"Strategisch notwendiger Unsinn“: Die Message Control zum Nachlesen

Gerald Fleischmann
Gerald Fleischmann, ehemals Sebastian Kurz’ Medienberater, über Nirvana, unvergessene Bilder und wer noch kein „Momentum“ hatte

Er war Journalist (u. a. News), mehr als zehn Jahre als dessen Pressesprecher sowie Medienbeauftragter an der Seite von Sebastian Kurz und dort maßgeblich für den Erfolg der türkisen ÖVP verantwortlich.

Sebastian Kurz, Gerald Fleischmann

Sebastian Kurz und Gerald Fleischmann 2013

Als Autor will Gerald Fleischmann nun „das Zusammenspiel von Politik und Medien offen zeigen“. Wer sich spektakuläre Einblicke in die türkisen Kommunikationsweisen erhofft, wird wohl eher enttäuscht.

Tote Katze & Kennedy

In "Message Control“ ist seitenweise die Rede von internationalen Strategien wie dem Barbra Streisand“-Effekt (gescheiterter Versuch, eine unangenehme Information zu unterdrücken) oder der „Dead Cat“-Strategie (Unangenehmes thematisieren, um von noch Unangenehmerem abzulenken) und von internationalen Politikern.

Warum so viel über Thatcher bis Merkel und Macron und so wenig über Kurz und dessen Vorgänger enthalten ist, sei ganz einfach, so Fleischmann zum KURIER: „Ich versuche die Entwicklung des polit-medialen Systems von seinem Urknall, dem TV-Duell Kennedy-Nixon, bis zur Gegenwart darzustellen.“

"Strategisch notwendiger Unsinn“: Die Message Control zum Nachlesen

Message Control. Edition a, 304 Seiten, 26 Euro

Ob heute die Message Control wie zur Nationalratswahl 2017 und danach funktionieren würde, das könne er nicht sagen. "Das war die Zeit des Brexit, von Macron und Trump. Es war Zeit für etwas Neues und genau das war unser Slogan damals. Kurz war als Reformer genau der richtige Politiker-Typ zu dieser Zeit“, so Fleischmann, der als ÖVP-Kommunikationsleiter jetzt für Kurz’ Nachfolger arbeitet.

Nirvana-Taktik & SNU

"Karl Nehammer konnte in seinem ersten Jahr nichts anderes tun, als Krisen zu managen“, sagt der 49-Jährige. Im Gegensatz zu Kurz’ komme Nehammers Momentum erst. Den Erfolg von Sebastian Kurz führt dessen ehemaliger Message-Controler Fleischmann im Buch unter anderem auf die "Nirvana-Taktik“ zurück.

So, wie es Kurt Cobain mit seiner Grunge-Band Nirvana verstanden hätte, „Poppermelodien im Heavy-Metal-Sound“ zu kreieren – so sei es Kurz gelungen, an den „Melodien der ÖVP festzuhalten“ und „die Methoden Bruno Kreiskys und seiner SPÖ-Medienorgel“ zu kopieren.

Zum kommunikationspolitischen PR-Werkzeug gehörte es auch, „SNU“ („strategisch notwendiger Unsinn“) via Social Media zu verbreiten, um von anderen Themen abzulenken.

Lawrow & SNU

Und es war Teil des täglichen Geschäfts, Bilder zu erzeugen, wie es im Kapitel „Erkenntnisse“ heißt. Sergei Lawrow habe dieser türkisen Taktik nichts abgewinnen können.

SITZUNG DES MINISTERKOMITEES DES EUROPARATES IN WIEN: LAWROW / KURZ / JAGLAND / DESCHTSCHIZA

Sergej Lawrow, Sebastian Kurz

Ein gewünschtes Handshake-Foto in Wien – Kurz ist zu dieser Zeit Außenminister – lehnt sein russischer Amtskollege mit „I don’t like theatre“ ab. Das Buch enthält übrigens keine Bilder – und kein Kapitel, in dem es um den Abstieg der ÖVP, die Inseratenaffäre und das Ermittlungsverfahren, in dem auch Fleischmann als Beschuldigter geführt wird, geht. Ganz dem Titel entsprechend. 

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