Junge Tschetschenen brechen häufiger mit patriarchalen Rollenbildern

Junge Tschetschenen brechen häufiger mit patriarchalen Rollenbildern
Laut Integrationsfonds ändert sich das Familienbild unter jungen Tschetschenen. Bei der Integration am Arbeitsmarkt haben sie nach wie vor große Probleme.

Wie leben Menschen mit tschetschenischem Migrationshintergrund in Österreich? Dieser Frage hat sich ein Forschungsbericht im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) gewidmet. Im Fokus: Geschlechterrollen, Familie, Bildung und Arbeit. Viele Befragte würden nach wie vor streng an der Geschlechtertrennung und einem patriarchalen Familienmodell festhalten, heißt es in der Zusammenfassung des ÖIF.

Dazu zähle etwa, dass sich Frauen sittlich verhalten und kleiden sollen. Männer würden bei Bedarf „erzieherisch“ einwirken, gleichsam ihre Familie repräsentieren und sie – notfalls mit Gewalt – verteidigen. Patriarchalen Strukturen, ein starrer Ehrbegriff, Arbeitslosigkeit und fehlenden Perspektiven: In der Studie "Lagebild Extremismus und Migration" aus dem Vorjahr wurden diese Faktoren auch als Gründe genannt, warum das Radikalisierungspotenzial in der tschetschenischen Community besonders groß ist.

Zweite Generation weniger streng

Aus der aktuellen ÖIF-Auswertung geht aber auch hervor: Die jüngere Generation würde diese Strukturen stärker hinterfragen. Tschetschenen zweiter Generation hätten nicht nur höheres Vertrauen in den Rechtsstaat, auch das Familienbild ändere sich: „Jüngere Tschetscheninnen streben bei den eigenen Kindern eine veränderte Form der Erziehung an: Sie wollen, dass ihre Söhne auch im Haushalt mithelfen und ihren Töchtern mehr Freiheiten ermöglichen.“ 

Die zugenommene Selbständigkeit der Frauen wird im Forschungsbericht wiederholt als zentrales Thema und Spannungsfeld zwischen alten und neuen Familienkonzepten hervorgehoben.

Probleme am Arbeitsmarkt

Laut ÖIF ist es nach wie vor eine große Herausforderung – auch junge – Tschetschenen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. "Die Bedeutung von Lehrausbildung und Schulabschluss werden vor allem von jungen Tschetschenen tendenziell eher geringer eingeschätzt, Konsequenzen für den weiteren Lebensweg werden dabei vielfach nicht oder wenig reflektiert", heißt es.

Positiv sei, dass sie eine Erwerbstätigkeit als wesentlichen Faktor für die Integration in Österreich verstehen würden. Und: „Die Teilnehmer/innen der Studie fühlen sich trotz einer vielfach starken Verbindung zur tschetschenischen Kultur als Teil der österreichischen Gesellschaft.“

Österreich hat mit zu 40.000 Tschetschenen die zweitgrößte Community in Europa. Der ÖIF will vor allem die Integration tschetschenischer Frauen mit Seminaren zu Bildung, Gewaltprävention oder Gesundheit verbessern. Die Anlaufstelle: Integrations- und Frauenzentren.

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