Tanners Bundesheer-Pläne: „Mehr Truppe, weniger Verwaltung“
Fast 30 Jahre ist es her, dass das Österreichische Bundesheer an der damaligen Grenze zu Jugoslawien in den Einsatz musste. Verteidigungsminister war damals Werner Fasslabend (ÖVP), der kurz nach seiner Angelobung mit seiner ersten Krise konfrontiert war.
Ebenso wie Klaudia Tanner (ÖVP) im vorigen Jahr. Im KURIER-Interview sprechen beide über die Notwendigkeit der Veränderung, Auslandseinsätze und die Neutralität.
KURIER: Herr Fasslabend, was geht Ihnen als erstes durch den Kopf, wenn Sie an den Einsatz zurückdenken?
Werner Fasslabend: Noch vor meiner Angelobung habe ich meinen künftigen Kabinettschef darum gebeten, Maßnahmen im Falle einer Krise in Jugoslawien zu treffen. Das hat sich im Nachhinein als wichtig herausgestellt. Unmittelbar nach dem Kalten Krieg hätte niemand damit gerechnet, dass es mitten in Europa zu einem Konflikt mit dem Einsatz von schweren Waffen kommen würde. Nicht gegen irgendeinen Feind von außen, sondern gegen die eigenen Landsleute.
150 Panzer und 60 Luftfahrzeuge waren unter anderem an der Grenze, dazu fast 8.000 Soldaten. Frau Bundesministerin, würde das Bundesheer einen solchen Einsatz heutzutage noch schaffen?
Klaudia Tanner: Ja, würden wir. Aber was insbesondere die Mannstärke anbelangt, nur mit Aufbietung der Miliz. In der Covid-Krise hatten wir zeitweise mehr als 8.000 Soldaten im Einsatz.
Herr Fasslabend, warum haben Sie damals die Miliz nicht aufgeboten, wo doch sowieso eine Übung in der Nähe stattfand?
Fasslabend: Wir haben das damals geprüft. Aber was am meisten dagegengesprochen hat, war, dass eine Mobilmachung der Miliz als Provokation verstanden worden wäre. Wie sich später bestätigt hat, wäre die Jugoslawische Volksarmee davon ausgegangen, dass sich dann an der Nordgrenze österreichische Truppen gemeinsam mit NATO-Truppen sammeln und den Einmarsch nach Jugoslawien vorbereiten.
Wie kam es zur Entscheidung, dann tatsächlich an NATO-Einsätzen teilzunehmen? Etwa im Kosovo?
Für mich war immer die Frage der Sicherheit vorrangig und nicht die Frage der Organisation, mit der wir in den Einsatz gehen. Außerhalb der NATO hat damals noch keine militärische Organisation in Europa funktioniert oder existiert, die diesen Einsatz hätte durchführen können. Für mich war es ganz klar, dass Österreichs Initiative am Balkan die eigene Sicherheit stärkt. Viel stärker als die jedes anderen NATO-Mitglieds damals. Dazu kommt die Erfahrung, die unsere Soldaten dort sammeln.
Frau Bundesministerin, sehr bald dürfte das Bundesheer zur nächsten NATO-Mission aufbrechen, dieses Mal in den Irak. Warum ist es wichtig, dort zu sein?
Tanner: Wir haben erst im NATO-Hauptquartier angeboten, uns an diesem Einsatz zu beteiligen. Man wird sehen, wie die Entscheidung ausgeht. Grundsätzlich ist es ein Beitrag, den wir nicht nur europaweit, sondern weltweit leisten und für den wir international sehr geschätzt werden. Blickt man nach Afghanistan, sieht man, dass sich mit dem Abzug die Sicherheitslage nicht unbedingt verbessert hat. Leisten wir im Irak unseren Beitrag für eine verbesserte Sicherheit, können wir auch Migrationsbewegungen verhindern. Und ja, die Einsätze werden robuster, doch der Erfahrungsgewinn wird gleichzeitig größer. Blicken wir beispielsweise nach Mali, wo wir 2022 sehr wahrscheinlich wieder das Kommando der dortigen EU-Trainingsmission übernehmen werden.
Ist das alles mit der Neutralität vereinbar?
Fasslabend: Neutralität bedeutet, keine Teilnahme an einem Krieg, keine Teilnahme an einer Militärallianz und keine fremden Truppenbasis in Österreich. Das ist der Kernpunkt der Neutralität. Das heißt aber nicht, dass wir uns deswegen aus der Sicherheitspolitik verabschieden müssten. Denn das würde bedeuten, dass wir Trittbrettfahrer der Sicherheit der anderen sind. Daher sind neutrale Staaten in besonderem Ausmaß verpflichtet, moralisch verpflichtet, auch einen Beitrag zur Verhinderung von Kriegen und zur Verhinderung von Instabilität zu leisten. Und das kann man am besten dieser Form von Friedenssicherungseinsätzen.
Frau Bundesministerin, vor fast einem Jahr wollten Sie eine Reform anstoßen, die dann nicht zustande gekommen ist. Allerdings dürfte die nächste – wie ich höre - nicht mehr lange auf sich warten lassen. Was haben Sie vor?
Tanner: Wir haben im Covid-Einsatz sehr viel geleistet. Hätte man mir gesagt, dass das Bundesheer beispielsweise die Pflege in einem Altersheim übernehmen würde, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Aber das, was ich insbesondere bei meinen vielen Truppenbesuchen immer wieder gehört und gesehen habe, ist, dass es Notwendigkeiten gibt, die Truppe zu stärken. Und gleichzeitig in der Verwaltung, viele Doppelgleisigkeiten, die sich gebildet haben, zu beseitigen. Der Generalstab hat zudem mögliche Streitkräfteprofilvarianten erarbeitet, wodurch die Streitkräfte bis 2030 eine stetige Aufwärtsentwicklung durchmachen können. Durch die vielen verschiedenen Einsätze konnten wir unseren Blick dafür schärfen und werden die entsprechenden finanziellen Mittel noch besser einsetzen. Das Ziel wird zusammengefasst sein: Mehr Truppe, weniger Verwaltung.
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