Gehört der Islam zu Österreich, Frau Integrationsministerin?
ÖVP-Ministerin Susanne Raab über die Werte der ÖVP, Kritiker, die sie ins rechte Eck stellen, zu hohe Mindestsicherung und ihre freundschaftliche Beziehung zu Kanzler Nehammer.
Susanne Raab ist als ÖVP-Ministerin unter Sebastian Kurz in die Regierung gekommen - seit der Kanzlerschaft von Karl Nehammer gilt sie als dessen engste Vertraute. Die Integrations-, Frauen-, Familien- und Medienministerin über das Attentat von Solingen, zu hohe Mindestsicherung, zu wenig Arbeitsanreiz und Kritiker, die sie ins rechte Eck stellten.
KURIER: Der vereitelte Anschlag in Wien auf Taylor Swift-Konzerte, das Messerattentat in Solingen. Einzelfälle oder Teil einer misslungen Migrations- und Integrationspolitik in Europa?
Susanne Raab: Es ist unendlich tragisch, dass in Deutschland drei Menschen sterben mussten und ich bin den Sicherheitsbehörden unglaublich dankbar, dass wir in Österreich Schlimmeres verhindern konnten. Ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit Migration, dem politischen Islam und Islamismus. Fakt ist, dass sich die Radikalisierung ins Internet verlagert hat. Und eines ist mir wichtig klarzustellen: Beim politischen Islam, bei Extremismus und Terrorismus sprechen wir nicht mehr von Integrationsschwierigkeiten, sondern hier ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Da geht es nur mehr um härtest mögliche Bestrafung und schnellstmögliche Abschiebung. Diese Menschen sind ein Sicherheitsproblem und haben das Asylrecht verwirkt.
Im Internet hat kein Land eine wirkliche Handhabe. Indoktriniert werden Menschen auch in Österreich, in Vereinen oder Moscheen. Warum versucht die Politik nicht, verstärkt hier anzusetzen?
Das tun wir. Wir haben jetzt schon mehr gesetzliche Möglichkeiten als andere Staaten. Eine Kalifat-Demo wie in Deutschland wäre bei uns von Gesetzeswegen her so nicht möglich. Es wurden hier auch schon Moscheen geschlossen. Mehr Handhabe braucht es aber noch im Vereins- und Versammlungsgesetz. Und ich kann mich noch gut an die Kritik erinnern, die ich für die Schaffung der Dokumentationsstelle politischer Islam geerntet habe. Es ging mir immer darum, den Nährboden des Islamismus aufzudecken und die Einflüsse transparent zu machen. Gerade vom linken Spektrum wurde mir aber vorgeworfen, es gäbe gar keinen politischen Islam in Österreich. Man hat mich stattdessen attackiert und ins rechte Eck gestellt. Ich bin zutiefst überzeugt: Der politische Islam ist Gift für die Integration, weil die Religion missbraucht wird, um Hass zu schüren und die Gesellschaft zu spalten.
Vereine und Moscheen wie auch christliche Kirchen mittels Videos zu überwachen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten, das kommt infrage oder nicht?
Für die Sicherheit und Überwachungen dieser Art sorgt die Polizei und die Direktion Nachrichtendienst und Staatsschutz (DSN), und wir haben die Dokumentationsstelle politischer Islam geschaffen.
Christian Wulff sagte als Deutschlands Bundespräsident: „Der Islam gehört zu Deutschland“. Gehört der Islam zu Österreich?
Musliminnen und Muslime gehören zu Österreich. Sie leben mehrheitlich friedlich in Österreich. Der Islam ist eine von 16 anerkannten Religionsgemeinschaften.
Weder Vertreter der Muslime noch der christlichen Glaubensgemeinschaften erheben derzeit die Stimme. Müssten die Religionsvertreter nicht öffentlich gegen die politische Einvernahme und den Extremismus auftreten?
Religion und deren Instrumentalisierung in einem Atemzug zu nennen, das ist immer heikel.
Ich vermisse manchmal ein klares Eintreten der Repräsentanten, wenn es darum geht, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, wenn Religion für Extremismus verwendet wird, über Gesetze gestellt wird, oder, wenn Religion missbraucht wird, um Frauenrechte mit Füßen zu treten, um Mädchen die Schulbildung zu verweigern oder ein Kopftuch aufzuzwingen. Repräsentanten der Religionsgemeinschaften müssen sich genau von diesen Entwicklungen abgrenzen. Jeder darf seine Religion in Österreich ausleben – aber immer im Rahmen der Gesetze und basierend auf unserem Wertefundament wie insbesondere der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Die Idee gibt es freilich schon länger in der ÖVP. Klar ist aber auch, dass das mit den Grünen niemals umsetzbar gewesen wäre. Eine derart hohe Mindestsicherung ist ein Schlag ins Gesicht jener, die Vollzeit arbeiten gehen und weniger verdienen als Mindestsicherungsbezieher. Wir müssen ein System schaffen, das Anreize gibt, einer Arbeit nachzugehen. Gerade in Wien gibt es ein System, das Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte – also Syrer, Afghanen und Iraker – anlockt, weil sie mehr Mindestsicherung erhalten als in anderen Bundesländern.
Gleichzeitig dürfen Asylwerbende, die wollen, nicht arbeiten, werden Menschen nach vollendeter Lehre abgeschoben, obwohl sie gebraucht werden.
Wir müssen differenzieren, ob jemand ein Aufenthaltsrecht hat oder nicht. Wenn wir den Arbeitsmarkt für Asylwerber öffnen, dann senden wir das Signal, das jeder nach Österreich kommen kann – egal, ob er einen Fluchtgrund hat oder nicht. Wir haben 40.000 arbeitslose Asylberechtigte in Österreich. Genau bei diesen müssen wir ansetzen, die Sozialhilfe reduzieren, um sie rascher in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wie realistisch ist es, dass es in der kommenden Legislaturperiode eine einheitliche Sozialhilfe oder eine Wartefrist geben wird?
Ich halte es für notwendig! Und ich hoffe, dass wir nicht die einzige Partei sind, die versteht, dass Menschen zornig sind, wenn man mit nichts tun mehr zum Leben hat, als wenn man arbeiten geht. Das ist ungerecht und unfair! Ich denke hier hat sich die SPÖ und Andreas Babler völlig verrannt.
Sie wurden nicht nur wegen der Islamlandkarte kritisiert, sondern auch wegen der Leitkulturdebatte. Was hätten sie gerne umgesetzt, haben es aber nicht geschafft?
Ja, mit dieser Kritik aus gewissen Ecken kann ich aber gut umgehen, das sagt mehr über die Kritiker aus. Was gelungen und ein wirklich großer Wurf ist: Die 4,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung. Innerhalb eines Jahres zeigt die Offensive schon eine Wirkung: Der Anteil der betreuten Kinder bis 5 Jahre ist von 52 auf 59 Prozent gestiegen. Das Budget für Frauen haben wir in dieser Legislaturperiode verdreifacht. Was ich gerne umgesetzt hätte und bis heute nicht verstanden habe: Warum die Grünen beim automatischen Pensionssplitting abblocken, denn das wäre ein wesentlicher Schritt, um Altersarmut von Frauen zu bekämpfen.
Zu beschließen sein wird von der nächsten Regierung eine ORF-Reform, die Türkis-Grün und Ihnen als Medienministerin nicht gelungen ist.
Das möchte ich so nicht stehen lassen. Medienpolitik hat über viele Jahre niemand angegriffen. Ich habe vor zweieinhalb Jahren die Agenden übernommen und so viele Gesetze verabschiedet wie andere in zehn Jahren nicht. Auch, weil Medien einem unglaublichen Wandel unterworfen sind. Es ist uns einiges gelungen, um den Medienstandort Österreich abzusichern.
… was den ORF betrifft, so gab es das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach Menschen, die das ORF-Angebot nur online konsumieren, auch dafür zahlen müssen. Und das haben wir natürlich umgesetzt und die Veränderung spüren die Menschen auch im positiven Sinn: In Wien zahlt man jetzt statt 28 Euro nur mehr 15,30 für das öffentlich-rechtliche Angebot. Es war auch richtig, dass der ORF im Zuge der ORF-Beitrags-Einführung ein 300 Millionen Euro Sparpaket auferlegt bekommen hat.
Sie wurden unter Sebastian Kurz Ministerin, gelten jetzt als eine der engsten Vertrauten von Karl Nehammer. Viele sagen, die ÖVP sei jetzt nicht mehr türkis, sondern schwarz. Stimmt das?
Das ist ja kein Farbenspiel! Ich bin von der Verwaltung als Sektionschefin in die Spitzenpolitik gegangen, weil ich die Überzeugung hatte und habe, dass wir gegen die illegale Migration kämpfen müssen und zeigen müssen, dass Integration möglich ist. An den Werten, die die ÖVP vertritt, nämlich Sicherheit, Familie und Leistung, hat sich innerhalb der drei Kanzler, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, nichts geändert.
Dass sie insbesondere Karl Nehammer verbunden sind, stimmt also nicht?
Zu jedem Zeitpunkt – ob mit Kurz, Schallenberg oder Nehammer – habe ich ein gleichberechtigtes Arbeiten auf Augenhöhe erlebt. Zu Karl Nehammer ist darüber hinaus auch ein besonders freundschaftliches Verhältnis entstanden.
Werden wir es noch erleben, dass eine Frau an der Spitze der ÖVP steht?
Ich schließe das überhaupt nicht aus. Karl Nehammer ist aber mit 100-prozentiger Sicherheit der richtige Mann an der Spitze der Volkspartei und an der Spitze des Landes.
Wird es nach der Wahl und den prognostizierten Verlusten eine Obmanndebatte geben?
Nach der Wahl wird es sicher keine Obmanndebatte geben, weil die ÖVP-Landeshauptleute, Bürgermeister und Funktionäre voll hinter Karl Nehammer stehen. Ich bin mir auch sicher, dass wir als Erste durchs Ziel gehen werden, weil die Menschen die linken Träume des Herrn Babler und die rechte Propaganda der FPÖ durchschauen.
(kurier.at, haj)
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Aktualisiert am 30.08.2024, 12:29
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