Türkei: Österreichisches Parlament setzt Zeichen gegen Erdogan
Der österreichische Nationalrat hat am Donnerstag in einer Erklärung geschlossen die Verhaftungswelle in der Türkei verurteilt und sich für ein Aussetzen der EU-Beitrittsverhandlungen ausgesprochen. Ferner gefordert wird die Reaktivierung des kurdischen Friedensprozesses.
In der Erklärung, die am Vormittag zunächst von den Klubchefs und der kurdisch-stämmigen Grün-Abgeordneten Berivan Aslan unterzeichnet wurde, sprechen die Abgeordneten davon, dass sich die Ereignisse in der Türkei in eine mehr als nur besorgniserregende Richtung entwickelt hätten. Bei einer weiteren Eskalation solle die Regierung einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara fordern.
Genau auf diesen Punkt pochte FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache bei einem gemeinsamen Auftritt der sechs Parlamentsklubs. Die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei sei nicht zu tolerieren. Gehe die Entwicklung in diese Richtung weiter, seien Nägel mit Köpfen zu machen und der Beitrittsprozess zu beenden.
Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka betonte, dass Grund- und Freiheitsrechte nicht verhandelbar seien. Europa dürfe sich nicht von Präsident Recep Tayyip Erdogan erpressen lassen.
"Kante zeigen"
Aslan forderte, angesichts der Verhaftungen von Oppositionellen und kritischen Journalisten nun "Kante zu zeigen". Als Sofortmaßnahme plädierte die Grün-Mandatarin dafür, den österreichischen Botschafter in der Türkei einzuberufen.
Für eine Unterscheidung zwischen politischer Führung und Bevölkerung warb Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Bei aller Kritik an Ankara müsse man den türkischen Bürgern die Hände reichen.
Zusätzlich wurde mit dem Beschluss klar gestellt, dass bei künftigen Urnengängen wieder Wahlkuverts ohne Lasche zum Einsatz kommen. Damit wird auf Dauer auf jenes Modell verzichtet, das durch die sich lösende Verklebung die Verschiebung der Bundespräsidenten-Stichwahl notwendig gemacht hatte.
Seinen Stimmzettel darf man gemäß Gesetz nun auch zu Recht selbst in die Urne einwerfen, wenn man das wünscht. Eine weitere Änderung: Briefwahlkuverts müssen nicht mehr persönlich vom Bezirkswahlleiter ab 9.00 Uhr geöffnet werden. Künftig gibt es auch die Möglichkeit, dass Hilfsorgane ihn dabei unterstützen.
Bei der ÖVP musste man sich vor allem mit Kritik seitens der NEOS und Grünen auseinandersetzen. NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak hatte sich in einem (letztlich erfolglosen) Abänderungsantrag dafür ausgesprochen, mit dem neuen Wählerregister auch gleich die Abgabe von Unterstützungserklärungen bei Wahlen in jeder Gemeinde (und nicht nur am Hauptwohnsitz) zu ermöglichen. Gerade am Land würden es die Menschen nicht wagen, sich entsprechend zu "outen", meinte er, weil Repressalien des "rot-schwarzen Machtkartells" zu befürchten seien.
Harald Stefan (FPÖ) begrüßte das zentrale Register, wiederholte aber die Kritik der FPÖ an der Briefwahl. Der Grüne Albert Steinhauser verlangte zur Verhinderung von Identitätsdiebstahl, bei künftigen Wahlkartenmodellen die Unterschrift des Wahlberechtigten wieder zu verdecken. Christoph Hagen vom Team Stronach verteidigte die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, denn "das Volk ist der Souverän".
Die Beamten-Gehaltsregeln werden schon wieder korrigiert. Der Nationalrat hat am Donnerstag mit Koalitionsmehrheit die Anrechnung der Vordienstzeiten neu geregelt. Es ist mittlerweile das dritte Mal, dass das Parlament zur Reparatur ansetzt.
Der Hintergrund: Der Europäische Gerichtshof hatte 2009 das alte Gehaltsschema aufgehoben, weil Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht angerechnet wurden, was als Altersdiskriminierung gewertet wurde. Um nicht Nachzahlungen in Milliardenhöhe vornehmen zu müssen, hat der Nationalrat immer wieder Korrekturen versucht, die jedoch ebenso oft von Gerichten gekippt wurden.
Seit 2015 gilt die Regelung, dass Ausbildungszeiten pauschal ins Gehalt eingepreist, Vordienstzeiten unabhängig vom Alter (aber auf maximal zehn Jahre begrenzt) individuell angerechnet werden. Nunmehr hat aber der VwGH nach der Beschwerde einer öffentlich Bediensteten festgestellt, dass die Gesetze nicht klar regeln, wie mit alten Beschwerden, mit denen Beamte bereits vor der Reform vom Jänner 2015 ihre Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag angerechnet bekommen wollten, umzugehen ist. Daher wären bei diesen Beamten die Vordienstzeiten noch nach der alten Rechtslage anzurechnen und entsprechende Nachzahlungen zu tätigen gewesen.
Damit trat man neuerlich an, eine Korrektur vorzunehmen. Das neue Gesetz stellt klar, dass die neuen Regelungen auch für solche Sachverhalte, die vor der Besoldungsreform 2015 liegen, anwendbar sind. Es wird festgelegt, dass beim Bestandspersonal keine nachträgliche Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten vorgesehen ist und dass die neuen Einstufungsregelungen ausnahmslos anzuwenden sind.
Die Reaktionen der Opposition auf die ohne Begutachtung und damit sehr kurzfristig eingebrachte Vorlage schwankten zwischen Hohn und Zorn. FP-Mandatar Christian Lausch befand, dass die Regierung nur Zeit gewinnen wolle, damit man den öffentlich Bediensteten die ihnen zustehenden Gelder nicht auszahlen müsse. Grün-Mandatar Albert Steinhauser entgegnete dem Argument, dass die Belegschaft dem Kompromiss zustimmen würde mit dem Hinweis, dass eine politische Lösung nichts wert sei, wenn sie rechtlich nicht halte. Die gleiche Einschätzung traf der NEOS-Abgeordnete Gerald Loacker: "Was hier vorliegt, wird wieder nicht halten." Auch Team Stronach-Mandatar Christoph Hagen forderte ein Zurück zum Start.
Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) verteidigte die Regelung, da es sonst zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Bediensteten käme. Sie habe versucht, erhebliche finanzielle Belastungen von der Republik abzuhalten, ohne dass es zu Verlusten für einzelne komme.
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