Postenschacher-Causa: Diversion weg – und was jetzt?
August Wöginger, Klubchef der ÖVP und langjähriger Mandatar, ist wegen Beitragstäterschaft zum Amtsmissbrauch angeklagt.
An elf Tagen sollte verhandelt werden, 31 Zeugen waren geladen, doch dann endete der Prozess rund um Postenschacher-Vorwürfe beim Finanzamt Braunau gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger und zwei Beamte am 7. Oktober schon nach wenigen Stunden mit Diversionsangeboten an alle drei Angeklagte.
Die Pläne für den Megaprozess werden jetzt wieder hervorgekramt: Das Oberlandesgericht Linz hat die Diversionsbeschlüsse aufgehoben, der Prozess wird voraussichtlich im Februar oder März fortgesetzt. Auch mit derselben Vorsitzenden des Schöffensenats. Ein Richterwechsel wäre nur möglich, wenn es Gründe gäbe, an der Unbefangenheit der jetzigen Richterin zu zweifeln. Die sieht man beim Landesgericht aber nicht – es bleibt also alles beim Alten.
Auch, was die Verteidigungsstrategie betrifft. Für den allgemeinen Hausverstand mag es schwer begreiflich sein, aber alle drei Angeklagten werden sich voraussichtlich „nicht schuldig“ bekennen. Und das, obwohl sie sich im Prozess entschuldigt und Verantwortung übernommen haben.
Man musste aber genau hinhören: Wöginger sagte: „Es tut mir leid.“ Nachsatz: „Was durch mein Handeln ausgelöst wurde.“ Er hat sich also nur für die Folgen entschuldigt, nicht für sein Handeln an sich.
2016 wurde der Vorstandsposten im Finanzamt Braunau ausgeschrieben – ein ÖVP-Bürgermeister aus dem Mühlviertel wurde im Hearing erstgereiht, obwohl eine andere Bewerberin, Christa Scharf, bestqualifiziert gewesen wäre. Ins Rollen kam der Fall 2022 nach dem Kronzeugen-Geständnis von Thomas Schmid: August Wöginger habe bei ihm interveniert. Im Mai 2025 wurden der ÖVP-Klubchef und zwei Beamte angeklagt. Der Prozess fand am 7. Oktober 2025 mit Diversionsangeboten ein vorläufiges Ende und muss jetzt fortgesetzt werden.
„Daily Business“
Das ist ein wichtiger Unterschied: Er gehe weiter davon aus, dass das Verhalten seines Mandanten nicht strafbar gewesen sei, erklärt Wögingers Verteidiger Michael Rohregger. Er betont: „Die Verantwortungsübernahme war kein Schuldeingeständnis.“ Sein Mandant habe lediglich die Chance, eine Diversion zu bekommen und sich damit einen langwierigen Prozess zu ersparen, ergreifen wollen.
Konkret geht es um den Vorwurf, Wöginger habe Ende 2016 die Bewerbungsunterlagen eines Mühlviertler ÖVP-Bürgermeisters, der sich für den Vorstandsjob im Finanzamt Braunau-Ried-Schärding interessierte, an den damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid übergeben.
Rohregger: „An einen Politiker werden täglich Dutzende Anliegen aus der Bevölkerung herangetragen, und als gewählter Volksvertreter wird von ihm erwartet, sich darum zu kümmern und sie an die entsprechende Stelle weiterzugeben. Das hat nichts mit einer Bereitschaft zu tun, eine Straftat zu begehen. Das ist Daily Business.“
Michael Rohregger: „Eine Diversion anzunehmen, ist kein Schuldeingeständnis. Es liegt kein strafbares Verhalten vor.“
Dass Schmid die Bewerbungsunterlagen dann nahm und zwei Mitglieder der Personalkommission in ihrer Entscheidung beeinflusste – damit habe Wöginger nichts mehr zu tun gehabt. Der ÖVP-Mandatar behauptet, er habe sich nicht sonderlich für die Angelegenheit interessiert.
Das ist – wohlgemerkt – die Verteidigungslinie. Ob sie hält, wird sich im Prozess erst zeigen. Entscheidend wird die Aussage von Kronzeuge Schmid sein. Der behauptete im Ermittlungsverfahren ja, Wöginger habe sich bei ihm mehrmals nach dem Stand des Bewerbungsverfahrens erkundigt.
Trend zur Diversion
Die Entwicklung, dass das Oberlandesgericht den Diversionsbeschluss jetzt gekippt hat, dürfte übrigens auch bei zwei weiteren Politikern, die in anderen Causen angeklagt sind, für Nervosität sorgen.
Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass der Linzer Ex-Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) in der Brucknerhaus-Causa vom Gericht eine Diversion angeboten bekam. Luger ist in der Causa um die Intendantenstelle im Brucknerhaus wegen Untreue angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Linz spricht sich aus generalpräventiven Gründen gegen eine Diversion aus und will den Beschluss, sofern er kommt, mit einer Beschwerde bekämpfen.
Und auch Karl Mahrer, Ex-ÖVP-Chef in Wien, strebt dem Vernehmen nach eine diversionelle Lösung an. Er ist in der Wienwert-Causa als Beitragstäter zur Untreue angeklagt. Der Fall ist anders gelagert – Mahrer war damals kein Politiker und ist es auch jetzt nicht mehr.
Der Trend unter Politikern, sich mit einer Diversion aus einem Strafprozess herauszuwinden, dürfte mit der Wöginger-Entscheidung aber einen Dämpfer bekommen haben.
Ein Fall für den VfGH?
Obwohl die Sache noch nicht ganz vom Tisch sein könnte: Wögingers Anwalt kritisiert, dass sein Mandant im Beschwerdeverfahren keine Parteienstellung hatte und in der Frage, ob eine Diversion nun möglich ist, kein rechtliches Gehör bekam. Das sei im Gesetz so vorgesehen, aber „verfassungswidrig“. Möglich, dass der VfGH damit befasst wird.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Rohregger dort in Erscheinung tritt: Der Strafverteidiger hat 2018 bereits den Bundestrojaner von Türkis-Blau zu Fall gebracht und 2016 die Hofburg-Stichwahl erfolgreich angefochten.
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