Noch will man im Gesundheitsministerium keinen Termin nennen, doch schon am Montag könnte dem Vernehmen nach ein Eckpfeiler der Corona-Maßnahmen kippen: Die Quarantäne für Covid-19-Infizierte. Die fünf- bis zehntägige Absonderung könnte wie berichtet durch eine sogenannte Verkehrsbeschränkung ersetzt werden. Betroffene dürfen also das Haus verlassen, müssen aber bestimmte Auflagen erfüllen (z.B. keine Veranstaltungen besuchen).
Auch wenn die Details noch offen sind, ist es wie so oft in dieser Pandemie Wien, das gegen den Lockerungskurs lautstark auf die Barrikaden steigt. „Ich sage ganz klar: Jetzt ist der dramatisch falsche Zeitpunkt, die Pandemie politisch für beendet zu erklären“, sagt Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zum KURIER. „Auch wenn uns einschneidende Maßnahmen zum Hals heraushängen, dürfen wir nicht die Flinte ins Korn werfen.“
Er habe Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gegenüber „sehr eindrücklich deponiert“, dass in der Millionenstadt Wien andere Maßnahmen nötig seien als im Rest des Landes. Schützenhilfe bekommt Hacker von seiner Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, die sich ebenfalls klar gegen ein Aus der Quarantäne ausspricht.
Auch in der "ZiB2" sagte Hacker, dass er es Leid sei, jeden Sommer die gleiche Debatte zu führen und im Herbst sei man wieder überrascht. "Die Bevölkerung erwartet klare Spielregeln und das heißt nicht keine Spielregeln."
Hacker warnt vor Aufhebung der Quarantäne
Nun wartet man in Wien darauf, ob die Verordnung des Bundes soviel Spielraum lässt, dass man (wie schon öfter) von sich aus strengere Maßnahmen ergreifen kann. Bereits jetzt gelten in Wien schärfere Quarantäne-Regeln als in den anderen Bundesländern. Grundsätzlich dauert sie hier zehn Tage – mit der Möglichkeit, sich nach fünf Tagen freizutesten.
Anderswo ist die Quarantäne nur fünf Tage lang, danach folgen fünf Tage mit Verkehrsbeschränkung. „Trotzdem hat das nicht dazu geführt, dass in Wien die Menschen aus Angst vor der Quarantäne weniger testen“, sagt ein Hacker-Sprecher.
Arbeitsplatz
Eine Aufhebung der Quarantäne wurde auch für Unternehmen ein Problem darstellen, gibt er zu bedenken. Denn ohne Absonderungsbescheide wären die Infizierten nur mehr im „normalen“ Krankenstand. Damit würden aber die im Epidemiegesetz verankerten Vergütungen für den Verdienstentgang wegfallen. Im Vorjahr sei in Wien eine Summe von mehr als 48 Millionen Euro ausbezahlt worden.
Bedenken hat auch Philipp Brokes von der Arbeiterkammer: Erst vor Kurzem sei die Verordnung für Risikogruppen ausgelaufen, künftig würden Betroffene durch infizierte Kollegen, die statt in der Quarantäne im Büro sitzen, einer zusätzlichen Gefährdung ausgesetzt. Brokes befürchtet auch, dass angesichts der angespannten Wirtschaftslage sogar Infizierte mit Symptomen am Arbeitsplatz erscheinen.
Experten uneins
Die Mediziner sind in dieser Frage uneins: Virologin Dorothee von Laer sieht zwar kein Problem, wenn Infizierte in der frischen Luft spazieren, zur Arbeit oder in Geschäfte zu gehen, sei aber alles andere als ratsam.
„Die Absonderung hat nur mehr wenig Nutzen, wenn die Infektionszahlen so hoch sind und das Virus sehr ansteckend ist“, sagt hingegen Epidemiologe Gerald Gartlehner zu Ö1. Länder wie Spanien oder die Schweiz seien den Weg der Lockerung gegangen, trotzdem seien die Infektionskurven ähnlich wie in Österreich.
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