"Herzblatt", "Liebesg’schichten und Heiratssachen", "Bauer sucht Frau" – Kuppelshows sind seit Langem ein Hit. Die aktuell spannendste (politische) Partnersuche wird aber leider nicht live im TV übertragen: die kommende Woche beginnenden Speeddatings. Was kommt nach Türkis-Blau? Tatsächlich Türkis-Grün? Ist Türkis-Rot auch nur irgendwie realistisch? Oder platzt der "Partnertausch", und wir sind am Ende doch mit Türkis-Blau II konfrontiert?
Wir wollten die politische Großwetterlage ausloten und haben Experten zu Streitgesprächen über Zukunftschancen und mögliche Regierungsformen gebeten. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer diskutiert mit ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian unter anderem über eine Große Koalition aus Türkis und Rot. VP-Mann Martin Bartenstein, Minister unter Rot-Schwarz, Schwarz-Blau und einst Verhandler von Schwarz-Grün, begegnet Peter Westenthaler, FPÖ-Klubobmann bei Schwarz-Blau (danach BZÖ, saß wegen Untreue fünf Monate in Haft, Anm.), um über Türkis-Blau zu sprechen.
Und zum Abschluss eine Diskussion über die zurzeit realistischste Variante, Türkis-Grün. Andreas Khol trifft auf Terezija Stoisits. Die beiden waren 2003 Teil des schwarz-grünen Verhandlungsteams, die Gespräche scheiterten. Neos sind nicht dabei, weil sie mit Türkis keine Mehrheit bilden können.
KURIER:Herr Bartenstein und Herr Westenthaler, Sie beide haben Anfang der 2000er-Jahre zwei Mal eine ÖVP/FPÖ-Koalition erlebt. Wird sich die Geschichte 2019 wiederholen?
Peter Westenthaler: Ich gehe fix davon aus, dass es zu Türkis-Grün kommt. Auch aufgrund der Ereignisse von 2003. Damals gab es einen fertigen Koalitionspakt zwischen Wolfgang Schüssel und Alexander Van der Bellen. Es gibt einige Mythen, warum es nicht zustande kam. Ein Grund war sicherlich, dass man sich trotz des fertigen Papiers wegen der Eurofighter nicht einig werden konnte. Von daher müsste man nur das fertige Papier heranziehen und aktualisieren und mit Klimaschutz auffrisieren. Am Ende geht es immer ums Personal und um die Chemie, da wird man sehen, ob es funktioniert. Ich glaube zu 95 Prozent, dass es zu Türkis-Grün kommt.
Westenthaler: Ich schließe das nicht aus, aber es ist am unwahrscheinlichsten.
Martin Bartenstein: Für mich ist diese Option genauso wahrscheinlich, wie die beiden anderen realistischen Koalitionsvarianten. Zunächst zurück zu 2003. Ich war als Zeitzeuge in jener letzten Verhandlungsnacht dabei. Es gab eine ÖVP-Mannschaft, die voll auf einen Abschluss eingestellt war. Es war noch nicht ganz Morgengrauen, drei oder vier in der Früh, im Februar. Peter Pilz merkte, dass es in Richtung Abschluss geht. Alexander Van der Bellen wollte den Abschluss, genauso wie Eva Glawischnig und Petrovic. Und dann hat Pilz aus dem Nichts das Thema Eurofighter hochgezogen. Da war der Beschaffungsvorgang allerdings längst auf dem Weg. Man hätte es also nicht mehr aufhalten können, auch wenn man gewollt hätte. Pilz hat das damals eigenhändig zerstört. Tatsache war auch, dass Eva Glawischnig Tränen in den Augen hatte. Und dann haben wir mit den Blauen abgeschlossen. Die Situation heute ist der damaligen nicht unähnlich. Knittelfeld und der Absturz der FPÖ von 27 Prozent auf 10,5 Prozent.
Landbauer sieht FPÖ in der Opposition
Aus der FPÖ hört man, dass Herbert Kickl meint, die FPÖ sei von der ÖVP dieses Mal geköpft worden. Ist die Atmosphäre heute nicht vergifteter als 2003?
Bartenstein: Die ÖVP hat überhaupt niemanden geköpft. Es gibt über die Freiheitlichen auch viel Gutes zu sagen – damals und auch heute. Aber eines fällt bei der FPÖ immer wieder auf, nämlich, dass immer jemand anderer schuld ist. Es war laut der FPÖ damals nicht ihre Schuld und heute auch nicht, dass die Partnerschaft auseinandergegangen ist und dass die Wahlen für die FPÖ schlecht geendet haben.
Unter welchen Voraussetzungen könnte Türkis-Blau klappen?
Westenthaler: Erst müsste Schwarz-Grün scheitern, dann Schwarz-Rot und dann eine Minderheitsregierung nicht durchgehen. Eine Sache ist von der Formalität her klar: Wenn Kurz mit leeren Händen zurückkommt vom Regierungsbildungsauftrag, dann muss Van der Bellen Rendi-Wagner den Auftrag geben. Davor werden sich alle hüten, daher ist eine Koalition mit Blau eine letzte Option. Dann kann sich auch die FPÖ nicht entziehen, denn auch sie haben einen staatspolitischen Auftrag. Das hat auch Hofer deutlich gemacht. Am Tag nach dem Wahlsonntag hat er gesagt, dass es Parteiinteressen gibt, aber auch Staatsinteressen.
Bartenstein: Ich beurteile jetzt die Regierungsarbeit. Ich glaube, dass man Strache eines zugutehalten muss: Dass er mit den braunen Flecken in der Partei aufräumen wollte. Jörg Haider wollte das nicht.
Westenthaler: Was man nicht vergessen darf, ist Straches viel beachtete Rede am Akademiker Ball. Das muss man dort erst mal sagen, was er dort gesagt hat.
Spricht nicht die politische Unerfahrenheit der neuen Grünen gegen eine Koalition, und steigert dieses Faktum nicht die Chancen für die FPÖ?
Westenthaler: Die Grünen waren 2003 damals eine erfahrene, „gesettelte“ Partei. Das sind sie heute nicht. Man muss bei den Grünen erst eine Partei gründen, einen Parlamentsklub mit Mitarbeitern.
Martin Bartenstein: Der 66-Jährige hat politisch einiges erlebt: Seit 1994 gehörte er zuerst als Staatssekretär und ab 1995 als Minister mehreren Regierungen an. Von Februar 2000 bis Ende 2008 war der fünffache Vater als Wirtschaftsminister tätig. Im Wirtschaftsleben ist Bartenstein in der Pharmabranche zu Hause. Gemeinsam mit seiner Frau Ilse sitzt der studierte Chemiker in der Geschäftsführung der G. L. Pharma. Aber Bartenstein investiert auch gerne in andere Sparten.
Peter Westenthaler: Der langjährige FPÖ-Politiker und Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler (51) hat ein bewegtes Leben hinter sich: Nach seiner Polit-Karriere wurde ihm vorgeworfen, Förderungen in der Höhe von einer Million Euro als Bundesliga-Vorstand missbräuchlich verwendet zu haben. Schwerer Betrug und Untreue lautete die Anklage. 2015 wurde Westenthaler freigesprochen. 2016 hob der OGH das Urteil auf. Nach einem neuen Prozess bekam er 24 Monate, wovon acht Monate unbedingt ausgesprochen wurden.
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