren. Das heißt: Wenn es gelingen würde, Kinderbetreuung so attraktiv zu gestalten, dass Frauen ihre Teilzeitstunden erhöhen, hätten wir schon viel gewonnen. Ein zweiter Ansatzpunkt wäre: Menschen in Pension attraktive Zuverdienstmöglichkeiten zu bieten.

Das wird kurzfristig nicht ausreichen, um vor der Sommersaison aus der Misere zu kommen.

Mittlerweile werden anständige Löhne bezahlt, weil man sonst keine Mitarbeiter mehr finden und halten wird können. Das geht mittlerweile so weit, dass es in der Branche zu Wechselprämien kommt, die man bisher nur aus dem Fußball kannte. Es gibt Unternehmer, die bieten als Startbonus 10.000 Euro, um eine Fachkraft an sich zu binden. Es ist ein Wettbewerb entstanden, der gar nichts anderes mehr zulässt, als dass gutes Personal gut bezahlt wird.

Und trotzdem fehlt allerorts das Personal.

Als schnellste Maßnahme wirkt die Aufstockung der Saisonkontingente, die wir fordern. Das betrifft auch die Drittstaatskontingente, die dringend erhöht werden müssen. Allein im Tourismus fehlen 40.000 Fachkräfte. Unser WB-Stellemonitor hat im Mai 280.000 offene Stellen ausgewiesen. Die Zahl der verfügbaren Arbeitslosen lag im Vergleich dazu bei 237.000. Der Überhang von 50.000 zeigt die dramatische Situation.

Sollte die Situation sich nicht so rasch ändern, wie notwendig, steht was zu befürchten?

Was wir bereits wahrnehmen, sind verkürzte Öffnungszeiten oder Schließtage in der Gastronomie- und Hotellerie und ein Einschränken der Speisekarten. Man wird versuchen, sich nach der Decke zu strecken. Wir stehen vor einer Weggabelung.

Die Weggabelung zeigt im schlimmsten Fall wohin?

Passieren kann in Zeiten wie diesen immer alles. Auch eine Rezession, wenn nicht gehandelt wird.

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