Antragsteller sind vier Personen, die durch den seitens Dignitas finanzierten Anwalt Wolfram Proksch vertreten werden: ein 56-jähriger Multiple-Sklerose-Patient, der Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen möchte; ein Mann, der an Parkinson leidet; ein 75-Jähriger, der 2017 seiner krebskranken Frau beim Suizid assistiert hat (sie hat sich erschossen) und 2018 deswegen zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt wurde; sowie ein Anästhesist und Intensivmediziner, der assistierten Suizid durchführen würde.
Die Antragsteller berufen sich auf die in der EU-Grundrechtscharta geschützte Menschenwürde. Wer einer als entwürdigend empfundenen Situation entkommen wolle, sei gezwungen, Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen, was das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung für Helfer mit sich bringe.
"Am Scheideweg"
Gegner einer Aufhebung der geltenden Regelung warnen indes vor einem Dammbruch. "Wir stehen an einem kulturellen Scheideweg", sagt etwa Susanne Kummer, Geschäftsführerin des unter der Patronanz der Bischofskonferenz stehenden Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) zum KURIER.
Die christlichen Kirchen zählen generell zu den prononciertesten Kritikern einer sogenannten "Liberalisierung" in diesen Fragen. So trat gestern in Linz das Forum christlicher Kirchen in Oberösterreich an die Öffentlichkeit. Das von den Euthanasiebefürwortern zentral ins Treffen geführte Argument der Autonomie sei "philosophisch inkonsistent", meinte dort der Linzer Bischof Manfred Scheuer. Menschliche Freiheit erschöpfe sich nicht in einer "Autarkie", da jeder Mensch eingebettet in "zwischenmenschliche Verhältnisse der Fürsorge und der Verantwortung für den Nächsten" sei.
Als Alternative zu Tötung auf Verlangen bzw. assistiertem Suizid wird vielfach auf das mittlerweile hochqualitative Angebot der Hospiz- und Palliativversorgung hingewiesen. Kritiker anerkennen deren Leistung zwar, halten dies aber für keine Alternative zur Euthanasie. "Die Palliativbegleitung ist eine super Sache. Wer diese bis zum Ende seines Lebens haben will, ist gut aufgehoben, aber wenn es wer ablehnt, dann sollte man ihm das nicht aufzwingen", sagt etwa der Philosoph Peter Kampits zum KURIER.
Die österreichische Debatte findet nicht zuletzt unter dem Eindruck eines viel diskutierten Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Februar dieses Jahres statt: Das Höchstgericht hat damals das Verbot der "geschäftsmäßigen Beihilfe" (also durch Ärzte, Sterbehilfe-Vereine, nicht etwa durch Angehörige) zum Suizid gekippt.
In Österreich stand das Thema bereits im Juni auf der Agenda des VfGH, wurde aber auf den Herbst verschoben. Gestartet wird mit einer öffentlichen Verhandlung am 24. September, an der Vertreter der Antragsteller sowie der Bundesregierung teilnehmen.
Ob es jetzt zu einem Erkenntnis kommt, ist ungewiss. Ein Sprecher des VfGH meint zum KURIER, es gebe sicher das Interesse einer schnellen Entscheidung, zumal unter den Antragstellern zwei Schwerkranke seien – "da tickt die Uhr". Die nächste Session des Höchstgerichts beginnt am 23. November.
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