Vierte Festnahme nach Tragödie auf A4

71 Menschen, darunter auch vier Kinder, erstickten im Lkw. Vier Männer wurden festgenommen.

Einen Tag nach Entdeckung der Dutzenden Leichen in einem Lkw auf der A4 im Burgenland gab die Polizei erste Details bekannt. Und diese übertreffen die schlimmsten Erwartungen. 71 Menschen verloren im Inneren des Fahrzeugs den Todeskampf. "Wenn wir gestern darüber berichtet haben, dass es sich um 20 bis 50 Personen handelt, müssen wir heute leider bekannt geben, dass es sich um 71 Menschen handelt", sagte Landespolizeikommandant Hans Peter Doskozil: Er und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner informierten am Vormittag bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt über die ersten Erkenntnisse.

Unter den Opfern waren 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder, darunter ein Mädchen zwischen ein und zwei Jahren. Die anderen drei Kinder waren Buben zwischen acht und zehn. Es könnten syrische Flüchtlinge gewesen sein, da ein syrisches Reisedokument gefunden wurde. Auszuschließen ist eine afrikanische Herkunft der Menschen, so Doskozil.

Hans Niessel, Burgenlands Landeshauptmann, zeigte sich über das Flüchtlingsdrama betroffen. Er sprach von einer "unfassbaren Tragödie", die es in Österreich und im Burgenland noch nie in dieser Form gegeben habe: "Das Burgenland trauert."

Festnahmen

Vierte Festnahme nach Tragödie auf A4
ABD0037_20150828 - EISENSTADT - ÖSTERREICH: Ein Blick vom Podium auf Medienvertreter am Freitag, 28. August 2015, vor Beginn einer Pressekonferenz zum Flüchtlingsdrama auf der A4 mit 71 Toten in Eisenstadt. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER - unbegrenzt verfügbar
Inzwischen wurden vier Verdächtige in Ungarn festgenommen: Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt geht unterdessen davon aus, dass die festgenommenen Männer - drei Bulgaren, davon einer libanesischer Abstammung, und ein Afghane mit ungarischer Identitätskarte - nach Österreich überstellt werden.

Formal wird von der Staatsanwaltschaft derzeit wegen Schlepperei, vorsätzlicher Gemeingefährdung mit Todesfolge und Mordverdachts ermittelt - "in alle Richtung", wie die ungarische Behördensprecherin Verena Strnad betonte.

Zwischenzeitlich, so Doskozil, waren mitunter sieben Personen in Verwahrung, um das weitere Umfeld abzuklären. Diese wurden teilweise wieder freigelassen. Nun sind drei noch in Haft, für einen weiteren besteht ebenfalls ein europäischer Haftbefehl. Wann die Festgenommenen nach Österreich überstellt werden, hängt von den ungarischen Behörden ab. Ob die drei in U-Haft genommen werden, muss die ungarische Justiz binnen drei Tagen entscheiden.

In Ungarn wurden am Freitag auch Hausdurchsuchungen durchgeführt, um die Hintergründe der Tragödie klären zu können, für die ein bulgarisch-ungarischer Schlepperring verantwortlich sein dürfte. 20 Personen wurden dazu von der ungarischen Polizei verhört.

Spuren am Lkw

Vierte Festnahme nach Tragödie auf A4
Pressekonferenz, Parndorf, Mikl-Leitner
Zur genauen Todesursache der 71 Menschen konnte Doskozil noch keine exakten Angaben machen. An den seitlichen Wänden des Lkw sei keine Luftzufuhr ins Innere möglich gewesen, möglicherweise aber über ein Kühlsystem oder über das Dach. "Ich gehe aber davon aus, dass es doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, dass die Menschen in diesem Lkw erstickt sind." Das Fahrzeug stand jedenfalls schon mindestens 24 Stunden an Ort und Stelle, so der Landespolizeikommandant am Freitag. Es seien am Fahrzeug außen Spuren festgestellt worden, ob diese eventuell von einem früheren Unfall stammen könnte, wird geprüft. Sie könnten auch von Ausbruchsversuchen der Flüchtlinge stammen. Die Toten werden in die Gerichtsmedizin nach Wien überstellt.

"Legale Wege nach Europa"

Die Innenministerin drückte bei der Pressekonferenz erneut ihre Betroffenheit aus. "Gestern war ein Tag der Trauer, der Emotion. Der Tag hat gezeigt, dass es sich bei Schleppern um Kriminelle handelt". Ihr Mitgefühl gelte den Familien und Freunden der Toten, "aber Betroffenheit ist zu wenig, wir müssen handeln", so Mikl-Leitner.

Einmal mehr pochte sie darauf, schnell zu einer europäischen Lösung zu gelangen. Sie forderte, aus Kriegs- und Krisenregionen legale Wege nach Europa zu schaffen. Von verstärkten innerstaatlichen Grenzkontrollen halte sie nichts. "Viel wichtiger ist es, die EU-Außengrenzen zu sichern und sichere Anlaufstellen zu schaffen." Zudem lobte sie die Polizei für ihre Arbeit in dem Fall. Sie habe gestern von der ersten Sekunde miterlebt, wie kompetent und professionell gearbeitet wurde, so die Ministerin.

Auch Staatsanwalt Johann Fuchs informierte über den derzeitigen Wissensstand. Er bat die Journalisten um einen respektvollen Umgang. Ihm zufolge rangieren die Verdachtsmomente gegen die Festgenommenen derzeit zwischen Schlepperei, vorsätzlicher Gemeingefährdung mit Todesfolge bis hin zum Mord. Die genaue Richtung der Ermittlungen werde sich dann nach Vorliegen der ersten gerichtsmedizinischen Ergebnisse herausstellen.

Die Polizei richtete eine Hotline für mögliche Angehörige, Hinweise und Fragen ein: 059 133 103333

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Karte Ostösterreich und Ungarn, Lokalisierung bekannter Fakten Grafik 0995-15-Kriminalitaet.ai, Format 88 x 102 mm

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