Klimakleber, Bandenkrieg und Mega‑Prozesse im Anmarsch
42 Angeklagte im „Klimakleber“-Prozess, 24 in der Causa Bandenkrieg, elf im Wienwert-Prozess – und etliche mehr, die von großem Medienrummel begleitet werden: das Wiener Straflandesgericht platzt in den ersten Monaten des neuen Jahres aus allen Nähten. Was unter normalen Umständen schon eine echte Herausforderung wäre, ist es jetzt, während der Generalsanierung des Grauen Hauses, umso mehr.
Der große Schwurgerichtssaal, der nicht nur für Geschworenenprozesse verwendet wird, sondern wegen seiner Platzkapazität zuletzt auch für Promi-Prozesse wie jenen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz genutzt wurde, wird derzeit renoviert und steht erst wieder ab März oder April zur Verfügung.
Neuer Saal
Wo also soll man sie hinsetzen – die vielen Angeklagten mitsamt Verteidigern und deren Mitarbeitern, die Staatsanwälte, Richter, Schöffen, Opfervertreter, Sachverständige, Dolmetscher, Zuseher und Medienvertreter?
Für den Prozess um den insolventen Immobilienentwickler Wienwert, der am 19. Jänner startet, wurde ein größerer Saal im 4. Stock gefunden – es wird eng, ist aber machbar, heißt es. Angeklagt sind in der Causa um Anlagebetrug neben Ex-Wienwert-Chef Stefan Gruze auch zwei (Ex-)Politiker: der frühere Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer und der Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy.
Vorerst wurden vom Gericht nur vier Termine im Jänner ausgeschrieben, denn ab Februar sollte schon eine weitaus geeignetere Räumlichkeit zur Verfügung stehen: Im 1. Stock werden zwei Verhandlungssäle zusammengelegt und auf Großverfahren – insbesondere im Bereich Wirtschaftskriminalität – ausgerichtet. Am Richtertisch sollen sechs Personen Platz finden, die Anklagebank und auch die Tische für die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft seien größer, sagt Gerichtssprecherin Christina Salzborn. Für Zuschauer soll es 80 Plätze geben. Der große Schwurgerichtssaal ist immer noch größer – im unteren Bereich gibt es 110, am Balkon 45 Sitzplätze –, der neue Saal wird aber technisch deutlich besser ausgestattet sein.
"Wie ein Mörder"
Kurz hat sich übrigens beschwert, dass er bei seinem Falschaussage-Prozess im Herbst/Winter 2023/’24 im Schwurgerichtssaal sitzen musste „wie ein Mörder oder Schwerverbrecher“. Die Inseraten-Causa könnte im neuen Saal verhandelt werden. Wann es da zu einer Anklage kommt, ist aber noch völlig offen, die WKStA arbeitet sich noch durch den Datenschatz, der bei der Mediengruppe Österreich sichergestellt wurde.
Ein Wiedersehen im Straflandesgericht steht recht bald für Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache an: In der Causa um eine Lebensversicherung der FPÖ liegt eine Anklage wegen Untreue vor. Ermittelt wird noch rund um seine Spesenabrechnungen. In zwei früheren Prozessen wurde Strache freigesprochen.
Verhandlungsmarathon
In derselben Woche wie der Wienwert-Prozess startet auch der mit Spannung erwartete Spionage-Prozess gegen den ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Egisto Ott. Ihm wird u. a. vorgeworfen, den russischen Nachrichtendienst mit sensiblen Informationen versorgt zu haben.
Im Jänner gibt zwei Termine, nach einer Pause wird im Februar mit Hochdruck fortgesetzt: vier Wochen lang wird bis in den März hinein jeweils an zwei Tagen verhandelt.
Pilnacek
Am 18. Dezember wird im Medienprozess gegen „Zackzack“ ein Urteil erwartet. Vier Polizisten hatten auf Einziehung des Buches von Peter Pilz zum Tod von Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek geklagt. Am 15. Jänner startet der Pilnacek-U-Ausschuss im Parlament.
Wienwert
Am 19., 23, 26. und 29. Jänner wird gegen elf Personen und drei Verbände verhandelt, weitere Termine folgen. 1.800 Anleger sollen um rund 41 Mio. Euro geschädigt worden sein. Mit dabei: Ex-ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer und SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy. Ex-Wienwert-Chef Stefan Gruze wird u. a. schwerer gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen, ihm drohen bis 10 Jahre Haft.
Spionage
Ab Jänner steht Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott mit einem weiteren Angeklagten vor Gericht. Zehn Termine sind geplant: 22. und 23. Jänner, 11., 12., 18., 19., 25., 26. Februar, 4. und 5. März. Beim Vorwurf „Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil der Republik“ drohen Ott bis zu fünf Jahre Haft. Die sogenannte „Lederhosen-Affäre“, in der sein Freispruch kürzlich gekippt wurde, soll mitverhandelt werden.
Nowitschok
Im Jänner oder Februar dürfte Ex-Außenamtsbeamter Johannes Peterlik wegen Amtsmissbrauchs und Geheimnisverrats vor Gericht stehen, weil er Ott die Formel für das Nervengift Nowitschok gegeben haben soll. Bis zu fünf Jahre Haft drohen.
Eurofighter
Drei Personen werden Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Kauf der Abfangjäger 2003 vorgeworfen. Der Schaden beträgt rund 65 Mio. Euro. Wegen Untreue drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die Termine: 10., 11., 23., 24., 25., 26. und 27. März.
Lebensversicherung
Heinz-Christian Strache soll versucht haben, sich eine Lebensversicherung der Partei in Höhe von 300.000 Euro anzueignen. Der Prozess startet im Jänner.
Ott wird parallel dazu in einem artverwandten Prozess auftreten müssen: Voraussichtlich im Jänner oder Februar wird gegen den früheren Spitzendiplomaten Johannes Peterlik verhandelt. Dieser soll die Nowitschok-Formel inklusive Informationen zu Vorfällen mit dem Nervengift an Ott weitergegeben haben.
Am 10. März startet der nächste Mega-Prozess: 22 Jahre nach dem Eurofighter-Kauf verantworten sich ein Luftfahrtmanager und zwei Waffen-Lobbyisten wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen. Ab 23. März wird eine Woche durchverhandelt.
Noch keine Termine gibt es für zwei ganz große Brocken: Die bereits erwähnten Prozesse gegen die Klimakleber und jenen gegen Afghanen und Syrer, die sich am 7. Juli am Bahnhof Meidling eine blutige Schlägerei geliefert haben. Der sogenannte Bandenkrieg-Prozess dürfte im Jänner starten.
Ortswechsel
Die 42 Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ sollen dem Vernehmen nach ab März vor Gericht stehen. Hier ist das Platzproblem am offensichtlichsten. Eine Überlegung ist, außer Haus einen Saal zu buchen, eine andere, das Verfahren zu splitten. Gerichtssprecherin Salzborn meinte zuletzt aber, sie sei zuversichtlich, „dass wir im Haus eine Lösung finden“.
Nicht im Grauen Haus, sondern in Linz, startet voraussichtlich im ersten Quartal 2026 die Fortsetzung des Postenschacher-Prozesses gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger und zwei Beamte, nachdem die Diversionen gekippt wurden. Elf Verhandlungstage waren geplant, 31 Zeugen sollten geladen werden. Für das kleine Landesgericht in Oberösterreich auch eine Herausforderung.
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