Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Verkehrsminister Andreas Reichhardt, Brigitte Zarfl (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten), Maria Patek (Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus), Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl, Finanzminister Eduard Müller, Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala, Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Innenminister Wolfgang Peschorn, Außenminister Alexander Schallenberg und Frauenministerin Ines Stilling während der Angelobung der neuen Bundesregierung am Montag, 3. Juni 2019, in der Präsidentschaftskanzlei in Wien.
Kanzler, Vizekanzler, 13 Minister und zwei Staatssekretäre: Die neue Regierung zählt 17 Köpfe. Die Übergangsregierung kam mit elf Ministern aus.

Das türkis-grüne Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz ist um einen Minister größer als sein türkis-blaues Kabinett. Wegen des neuen Größenverhältnisses der Regierungsparteien hat die ÖVP jetzt mit zehn um drei Ressortschefs mehr als 2017 bis 2019 und die Grünen konnten vier (inklusive Vizekanzler) nominieren - während die FPÖ 2017 sechs Ministerposten besetzte.

Der Abstand zwischen der ÖVP und ihrem Koalitionspartner ist jetzt beträchtlich größer: Die ÖVP kam bei der heurigen Nationalratswahl auf 37,46 Prozent, die Grünen waren mit 13,90 Prozent viertstärkste Partei - also um 23,56 Prozentpunkte schwächer. 2017 trennten ÖVP (31,47 Prozent) und den Koalitionspartner FPÖ (25,97 Prozent) nur 5,50 Prozentpunkte.

Bilder: Das künftige Kabinett

MINISTERRAT: BLÜMEL

Gernot Blümel

... ist als Finanzminister fix gesetzt. Der langjährige Vertraute von ÖVP-Chef Sebastian Kurz war bisher Kanzleramtsminister mit den Zuständigkeiten Europa, Kunst und Medien, jetzt übernimmt er die finanziellen Geschicke der Republik. Der studierte Philosoph, der sich in sozialen Medien auch schon Ovid-lesend inszeniert hat, ist auch Chef der Wiener Landespartei. Als solcher wird der 38-Jährige im Herbst 2020 wohl auch in die Wien-Wahl ziehen.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Karl Nehammer

... wird Innenminister - das war der ÖVP nach der Ära Kickl ein Anliegen. Der Niederösterreicher führte den Wahlkampf von Kurz als dessen Parteimanager, als ÖVP-Generalsekretär hat er sich mit seinem polternden Stil einen Namen gemacht. Karriere machte er zuvor im ÖAAB. Geeignet wäre er auch für das Verteidigungsressort: Nach dem Präsenzdienst war er einige Jahre Berufssoldat und brachte es zum Leutnant. 

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Klaudia Tanner

... wird als erste Frau die Landesverteidigung übernehmen. Die niederösterreichische Landtagsabgeordnete und dortige Bauernbund-Chefin diente schon im Kabinett von Innenminister Ernst Strasser (ÖVP); schon 2017 galt sie als Anwärterin auf den Job, der dann aber der FPÖ zufiel. Mit ihrem neuen Ressort hatte die Juristin bisher nicht gerade viel Kontakt. Im Landtag befasste sie sich schwerpunktmäßig mit Themen wie Kultur, Verfassung und Gesundheit.

Edtstadler schließt gar nichts aus

Karoline Edtstadler 

... wird Kanzleramtsministerin und zuständig für Europa-Angelegenheiten. Die Juristin war unter Türkis-Blau Staatssekretärin im von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium, bevor sie für die Türkisen nach Brüssel zog - bei der EU-Wahl wurde sie Othmar Karas als Listenzweite an die Seite gestellt. Die Leitung der türkisen Delegation im EU-Parlament gibt die 38-Jährige jetzt wohl wieder ab.
 

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Elisabeth Köstinger

... wird als Landwirtschaftsministerin verlängert. Auch sie zählt zum engsten Zirkel von Sebastian Kurz, die Materie kennt sie von Kind auf: Sie stammt aus einer Lavanttaler Landwirts-Familie, ist dementsprechend Bauernbündlerin. Neun Jahre saß die 41-Jährige für die ÖVP im EU-Parlament, bevor Kurz sie nach Wien zurückholte.

Firmen sollen sich laut Schramböck auf das Wesentliche konzentrieren

Margarete Schramböck

... wird wieder Wirtschaftsministerin. Die frühere A1-Chefin war schon 2017 als Überraschungskandidatin präsentiert worden, die gebürtige Tirolerin gilt zudem als Vertraute der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

Ex-Bildungsminister Faßmann tat ein letztes Werk

Heinz Faßmann

... ist als Bildungsminister zurückgeholt worden. Der 64-Jährige war schon unter Türkis-Blau für diese Bereiche zuständig, davor war er einer der liebsten Bildungs- und Migrationsexperten von Sebastian Kurz. Fassmann, ein gebürtiger Deutscher, hat Geografie und Wirtschafts- und Sozialkunde studiert und war vor seinem politischen Engagement Vizerektor der Uni Wien.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Susanne Raab

... wird Chefin eines neu geschaffenen Integrationsministeriums und außerdem für Frauenagenden zuständig sein. Die 34-jährige Oberösterreicherin ist derzeit Leiterin der Integrationssektion im Außenministerium, bei den Regierungsverhandlungen saß sie mit am Tisch für die ÖVP. Mit ihrem Chef ist sie inhaltlich konform: Sie war etwa für die Ausarbeitung des Islamgesetzes mitverantwortlich, arbeitete beim Burkaverbot und an der Integrationsinitiative "Integration durch Leistung" mit.

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Christine Aschbacher

Neu im Kabinett Kurz: Christine Aschbacher wird Arbeits- und Familienministerin. Die 36 Jahre alte Unternehmerin aus der Steiermark war schon von 2012 bis 2015 im Finanz- und Wirtschaftsministerium tätig, sie gilt als Expertin für die Themen Fach- und Schlüsselarbeitskräfte, Standortpolitik und Innovationsmanagement.Sie bekommt Agenden, die dem grünen Sozialministerium entzogen werden - etwa den wichtigen Bereich des Arbeitsmarkts, also das AMS.

Austrian Foreign Minister Schallenberg addresses the 74th session of the United Nations General Assembly at U.N. headquarters in New York City, New York, U.S.

Alexander Schallenberg

Alexander Schallenberg bleibt auf dem ÖVP-Ticket Außenminister. Er ist damit der einzige, der den Weg von der Übergangsregierung in das Kabinett Kurz gefunden hat. Schallenberg, ein Karrierediplomat, kam schon vor 20 Jahren ins Außenamt, war Pressesprecher mehrere Minister. Internationalität liegt ihm im Blut: 1969 in Bern als Sohn des Botschafters geboren, wuchs er in Indien, Spanien und Frankreich auf. 

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Werner Kogler

Vizekanzler Werner Kogler bekommt dieselben Aufgaben übernimmt wie sein Vorgänger Heinz-Christian Strache - und zwar Sport und die Beamten. Hinzu kommt Kunst und Kultur. Kogler, ein gebürtiger Steirer, ist ein grünes Urgestein; der 58-Jährige hat die Partei nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat wieder in lichte Höhen geführt. Seine Leidenschaft sind aber die Zahlen: Er ist Volkswirt und war lange Budgetsprecher der Grünen.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Leonore Gewessler

Bereits bestätigt: Ex-Global 2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler ist als Umwelt-, Verkehrs- und Energieministerin gesetzt. Die Politikwissenschafterin und Umweltaktivistin war lange Zeit Geschäftsführerin bei Global 2000, bevor sie für die Grünen auf dem zweiten Listenplatz hinter Kogler kandidierte. Die 42-Jährige, die aus Graz stammt, war auch eine der zentralen Regierungsverhandlerinnen der Ökopartei.

Alma Zadic muss 700 Euro zahlen

Alma Zadic 

Ebenfalls fix: Das Justizministerium wird die Wirtschaftsanwältin Alma Zadic für die Grünen übernehmen. Die gebürtige Bosnierin saß in der letzten Periode noch für die Liste Pilz im Nationalrat, da machte sie im BVT-U-Ausschuss eine gute Figur. Jetzt zu den Grünen gewechselt, hat Zadic jedenfalls gute Qualifikationen für das Amt: Die 35-Jährige hat eine Musterkarriere hinter sich - nach der Schule im 10. Wiener Gemeindebezirk studierte sie in New York und Mailand bis hin zum Doktortitel Jus, war später bei der International Organisation of Migration und beim Haager Kriegsverbrecher-Tribunal aktiv.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Rudolf Anschober

Der Oberösterreicher Rudolf Anschober wird Sozialminister. Der 59-Jährige hat Erfahrung im Regieren mit der ÖVP: In seinem Heimatland währte die schwarz-grüne Partnerschaft zwölf Jahre lang. Seit den 1980ern ist der gelernte Volksschullehrer politisch aktiv, zuletzt machte er sich mit seinem Engagement für ein Bleiberecht für Asylwerber in Lehre einen Namen.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Ulrike Lunacek

Die ehemalige EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek zog für die Grünen als Spitzenkandidatin in den Nationaratswahlkampf 2017. Dabei flogen die Grünen kurzzeitig aus dem Parlament, Lunacek zog sich aus der Politik zurück. Nun feiert sie ihr Comeback: In der neuen Regierung wird sie Staatssekretärin für Kunst und Kultur im Ministerium von Werner Kogler.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Magnus Brunner

Fix ist auch, dass Magnus Brunner (ÖVP) aus Vorarlberg Umwelt-Staatssekretär der künftigen Regierung wird. Der 47-Jährige ist seit 2009 Mitglied des Bundesrats, seit 2018 ist er Vizepräsident des Gremiums. Seine erste politische Erfahrung sammelte er als Büroleiter von Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Der promovierte Jurist ist Experte im Energiesektor und hat in den vergangenen Jahren etwa am neuen Ökostromgesetz, mitgewirkt.

Türkis-Grün: Ein Minister mehr als bei Türkis-Blau

Sebastian Kurz

Wer fehlt? Der Kanzler natürlich. Sebastian Kurz beschreitet mit seiner Koalition mit den Grünen neue Wege. Neu im Kabinett Kurz II ist, dass die Medienagenden nunmehr direkt im Kanzleramt angesiedelt sind. Kurz' langjähriger Sprecher Gerald Fleischmann wird "Kanzlerbeauftragter für Medienfragen".

Beide von Kurz geführten Regierung haben zusätzlich noch je einen Staatssekretär pro Partei - und somit zählte das Kabinett Kurz I insgesamt 13 Minister und zwei Staatssekretäre, was zusammen mit dem Kanzler 16 Personen am großen Tisch des Ministerrates ausmacht. Ab nächster Woche werden dort 17 Personen (Kanzler Kurz, Vizekanzler Kogler, 13 Minister, zwei Staatssekretäre) Platz nehmen.

Eine Mannschaft in genau dieser Größe gab es bisher nur zweimal - und zwar in bisher einzigartigen Regierungsvarianten: Die Konzentrationsregierung aus ÖVP, SPÖ und KPÖ nach der ersten Wahl 1945 zählte 17 Köpfe und dann die Alleinregierung der ÖVP 1966 bis 1970. Das war übrigens die erste Regierung, in der eine Frau - Grete Rehor - zu Ministerehren kam. Und erst jetzt, ein halbes Jahrhundert später, sind erstmals mehr Frauen in der Regierung als Männer.

Kurz' türkis-blaues Kabinett hatte mit 16 Personen die gebräuchlichste Größe - es war schon das zehnte der bisher insgesamt 31 Regierungsteams (bei Angelobung nach der Wahl bzw. bei Kanzlerwechsel).

Die größten Mannschaften - mit insgesamt 23 Personen vom Kanzler bis zum Staatssekretär - hatten Bruno Kreisky in seiner letzten Periode und gleich anschließend Fred Sinowatz in der rot-blauen Koalition von 1983 bis 1986 - wobei die Zahl der Minister mit 13 bzw. 14 nicht größer war als jetzt, aber acht bzw. neun Staatssekretäre dazukamen. Die allergrößte Regierung war allerdings die provisorische von Karl Renner (S) am Beginn der Zweiten Republik, mit 39 Regierungsposten, davon 25 Staatssekretären. In dieser Regierung war jede der drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ in jedem Ministerium zumindest mit einem Staatssekretär vertreten.

Ganz ohne Staatssekretäre und mit nur elf Minister kam Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein in ihrer - 2019 nach dem türkis-blauen Ibiza-Crash eingesetzten - Regierung aus. Das war nicht nur die bisher einzige Beamtenregierung Österreichs, sondern auch die mit Abstand kleinste.

Früher zählten übrigens die Vizekanzler noch extra, denn sie übten kein Ministeramt aus. Das änderte sich erst mit der ersten VP-Alleinregierung unter Josef Klaus (ab 1966), seither sind Vizekanzler gleichzeitig auch Minister. Auch der Grüne Vizekanzler Werner Kogler bekommt Kompetenzen - Beamte, Sport und Kultur - übertragen.

Seit den 1990er-Jahren sind die Regierungen kleiner geworden. Mit dem Zwang zur Budgetkonsolidierung und damit Sparpaketen für die Bevölkerung versuchten auch die Koalitionen zumeist, mit kleineren Teams zu demonstrieren, dass sie auch bei sich selbst sparen - was vor allem weniger Staatssekretäre bedeutete. Diese werden zwar auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt, sie sind aber nicht Mitglieder der Bundesregierung, sondern Hilfsorgane des jeweiligen Bundesministers, dem sie zur "Unterstützung in der Geschäftsführung" und zur "parlamentarischen Vertretung" beigegeben sind.

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