Wie die Causa Wöginger die Koalition ins Trudeln bringt

NATIONALRAT: WÖGINGER
Ein Verbleib des ÖVP-Klubobmanns nach einer Verurteilung in der Postenschacher-Affäre würde die Regierung schwer belasten. Sein Abgang aber auch. Wöginger erklärt sich am Freitag.

Es war wohl bisher eine der größten Fehleinschätzungen von ÖVP-Chef Christian Stocker. Er war davon ausgegangen, dass mit der im Oktober abgeschlossenen Diversion die heikle Amtsmissbrauchscausa rund um seinen Klubchef August Wöginger ein für alle Mal vom Tisch sei. Die für viele unerwartete Wiederaufnahme des Verfahrens stürzt die Türkisen nun in gröbere Kalamitäten. 

Während die Parteispitze nach wie vor Wögingers Unschuld beteuert und versichert, hinter dem Klubchef zu stehen, brodelt es vor allem in den Länder- und Teilorganisationen. Dort kritisiert man, dass man von der Parteispitze, namentlich von Generalsekretär Nico Marchetti, offiziell nicht ausreichend informiert worden sei, wie mit den jüngsten Entwicklungen umzugehen sei. „Um die Reihen dichtzumachen, ist aber ein gemeinsames Wording erforderlich“, sagt ein verärgerter Funktionär. So sei es kein Wunder, dass bis dato keiner der Länder-Granden öffentlich zur Unterstützung Wögingers ausgerückt sei. Etwa mit der Botschaft, dass er im Verfahren nun seine Unschuld beweisen könne. 

Wöginger selbst setzt die Causa stark zu, schildern Parteikollegen. Denn auch zu Hause in seinem Wahlkreis würden ihm zunehmend Aggression entgegenschlagen. 

Über Sporrer verärgert

Tief sitzt der Groll aber auch gegen den roten Koalitionspartner. Sei doch SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer in den Augen mancher Türkiser mitverantwortlich dafür, dass es überhaupt zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gekommen sei. „Das wird innerkoalitionär sicher nicht ohne Konsequenzen bleiben“, so der Funktionär. 

Im Falle einer Verurteilung würde Wöginger sein Mandat und damit den Klubvorsitz automatisch nur dann verlieren, wenn die Freiheitsstrafe mehr als sechs Monate unbedingt oder zwölf Monate bedingt überschreitet – was in seiner Causa eher unwahrscheinlich ist. Bei einer geringeren Strafe liegt es an Wöginger selbst, ob er sich zurückzieht. 

Egal wie er sich entscheidet – leichter wird die Situation für die Koalition nicht: Bleibt Wöginger, liegt seine Verurteilung wie ein dunkler Schatten über der Regierung, zieht er sich zurück, verliert die per se eher fragile Koalition eine wichtige Stütze: „Mit ihm ginge jemand von ÖVP-Seite verlustig, der sehr am Zustandekommen von Lösungen interessiert ist, während andere noch auf Justament-Standpunkte beharren“, schildert ein roter Funktionär die Zusammenarbeit mit Wöginger, der schon in der Koalition mit den Grünen als wichtiger Faktor galt, damit dieses ungleiche Bündnis funktionierte. 

Auch in Neos-Kreisen bewertet man Wöginger als zentrale Figur, deren Verlust für die Koalition sicher „nicht lustig“ wäre. Dort schätzt man seine Erfahrung und die Kanäle, die er zu allen Parteien offen hält. Insofern sei er wohl nur schwer zu ersetzen. Gleichzeitig war es im Oktober die pinke Abgeordnete Sophie Wotschke gewesen, die offen Wögingers Rücktritt gefordert hatte. 

Aktuell gibt man sich etwas diplomatischer: „Mit der Entscheidung, die Diversion für Klubobmann Wöginger zu kippen und das Strafverfahren gegen ihn und die beiden Mitangeklagten fortzusetzen, hat die Justiz klargestellt, dass Postenschacher und Freunderlwirtschaft keine Kavaliersdelikte sind, egal, wer sie begeht. Klar ist auch: Was bei dieser Postenbesetzung in Braunau passiert ist, entspricht so gar nicht unserem Verständnis von sauberer Politik“, sagt Generalsekretär Douglas Hoyos.

In der ÖVP nimmt man die Causa unterdessen mit Galgenhumor: „Vielleicht sollten einige Abgeordnete präventiv Selbstanzeige einbringen“, sagt ein ÖVP-Mandatar. „Denn das, was Gust gemacht hat, ist eine simple Hilfestellung für Bürger - also für viele Parlamentarier politischer Alltag.“

Wöginger selbst wird am Freitag gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt eine Stellungnahme abgeben.

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