Ukraine: Stelzer stellt Russland-Sanktionen in Frage, Mattle dafür offen
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) stellt die Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine infrage. Man müsse diese überdenken, falls es im Herbst zu Energieengpässen kommt, sagt er in der Kleinen Zeitung (Freitagausgabe). Und er kündigt an, dass analog zur Reaktivierung des Kohlekraftwerks in Mellach (Steiermark) auch geprüft wird, ob ein oberösterreichisches Kraftwerk wieder angeworfen werden kann.
"Nichts klinisch Sauberes"
Stelzer bezeichnet die Sanktionen als grundsätzlich richtig, es sei aber nichts in Stein gemeißelt. "Die Sanktionen müssen immer auf eine Frage hin überprüft werden: Dienen sie hauptsächlich der Friedenserreichung oder schaden sie uns in der Mehrheit schon selber? Sanktionen, um den Frieden zu sichern, heißt auch, dass wir einen Preis zahlen. Das ist nichts klinisch Sauberes, es wirkt auf uns zurück, auf die Industrie, die Arbeitsplätze und die Energiekosten. Wir haben jetzt Sommer, niemand muss heizen. Das Thema Energie wird viel spürbarer werden, wenn dann wieder geheizt werden muss. Momentan glaube ich, dass es noch in einer guten Balance ist, aber es sollten bald einmal Fortschritte in Richtung Friedenserreichung gemacht werden", so Stelzer.
Bevor es zu einer Situation komme, in der das Leben in Österreich massiv beschädigt wird, "der soziale Ausgleich ins Wanken kommt, müssen wir natürlich darüber nachdenken, ob diese oder jene derzeit wirksame Sanktion weiterbetrieben wird oder ob die Treffsicherheit noch verbessert werden muss."
Zudem hält Oberösterreichs Landeschef fest: "Klar ist, die Sanktionen treffen auch uns selber, das ist ein Preis, den wir alle miteinander zahlen, um hoffentlich Frieden zu stiften.“
Kritik von ukrainischem Botschafter
Deutliche Kritik an den Aussagen Stelzers kam am Freitagabend vom ukrainischen Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez. "Wer so denkt, stellt die moralischen Werte Europas in Frage", erklärte Chymynez in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Mit einer Rücknahme der Sanktionen würde lediglich erreicht werden, dass der geschwächte Aggressor wieder gestärkt und seinem Heer der Weg für weitere Raubzüge und Gräueltaten bereitet würde, argumentierte er.
Der Diplomat betonte gleichzeitig, dass er selbstverständlich die finanziellen und gesellschaftlichen Probleme auch bei Menschen außerhalb der Ukraine sehe. Die "aktuelle Zumutung für alle Bürgerinnen und Bürger in Europa" solle jedoch als Chance gesehen werden, von russischen Energierohstoffen unabhängig zu werden und damit "den Despoten im Kreml das wichtigste Pfand für ihre Erpressung zu nehmen". Nur eine klare politische Haltung, die von allen Mitgliedsstaaten der EU getragen werde, vermöge einen Aggressor wie Putin, dessen Ziel ganz Europa sei, in seine Schranken zu weisen, erläuterte Chymynez. Er unterstrich, dass die Sanktionen bereits Wirkung zeigten und zudem wirksamer würden.
An Stelzers Seite stellt sich der Tiroler Landeshauptmann-Kandidat Anton Mattle (ÖVP). "Die Frage nach Sanktionen muss immer auf europäischer Ebene gemeinsam mit unseren Partnern beantwortet werden. Wir dürfen uns innerhalb der Europäischen Union auch in der Krise nicht auseinanderdividieren lassen. Eine Evaluierung der Sanktionen wird und muss im Rahmen der Staats- und Regierungschefs aber immer möglich sein", sagt Mattle am Freitag auf Nachfrage von Journalisten.
Der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck (ÖVP) schlägt jüngst im KURIER-Interview in eine andere Kerbe. Die Sanktionen würden dem Wirtschaftsstandort Österreich zwar schaden, "aber man darf sich auch nicht zu sehr davor fürchten. Die russische Wirtschaft ist schließlich nur knapp viermal so groß wie die österreichische und ist nur ein Fünftel der Deutschen".
Der Salzburger Landeschef Willfried Haslauer (ÖVP) hingegen gibt seinen Parteikollegen aus Tirol und Oberösterreich nur zum Teil recht. Er bleibt ein Verfechter der strengen Sanktionen. Auf KURIER-Nachfrage verweist Haslauer auf ein Krone-Interview Anfang August. Er habe seinen Aussagen nichts hinzuzufügen. Haslauer erklärte damals: "Die Sanktionen schaden uns mehr, als ursprünglich angenommen wurde, das muss man ganz klar sagen. Das sind auch für uns Opfer. Aber wenn die Analyse ist, dass Putin einfach keinen Frieden will, sondern seine aggressive Politik fortsetzt, dann hat es auch keinen Sinn, mit ihm Geschäfte zu machen, denn er wird davon nicht ablassen."
Grüner Kaineder sieht "schweren Fehler"
Kritik an dem Vorstoß Stelzers kommt vom Grünen Landessprecher in Oberösterreich, Stefan Kaineder: Studien würden belegen, dass die gesamteuropäischen Sanktionen als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Wirkung zeigen und die russische Wirtschaft auf allen Ebenen lahmgelegt werde. "Jetzt, wo die Sanktionen gegen Russland ihre Wirkung voll entfalten, diese infrage zu stellen, sehe ich als schweren Fehler. Es ist die einzige wirkungsvolle Antwort, die wir in Europa aktuell haben, um den russischen Diktator von seinen Allmachtsfantasien abzubringen.“ Dessen "tödliches Treiben“ müsse Konsequenzen haben. Wenn man zusammenstehe, werde Wladimir Putin seinen Krieg verlieren.
Stelzer kündigte unterdessen zudem an, dass analog zur Reaktivierung des Kohlekraftwerks in Mellach in der Steiermark auch die Wiederbelebung des
stillgelegten Kohlekraftwerks in Riedersbach in Oberösterreich geprüft werde. "Wir prüfen gerade, wie das gehen könnte. In Riedersbach sind allerdings
alle Genehmigungen ausgelaufen, man stünde dort am Beginn wie bei einem neuen Kraftwerk, müsste alle Verfahren neu starten, Mitarbeiter aufbauen.
Aber wir prüfen das, weil wir nicht davon ausgehen können, dass alles wie gewohnt weiterläuft. In der Not bin ich für alles, was uns unabhängiger macht.“
FPÖ‐Außenpolitik‐Sprecher Axel Kassegger ortete ein "Rumoren“ in der ÖVP. "Es war uns Freiheitlichen sofort klar, dass diese Sanktionspakete nur Schüsse
in das eigene Knie bedeuten können. Was diese EU‐hörige ÖVP mit den grünen Kriegstreibern hier anstellen, ist schlichtweg schauerhaft“, meinte er in
einer Aussendung.
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