So antworten auf die generelle Frage: "Fühlen Sie sich persönlich vom Staat aufgrund der Verbote bevormundet oder finden Sie die Verbote alles in allem angemessen?" 62 Prozent mit: "Ich finde die Verbote alles in allem angemessen"; nur 29 Prozent fühlen sich "bevormundet" (Rest keine Angabe). Und gar 66 Prozent sind der Meinung, "Verbote sind notwendig", da sich die Menschen "aus eigenem Antrieb nicht vernünftig und rücksichtsvoll gegenüber ihren Mitmenschen" verhalten würden.
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Interessant ist auch, welche Verbote die Menschen am meisten stören: An der Spitze steht das Aus für den Verbrennungsmotor ab 2035 (63 % sagen "stört mich sehr" bzw. "eher schon"), gefolgt von der Apothekenpflicht auch für rezeptfreie Medikamente (59 %) und den Tempo-100-Zonen auf Autobahnen (56 %). Weit abgeschlagen die Themen begrenzte Ladenöffnungszeiten (31 %), Rauchverbot (24 %), Atomkraftverbot (15 %) oder – das Schlusslicht – Handyverbot am Steuer (7 %).
Bei der Frage, in welchen Bereichen strengere Regeln wünschenswert wären, rangiert Hundekot im öffentlichen Raum ganz oben: 81 Prozent wollen "auf jeden Fall" oder "eher schon" strengere Regeln; 80 Prozent sind es beim Waffenbesitz, 77 bei Hass-Postings oder Fake News in den sozialen Medien. Das Thema Islamismus kommt erst an fünfter Stelle (74 %), beim Antisemitismus halten nur 70 Prozent strengere Regeln für notwendig. Am wenigsten Regulierungsbedarf haben die Österreicher offenbar bei Alkohol- und Cannabis-Konsum (54 bzw. 48 %) sowie beim Radfahren (51 %).
Vorbild Judentum
Den intellektuellen Überbau zum Thema "Verbotsgesellschaft" steuern – über Österreich hinaus – Autoren wie der Publizist Henryk M. Broder oder der Kulturphilosoph Alexander Grau bei. "Was die aktuelle Situation unübersichtlich macht, ist die Gleichzeitigkeit von Permissivität und Repressivität", schreibt Broder. "Der Zugewinn an Freiheit im Privaten geht einher mit einem Rückbau bürgerlicher Freiheiten im öffentlichen Raum." Und ganz in Broder'scher Manier empfiehlt er, sich ein Beispiel am Judentum zu nehmen: Dieses komme seit jeher mit 613 Geboten aus.
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Alexander Grau warnt indes: "Die emanzipierte und liberale Gesellschaft scheint abzudanken. Cancel Culture und Political Correctness bestimmen die Debatten." Er diagnostiziert eine "penetrante Moralisierung der Alltagsdiskurse, die liberale Anliegen in ihr Gegenteil verkehrt, Freiheit im Namen der Freiheit einschränkt und Toleranz mithilfe rücksichtsloser Intoleranz durchsetzen möchte". Freilich: an diesen Entwicklungen ist nicht "die Politik" oder sonst irgendwelche Instanzen schuld: "Die Verbotsgesellschaft, die langsam um uns herum entsteht, haben wir uns selbst gebaut."
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