Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer: "Drexlers Auftritt war würdelos“
Die geschäftsführende Klubobfrau über die Kritik am Bundespräsidenten nach der Steiermarkwahl, die neue Rolle in der Opposition und die Differenzen mit Walter Rosenkranz.
KURIER:Frau Maurer, haben die Grünen die Wahlniederlage in der Steiermark schon verdaut?
Sigrid Maurer: Die Ergebnisse der vergangenen Wahlen waren nicht erfreulich. Es schmerzt natürlich, dass wir wieder gleichsam auf die alte Größe geschrumpft sind. Wir hatten 2019 das beste Ergebnis in der Steiermark, jetzt sind es wieder 6,2 Prozent. Interessanterweise hat es uns sehr geschadet, dass an der Spitze wieder ein Duell zwischen ÖVP und FPÖ ausgerufen worden ist, wie bei der Nationalratswahl. Wir sind trotzdem frohen Mutes. Aufstehen, Krone richten, weiterkämpfen.
Was sagt die Analyse? Haben die fünf Jahre mit der ÖVP in der Bundesregierung den Grünen geschadet? Oder die Tatsache, dass das Thema Klimaschutz nicht mehr so im Fokus steht?
Ehrlicherweise sind es mehrere Faktoren. Wir haben in der Regierung in den vergangenen fünf Jahren sehr, sehr viel weiterbringen können. Aber es waren auch die krisenhaftesten Jahre, die wir seit vielen Jahrzehnten erlebt haben. Es gibt keine einzige Regierungspartei, die aus dieser Situation heraus dazugewonnen hat. Zweitens gibt es ganz große Lobbys und Kampagnen gegen den Klimaschutz. Der Klimaschutz steht unter Beschuss von Putin und Co. und den Wortarmeen, die er beschäftigt. Dazu kommen noch andere rechte Parteien. Es wird versucht, den Klimaschutz zu delegitimieren und seine Bedeutung umzudrehen. Es wird behauptet, er würde alles teurer machen. In Wirklichkeit ist Klimaschutz letztlich Menschenschutz.
Liegt es aber nicht auch daran, dass Klimaschutz sehr oft nur mit Verboten verbunden wird?
Das ist natürlich auch ein Teil der Debatte, die ganz stark geschürt wird. Es ist aber auch so, dass die Grünen in der Vergangenheit in ihrer Kommunikation zu diesen Themen nicht immer alles richtig gemacht haben.
Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer zu Gast in der Sendung "bei Gebhart"
Bei diesem Thema war Ihre Ministerin Leonore Gewessler sehr oft die Reizfigur der Gegner.
Leonore hat ganz, ganz viele Dinge umgesetzt, die das Leben der Menschen in Österreich objektiv besser gemacht haben. Ob das das Klimaticket, das Plastikpfand oder der Klimabonus ist. Leonore Gewessler hat auch den riesigen Bahnausbau durchgesetzt, der über Jahrzehnte noch spürbar sein wird. Seit Jahrzehnten sinken das erste Mal die Emissionen. Und der Frage, Klimaschutz heiße Verbote, muss man entgegensetzen: Klimaschutz bedeutet Freiheit. So sind wir etwa nicht mehr auf ausländische Diktatoren angewiesen, sondern wir können in unserer Heimat Energie produzieren.
Sie haben fünf Jahre mit der ÖVP regiert. Und jetzt, da es um die Regierungsverhandlungen gegangen ist, wollen die Türkisen nicht mehr mit Ihrer Partei koalieren. Hat Sie das getroffen?
Ich bin überzeugt davon, dass wir in den vergangenen fünf Jahren sehr gute Arbeit geleistet haben. Angesichts all der Schwierigkeiten haben wir aber sicherlich nicht alles richtig gemacht. Wir haben sehr viel auf den Boden gebracht, das vorher unvorstellbar gewesen ist. Etwa das Sinken der CO2-Emissionen. Aber wir müssen feststellen, dass die ÖVP beim Klimaschutz einen Rückwärtsgang eingelegt hat.
Woran machen Sie das fest?
Man geht dort jetzt den Weg des geringeren Widerstands und der weniger ambitionierten Ziele. Wir sehen jetzt schon, dass bei den Regierungsverhandlungen Themen wie Klimaschutz, Naturschutz und Umweltschutz keine zentrale Rolle spielen. Dennoch möchte ich hier sagen, ich wünsche Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger aufrichtig, dass es gelingt, rasch eine Koalition zu formen. Wir werden das sehr kritisch beobachten, kontrollieren, begleiten. Konstruktiv in der Opposition, wie wir das schon immer gemacht haben.
Erstmals politisch engagiert hat sich die Tirolerin Sigrid Maurer (39) in der Hochschülerschaft. Sie wurde Mitglied der Grünen und Alternativen Studentinnen und Studenten (GRAS). 2009 bis 2011 war sie sogar ÖH-Vorsitzende. In diesen Zeitraum fielen die großen Studentenproteste. Im Parlament hatte sie damals Hausverbot, weil sie Zettel von der Galerie in das Plenum warf. 2013 kandidierte sie erstmals für die Grünen bei einer Nationalratswahl. Von 2013 bis 2017 war sie Abgeordnete. 2019 gelang ihr erneut der Einzug. Seit 2020 ist sie Klubobfrau der Grünen.
Konstruktiv heißt, dass sich die Grünen nicht verschließen werden, wenn es im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt?
Ja selbstverständlich. Wir haben große Fragen, die mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gelöst werden müssen. Speziell in den Bereichen Klima und Energie.
Kommen wir noch einmal auf das Atmosphärische zurück. Fünf Jahre lang haben Sie mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger eine starke Achse gebildet. Dennoch wollen die beiden Regierungsparteien nicht mehr zusammenarbeiten.
Zwischen mir und August Wöginger gibt es überhaupt keine Friktionen. Wir haben nach wie vor ein gutes Arbeitsverhältnis, das wird im Parlament auch noch gebraucht. Aber natürlich hat Politik immer etwas mit Atmosphäre zu tun. Wenn ich mir jetzt nur den riesigen freiheitlichen Sektor anschaue, der die ganze Zeit grausig ins Plenum hinein brüllt, da wird einem wirklich schlecht. Warum die Grünen so vehement als Koalitionspartner ausgeschlossen worden sind, müssen Sie die anderen fragen. Wir nehmen unsere Rolle an, wir können Opposition, wir konnten auch Regierung.
Eine grundsätzliche Frage: Wenn ÖVP und SPÖ mit den Neos keine Regierung zusammenbringen, würden die Grünen als eine Art Notnagel zur Verfügung stehen?
Man hat uns ganz klar ausgeschlossen und wir nehmen diese Rolle an. Ich rechne nicht damit, dass sich da noch einmal etwas ändert. Jetzt sind die Neos dran, die viele Jahre große Reformen – richtigerweise – gefordert haben. Jetzt ist es für sie Zeit, da einmal etwas auf den Boden zu bringen.
Am Abend nach der Steiermarkwahl hat ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler dem Bundespräsidenten Mitschuld an seiner Wahlniederlage gegeben, weil dieser nicht Wahlsieger Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben hat. Wie sehen Sie das?
Ich muss ehrlicherweise sagen, dieser Auftritt von Landeshauptmann Christopher Drexler war würdelos. Es ist immer bitter für eine Partei, eine Wahl zu verlieren. Aber so billig zu versuchen, mit dem Fingerzeig auf andere von der eigenen Verantwortlichkeit abzulenken, ist wirklich deplatziert.
Aber hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Beauftragung richtig gehandelt?
Der Bundespräsident hat mit allen Parteien gesprochen und ausgelotet, welche Koalition möglich wäre, welche Mehrheiten es geben könnte. Ich finde schon, dass es die richtige Entscheidung war, weil wenn er Kickl trotzdem beauftragen würde, obwohl er weiß, dass er keine Mehrheit findet, dann würde er der Republik viele Wochen an weiterer Verzögerung quasi antun. Der Bundespräsident ist der Bundespräsident. Er ist unabhängig und trifft seine Entscheidungen allein.
Sie und Ihre Partei sind scharf dagegen vorgegangen, dass Walter Rosenkranz von der FPÖ Parlamentspräsident wird. Als Klubobfrau müssen Sie aber mit ihm zusammenarbeiten. Wie geht das?
Walter Rosenkranz ist Präsident. Wir hatten mit ihm unsere erste Präsidiale, und er hat diese professionell moderiert. Aber die inhaltlichen Konfliktpunkte bleiben natürlich. Walter Rosenkranz hat Hans Stich, den Generalstaatsanwalt der Nazis, als Leistungsträger bezeichnet.
Er hat das im Nachhinein aber als Fehler bezeichnet.
Ich stelle fest, dass er bei diesen Dingen noch immer herumwabert. Jedenfalls kann so jemand nicht Vorsitzender des Nationalfonds für die Entschädigung von Nazi-Opfern sein. Wir haben dazu einen Gesetzesantrag eingebracht. Ein anderes Beispiel, warum ich glaube, dass wir mit Rosenkranz schlecht fahren: Er ist Präsident geworden, und nicht einmal eine Woche später hat er bereits den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Parlament empfangen. Dazu wurde die EU-Fahne abmontiert. Das ist ein ganz klares Zeichen. Wir sind Mitglied in der EU, diese Aktion steht ihm meines Erachtens nicht zu.
Ein Nationalratspräsident hat eine Machtfülle, das hat auch sein ÖVP-Vorgänger Sobotka bewiesen.
Ohne Wolfgang Sobotka verteidigen zu wollen, aber der hätte sich so etwas wie den Orbán-Besuch nie geleistet.
Im kommenden Jahr zieht sich Werner Kogler zurück, und die Grünen wählen eine neue Parteiführung. Sie haben schon jetzt dafür abgesagt. Warum?
Mein Platz ist der Parlamentsklub. Das war immer schon so, dort liegt meine Leidenschaft. Ich habe in der Vergangenheit auch auf jede Frage bezüglich eines Ministerinnenamtes so geantwortet. Wir haben viele gute Leute, und wir werden diese Frage im nächsten Jahr klären. Und ich werde alles dazu tun, um die neue Chefin oder den neuen Chef bestmöglich zu unterstützen.
Gibt es eine Wunschkandidatin oder einen Wunschkandidaten?
Wir haben viele gute Leute, wir werden das gemeinsam im Team entscheiden.
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