Eigentlich sollte es kein großes politisches Problem sein. Schon in den 1990er-Jahren hat die ÖVP ein Konzept für nachhaltiges Wirtschaften entwickelt, dessen Kernstück eine ökosoziale Steuerreform ist. Dieses ÖVP-Konzept ist von einer „CO2-Bepreisung“, wie sie den Grünen vorschwebt, nicht weit weg.
Das Prinzip: Jeder Österreicher bekommt einen Ökobonus von beispielsweise 200 Euro. Parallel dazu erhöht man die Preise klimaschädigender Waren, also etwa von Benzin und Diesel. Jeder Österreicher kann nun selbst entscheiden, ob er sich klimafreundlich verhält – dann sollte ihm von den 200 Euro etwas übrig bleiben; oder ob er zum Beispiel mit dem SUV nach Wien zur Arbeit fährt – dann zahlt er drauf.
Aber so einfach ist das nicht. Orangen aus Südafrika? Kleidung aus Vietnam? Zölle sind EU-Kompetenz, außerdem gelten WTO-Regeln oder andere, bilaterale Abkommen.
Für die Grünen ist der Klimaschutz aber ein Muss, ohne ein herzeigbares Ergebnis braucht Werner Kogler erst gar nicht hingehen zu dem Bundeskongress, der über das türkis-grüne Regierungsprogramm abstimmen wird.
Kalte Füße
Auf der anderen Seite bekommen die schwarzen Wirtschaftsvertreter kalte Füße. „Nachhaltig“ in ein Marketingpapier zu schreiben, ist leichter als sich nachhaltigen Regeln zu unterwerfen.
Dass Ökologie und Ökonomie überhaupt kein Gegensatz mehr seien, entpuppt sich als Wunschdenken mancher Sonntagsredner.
Waldviertelautobahn, dritte Flughafenpiste, Steuern, Regulative und Auflagen: Das sind die Knoten, die Sebastian Kurz und Werner Kogler jetzt lösen müssen.
Wie heikel die Lage ist, zeigt schon der Verhandlungsfahrplan: Heute, Mittwoch, haben die Parteichefs vor, den ganzen Tag unter vier Augen zu reden. Nur wenn nötig, sollen einzelne Fachgruppenmitglieder oder Experten zugezogen werden.
Am Freitag hätte der erweiterte Bundesvorstand der Grünen tagen sollen – der wird aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Jene Delegierte, die nicht in einer Verhandlergruppe sitzen, warten gespannt auf einen Zwischenstand. Man erfährt wenig. Etwa, dass versucht wird, möglichst viele kleine Punkte abzuhaken, aber bei den größeren eine Vielzahl noch auf „Rot“ steht. Ende der Woche soll evaluiert werden, was noch offen ist.
Differenzen gibt es nicht nur bei Inhalten, sondern auch im Stil. Die ÖVP würde sich bei heiklen Kapiteln gern mit Überschriften begnügen und das Kleingedruckte später, in laufender Koalition, verhandeln. Kogler lässt sich darauf nicht ein, er will möglichst viel im Detail vereinbaren, um später keine bösen Überraschungen zu erleben. Dieser Ansicht sind auch vereinzelt ÖVP-Verhandler, die ob des Grün-Experiments unsicher sind und lieber Schriftliches in Händen halten.
Notfallpläne
Soweit zum Koalitionspakt. Aber während fünf Jahren Regierungszeit geschieht auch vieles, mit dem man beim Verhandeln des Koalitionspakts nicht gerechnet hat.
Und weil davon auszugehen ist, dass zwei so unterschiedliche Parteien wie ÖVP und Grüne reflexartig das Gegenteil voneinander sagen würden, falls ein neues Thema auftaucht, werden jetzt schon alle möglichen „Notfallpläne“ durchgespielt, auf die die Koalition dann zurückgreifen kann. Beispiele: Eine neue Flüchtlingswelle. Ein Konjunktureinbruch. Eine neue Finanzkrise.
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