Was ist der Grund?
„Wir nehmen an, dass sich die Fluchtbewegungen, die während des ersten Lockdowns nicht möglich waren, wieder fortgesetzt haben“, sagt Anna Magdalena Bentajou, Fachreferentin für Integration, Migration und Asyl bei der Caritas Österreich. Insgesamt sind die Fluchtentscheidungen nach Österreich trotz Pandemie konstant geblieben und bei den unbegleiteten Minderjährigen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Warum?
Schwierig, meint Bentajou: „Fluchtentscheidungen entstehen aus dem Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Das lässt sich vor allem in so einem speziellen Fall nicht klar beantworten.“
Was fälschlicherweise oft angenommen werde: „Dass Flüchtende genaue Informationen darüber haben, wie die Situation in einem bestimmten Land gerade ist und deshalb eine Entscheidung treffen.“ Das entspreche nicht der Realität.
"All das behindert die Integration"
Klar ist: Integration fällt in Zeiten von Corona besonders schwer. Beschäftigung, klare Tagesstrukturen und Freizeitangebote waren und sind aktuell zwar für viele Menschen in Österreich Mangelware. „Bei Asylwerberinnen und Asylwerbern kommt aber noch ein Extra-Packerl dazu“, sagt Bentajou. Während des ersten Lockdowns fanden weder Einvernahmen noch Gerichtsverfahren statt. Das habe die Abwicklung von Asylverfahren verzögert, für Unsicherheit und Verzweiflung gesorgt.
Wegen mangelnder Sprachkenntnisse und fehlender technischer Geräte sei es für Asylwerber zudem schwierig gewesen, sich über die neuesten Regeln zu informieren und mit Gesundheitsbehörden in Kontakt zu treten, so Bentajou: „All das behindert natürlich die Integration, weil es kaum mehr möglich ist, mit Menschen in Österreich in Kontakt zu treten.“
Zurückgegangen ist wohl die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Heimkehrer. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gibt an, dass im ersten Halbjahr 3.489 Menschen Österreich freiwillig verlassen haben oder abgeschoben wurden. Der Wert aus den Vorjahren ist damit außer Reichweite.
Das bestätigt das BMI auf KURIER-Anfrage: „Die Covid-Restriktionen im internationalen Flugverkehr hatten selbstverständlich eine signifikante Auswirkung auf den Bereich der Außerlandesbringungen.“ Aber: Seit Beginn der Maßnahmen habe man 13 „Charterrückführungen“ durchführen können – unter den „gebotenen Hygienemaßnahmen“ und mit „spezieller Sitzeinteilung“. Man habe zudem jede Person, die rückgeführt wurde, zuvor auf Covid getestet. Fazit des BMI: „Österreich hat trotz Covid zu keinem Zeitpunkt eine grundsätzliche Aussetzung von Abschiebungen vorgenommen.“
Wer Österreich freiwillig verlassen möchte, wird übrigens seit dem 1. Jänner von der staatlichen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) beraten und vertreten. Zuvor haben NGOs und private Organisationen diese Arbeit erledigt – 20 Jahre lang auch die Caritas. Dort ist man noch skeptisch, ob eine Agentur, die ins BMI eingebettet sei, „ergebnisoffen“ mit Klienten über deren Perspektiven spreche, meint Bentajou: „Bei unseren Beratungen war es zentral, mit den Klientinnen und Klienten sämtliche Szenarien durchzugehen.“ Man werde genau beobachten, welche Standards die Agentur in puncto Qualitätsmanagement und Transparenz setzen wird.
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