Schärfere Maßnahmen gegen den radikalen Islamismus nach Vorbild des NS-Verbotsgesetzes fordern in seltener Einigkeit die FPÖ und Teile der SPÖ, konkret die roten Länder-Organisationen im Burgenland und Niederösterreich.
„Mein Vorschlag ist es, dass auch bereits die Bewerbung dieser Ideologie verboten wird und dass dies massive strafrechtliche Folgen hat“, sagt der nö. SPÖ-Chef Sven Hergovich. „Es kann nicht sein, dass radikale Islamisten das Kalifat bewerben oder gegen ,Ungläubige‘ und Frauenrechte hetzen, ohne dass sie mit Konsequenzen rechnen müssen.“ Es gehe auch darum, dass man die diversen Social-Media-Plattformen dazu zwingen könne, entsprechende Inhalte zu löschen.
Roland Fürst, Klubchef der SPÖ Burgenland, spricht gegenüber dem KURIER von Parallelen zum Kampf gegen den Rechtsextremismus in den 90er-Jahren: „Damals hat die Szene sehr geboomt. Die daraufhin gesetzten strafrechtlichen Verschärfungen haben viele auch skeptisch gesehen. Tatsächlich haben sie sich angesichts der großen generalpräventiven Wirkung bewährt.“
Strafrechtliche Verschärfungen könnten aber nur Teil eines nationalen Aktionsplans gegen den Islamismus sein. Dieser müsse laut Fürst auch einen Ausbau der Deradikalisierungsprogramme enthalten.
Mit etwas Verzögerung meldete sich am Montag auf KURIER-Anfrage auch die SPÖ-Bundespartei zu diesen Vorstößen zu Wort. Dort fordert man einen Runden Tisch mit Politik und Experten. „Lücken im Strafrecht müssen geschlossen werden – besonders, was extremistische Inhalte im Internet betrifft. Hier brauchen wir Gesetze, damit Plattformen etwa Hassprediger sperren und Inhalte löschen“, sagt eine Sprecherin.
Bei der SPÖ plädiert man vor allem für ein „Extremismus und Terrorismus-Abwehrzentrum” nach deutschem Vorbild. Dieses soll als Kooperationsplattform der beteiligten Behörden dienen - allen voran die Nachrichtendienste, das Bundeskriminalamt und Behörden der Extremismusprävention.
Im Innenministerium verweist man auf die bestehenden umfangreichen gesetzlichen Bestimmungen. Mit den nach dem Terroranschlag vom November 2020 erfolgten Verschärfungen könne man in diesem Zusammenhang bereits früh Maßnahmen setzen.
Ähnlich argumentierte zuletzt auch die Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes in der ZiB2. „Ich sehe überhaupt keinen Bedarf, weitere Straftatbestände zu schaffen.“ Fürst kann solche Argumente nicht nachvollziehen: „Wenn die bestehenden Regelungen ausreichen würden, würden wir aktuell keine Probleme haben.“
Mitarbeiter überprüfen
Der 17-jährige Komplize des Hauptverdächtigen war beim Bühnenaufbau der Swift-Konzerte beschäftigt. Laut Standard hätten sich insgesamt acht amtsbekannte Personen im Security-Team der Konzerte befunden, wobei noch keine Verbindung zu den mutmaßlichen Attentätern erkennbar sei. Karner will dies nicht bestätigen.
Ungeachtet dessen wird nun auch aus Ermittlerkreisen der Ruf nach verpflichtenden Sicherheitsüberprüfungen für das Personal bei Großveranstaltungen laut. Das kann sich auch Karner vorstellen, er hält eine solche Maßnahme für „gut und vernünftig“.
Die Grünen fordern ein Gesetz für Sicherheitsfirmen. Diese seien derzeit „keinen Qualitätsstandards und Kontrollen unterworfen“, kritisierte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer: „Es existieren weder eine einheitliche Ausbildung noch Mindestanforderungen für das Personal“.
Diese durch die Ermittlungen offenkundig gewordenen „Missstände“ sollten durch ein „Sicherheitsdienstleistungs-Gesetz“ behoben werden. Die Grünen wollen darin jedenfalls eine Registrierungspflicht für sowie Kontrolle von Sicherheitsunternehmen umgesetzt sehen, außerdem sollen Beschäftigte behördlich registriert werden, inklusive eines Abgleichs mit den Sicherheitsbehörden. Die Ausbildung für das Personal solle standardisiert werden.
Chats überwachen
Indes rücken die Grünen von ihrem Widerstand bei der Überwachung von Chats ab. „Klar ist, dass wir alles tun müssen, um terroristische Gewalttaten zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen“, meinte Klubobfrau Sigrid Maurer am Montag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. „Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof 2019 zum Bundestrojaner gibt es viele offene Fragen, die bisher nicht ausreichend geklärt werden konnten. Um diese Klärung zu ermöglichen, ist es jetzt an der Zeit, den BMI-Entwurf in eine öffentliche Begutachtung zu schicken.“
In der Phase der Begutachtung, die üblicherweise sechs Wochen dauere, hätten Juristen, Verfassungsrechtler, Technik- und Datenschutzexperten, die Opposition und die Öffentlichkeit „die Gelegenheit, sich eine fundierte Meinung zu bilden“. Bei diesem Thema gehe es um die Abwägung zweier wichtiger Anliegen, bekräftigten die Grünen: Sicherheit vor Terrorismus und Schutz der Bürgerrechte. „Ein so großes Vorhaben muss auch entsprechend breit von Expert:innen und auf Grundlage von Fakten diskutiert werden - tun wir das transparent in der Öffentlichkeit, damit sich alle ein Bild zum Entwurf des Innenministeriums machen können“, meinte Maurer.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte am Montag einmal mehr „moderne Überwachungsmethoden“ gefordert. Ein diesbezüglicher Gesetzesentwurf liege seit Monaten bei den Grünen, sagte Karner am Rande eines Pressetermins. Die darin enthaltenen Möglichkeiten etwa zur Messenger-Überwachung „machen Sinn“, für ein „andauerndes Herumschrauben“ habe er „kein Verständnis“. „Terroristen schreiben keine Briefe“, betonte der Innenminister und verwies für weitere Nachfragen auf den Koalitionspartner. Man sei für die Umsetzung auf eine Mehrheit im Nationalrat angewiesen. Die Grünen hatten sich zuletzt grundsätzlich gesprächsbereit gezeigt, jedoch einen Vorschlag gefordert, der grundrechts-, datenschutz- sowie verfassungskonform sei.
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