Straßenbau: ÖVP schießt sich auf Gewessler ein
Von Josef Gebhard und Leonie Tupy
Viel tun wird sich in der Sache vor den Wahlen nicht mehr, das inner-koalitionäre Geplänkel reicht aber allemal, um die eigenen Unterstützer bei der Stange zu halten: Am Montag ging der türkis-grüne Streit um neue Straßenprojekte in die nächste Runde.
Nachdem in der Vorwoche Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) wie berichtet bekräftigt hatte, die umstrittene S18 in Vorarlberg verhindern zu wollen, rückte am Montag die Volkspartei zum Konter aus.
Mit einem Großaufgebot bestehend aus Kanzler, Finanzminister, Verkehrssprecher sowie einem externen Experten, pompös inszeniert als Pressekonferenz im Donauturm hoch über den Dächern von Wien. Thema: Ausbau der heimischen Infrastruktur.
Nehammer: Straßen sorgen für Investments
„Dieser muss ganzheitlich gedacht werden. Es geht um Schiene und Straße und Energie – und nicht nur einen dieser Bereiche“, sagt Kanzler Karl Nehammer. Um Investitionen internationaler Konzerne ins Land zu locken, die letztlich auch Arbeitsplätze schaffen würden, seien auch Straßen notwendig. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass es künftig keine Pendler mehr geben wird“, sagt Nehammer. Die Straßen der Zukunft seien auch für die Autos der Zukunft mit ihren modernen Antrieben nötig.
Die Grünen hingegen würden mit „ihrer dogmatisch gesteuerten Politik dafür sorgen, dass in den vergangenen Jahren wichtige Lückenschlüsse liegen geblieben sind.“ Etwa der Bau des Wiener Lobautunnels, der Straus verhindern und somit auch dem Umweltschutz dienen würde. Sollte er wieder Regierungschef werden, werde er jedenfalls dieses und die anderen von Gewessler auf Eis gelegten Projekte wieder vorantreiben, betont Nehammer.
44,5 Milliarden Euro für Infrastruktur
ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner verweist auf die insgesamt 44,5 Milliarden Euro, die bis 2030 in den Ausbau von Schiene und Straße, aber auch Energienetze und Breitband-Internet fließen sollen. Gleichzeitig plädiert er für schnellere Genehmigungsverfahren in diesen Bereichen. „Oft sind die bürokratischen Hürden noch zu hoch.“ Zudem müsse man verstärkt über Kooperationen mit privaten Investoren (PPP-Modelle) nachdenken, so Brunner.
- Gesamtausgaben bis 2030: 44,5 Milliarden Euro
- Energieinfrastruktur: 10 Milliarden Euro
- Ausbau und Erhalt von Straßen: 11,1 Milliarden Euro
- Investitionen ins Schienennetz: 21 Milliarden Euro
- Verbesserungen Breitband: 2,4 Milliarden Euro
Auch er kritisiert Gewessler für ihren Plan, die S18 durch niederrangige Straßen zu ersetzen. „Für letztere sind die Bundesländer zuständig. Hier eine Finanzierungszusage zu machen, die nicht abgesprochen ist, ist kein seriöses Vorgehen.“
Friedrich Zibuschka, Verkehrsexperte von der Wiener BOKU, sagt: „Es ist notwendig, den öffentlichen Verkehr auszubauen. Damit können wir aber nur 40 Prozent des Verkehrsbedarfes bedienen." Es sei daher dort, "wo starke Verkehrsbelastungen auftreten, eine Entlastung auf der Straße erforderlich. Gute Erreichbarkeit bedeutet, die Möglichkeit, Betriebe anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen sowie die Verkehrssicherheit zu erhöhen.“
Priorisierte Bauprojekte
Wien
- S1 Schwechat bis Süßenbrunn (Lobautunnel)
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
- S1-Spange Aspern
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
Niederösterreich
- Marchfeld Schnellstraße S8
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
- Traisental Schnellstraße S34
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
Steiermark
- A9 südlich Graz
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
- S37 Friesach bis Scheifling
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
- Lückenschluss S36 Scheifling
- im Straßengesetz, teilweise im Bauprogramm
Kärnten
- S37/B317 Sicherheitsausbau an der B317 Friesacher Straße
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
- AST Wernberg
- nicht spezifisch im Straßengesetz
- AST Lendorf
- nicht spezifisch im Straßengesetz
- Park+Drive Anlagen
- nicht spezifisch im Straßengesetz
Vorarlberg
- S18 Bodensee Schnellstraße
- im Straßengesetz, nicht im Bauprogramm
Tirol
- A12 Inntal Autobahn Landecker Tunnel
- im Straßengesetz, möglicherweise nicht im Bauprogramm
- A12 Inntal Autobahn Tschirganttunnel
- im Straßengesetz, möglicherweise nicht im Bauprogramm
- A12 Inntal Autobahn Anschlussstelle Schwaz
- im Straßengesetz, möglicherweise nicht im Bauprogramm
- A12 Inntal Autobahn Anschlussstelle Innsbruck Süd
- im Straßengesetz, möglicherweise nicht im Bauprogramm
- A12 Inntal Autobahn Anschlussstelle Wiesing
- im Straßengesetz, möglicherweise nicht im Bauprogramm
Als Beispiel nennt er der Wiener Umland. Im verkehrstechnisch schlecht erschlossenen Teil oberhalb der Donau gebe es deutlich weniger Betriebsansiedlungen und Arbeitsplätze als im Süden. Umso wichtiger sei der Bau der Nordostumfahrung S1 samt Lobautunnel und der damit zusammenhängenden S8 (Marchfeld Schnellstraße).
Während sich der türkise Koalitionspartner auf dem Donauturm an Gewessler abarbeitete, inspizierte diese mit den ÖBB die Photovoltaik-Anlage am Dach des Wiener Westbahnhofs.
Gewessler bleibt unbeeindruckt
Dort verteidigt sie ihr Vorgehen: "Ein Weiter wie bisher geht sich nicht aus, wenn man Umwelt und Klima schützen will.“ Jahrzehnte lang sei zubetoniert worden, darunter oft auch wichtige landwirtschaftliche Flächen. Dies alles für „noch eine Straße und noch mehr Verkehr“. Man wisse aber: „Mehr Straßen heißt auch auf noch mehr Straßen im Stau stehen.“
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