Kurz hält Sanktionen gegen Russland für "falsch"

Sebastian Kurz
Außenminister Kurz hält Sanktionen gegen Russland für eine Lösung im Syrien-Konflikt für wenig sinnvoll.

ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz hält weitere Sanktionen gegen Russland für falsch. In Syrien könne nur etwas Positives zustande gebracht werden, wenn die USA und Russland an einem Strang zögen, sagte Kurz am Montag in Luxemburg vor Beratungen der EU-Außenminister: "Insofern halte ich die Idee, jetzt zusätzliche Sanktionen gegen Russland zu beschließen, für falsch."

"Es braucht keine weitere Eskalation, sondern was es braucht, ist Deeskalation."

Das Wichtigste wäre, jetzt einen Waffenstillstand in Syrien zu erreichen, sagte Kurz. Es brauche wieder einen humanitären Zugang, um das Leid der Menschen zu reduzieren. Dies könne nur gelingen, wenn die Gespräche in der Kontaktgruppe fortgesetzt werden. "Es braucht keine weitere Eskalation, sondern was es braucht, ist Deeskalation", warnte Kurz. "Es braucht auch keine immer stärkere Blockbildung. Im Gegenteil, es braucht Verhandlungen und Dialog", betonte er.

Kurz spricht von Kriegsverbrechen in Syrien

Der Außenminister sprach von Kriegsverbrechen im Syrien-Krieg. "Die Situation in Syrien ist schrecklich und die Kriegsverbrechen, die dort geschehen, sind zu verurteilen, ganz gleich von welcher Seite sie begangen werden", sagte Kurz. Die heutige Sitzung der EU-Außenminister biete Gelegenheit, um diplomatischen Druck aufzubauen. "Einen Stellvertreterkrieg eskalieren zu lassen, das lindert das Leid der Menschen nicht."

EU-Außenminister gegen neue Russland-Sanktionen

Kurz ist mit seiner Haltung nicht allein. Zahlreiche EU-Außenminister haben sich gegen neue Russland-Sanktionen wegen des Vorgehens Moskaus im Syrien-Krieg ausgesprochen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte vor Beratungen in Luxemburg, Sanktionen seien bisher von keinem einzigen EU-Mitgliedsland vorgeschlagen worden. Mogherini betonte, die EU habe nicht nur Sanktionen zur Verfügung, sondern auch viele andere Instrumente, um diplomatischen Druck für eine Waffenruhe in Syrien auszuüben. "Eine Eskalation in Syrien könnte zu anderen Szenarien führen, die leicht außer Kontrolle geraten können", warnte sie. Die Europäische Union sei "kein militärischer Spieler in Syrien", betonte Mogherini.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, er sei nicht der Einzige, der in diesem Fall bei Sanktionen eher skeptisch sei. "Ich sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, wie möglicherweise langfristig wirkende Sanktionen hier zur Verbesserung der Versorgung der Zivilgesellschaft beitragen sollen."

Der französische Chefdiplomat Jean-Marc Ayrault forderte eine klare Botschaft der Europäer: "Was in Aleppo passiert, ist eine humanitäre Katastrophe." Russland betreibe an der Seite des Assad-Regimes Zerstörung, Ayrault verglich die Lage in Aleppo mit der Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. "Wir prüfen alle Optionen, um Druck auf das Regime von Assad und seine Verbündeten auszuüben", sagte der französische Außenminister. "Der Druck muss stark sein", es gebe "eine moralische Erfordernis, die Massaker in Aleppo zu stoppen".

Der britische Außenminister Boris Johnson sagte, die "Rettung Aleppos hängt wirklich am Assad-Regime, und vor allem an den Russen". Johnson appellierte "an die Großartigkeit des russischen Volkes, einen anderen Weg einzuschlagen und einen Frieden zu verfolgen". Die Bombardierung von Zivilisten sei "eine Schande für die Menschheit".

Auch der luxemburgische Chefdiplomat Jean Asselborn zweifelt daran, "dass wir mit härteren Sanktionen gegenüber Russland irgendetwas bewegen" oder dass diese die Logik Russlands ändern würden. "Ich glaube nicht, dass es fruchtbar ist, wenn wir uns jetzt wieder stundenlang unterhalten, ob und wie und wann wir Sanktionen gegen Russland beschließen. Erstens finden wir keinen Konsens, und zweitens glaube ich auch, dass das nicht der Zeitpunkt ist, und kontraproduktiv ist." Wenn Russland und die Türkei trotz ihrer entgegengesetzten Interessen in Syrien eine Gasleitung bauen könnten, sei nicht zu verstehen, warum man sich nicht auf eine Waffenruhe in Aleppo einige. "Wir haben keinen Knopf, auf den wir drücken können, damit das aufhört", sagte Asselborn. Es sei "unerträglich", wenn Zehntausende Menschen in Aleppo wegen 700 Al-Nusra-Kämpfern ihr Leben riskierten. Der belgische Außenminister Didier Reynders forderte, die EU müsse gegen Straffreiheit in Syrien eintreten.

Aktivisten: Zwölf Zivilisten bei Luftangriffen auf Aleppo getötet

Bei Luftangriffen auf die umkämpfte syrische Großstadt Aleppo sind am Montag indes nach Angaben von Aktivisten zwölf Zivilisten getötet worden. Dutzende Einwohner des Rebellenviertels Marjeh im Osten der Stadt seien verletzt worden oder würden noch vermisst, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Unter den Toten seien auch fünf Kinder.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden somit binnen 24 Stunden 45 Menschen bei Luftangriffen in Aleppo getötet. Die in Großbritannien ansässige Organisation bezieht ihre Informationen von Informanten in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen. Die syrische Armee versucht derzeit, Aleppo mit massiven Bombardements wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Unterstützt wird sie dabei von russischen Kampfjets.

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