Und was ist jetzt ihre Rolle im Team Babler?
Ich habe einen Prozess losgetreten, begleite ihn, und bin wöchentlich in Kontakt mit der Bundesgeschäftsstelle. Ich habe keine Funktion, kümmere mich aber um die neuen Mitglieder. Das ist eine historische Chance. Wir haben es hier mit 10.000 Menschen zu tun, die mitten im Leben stehen, die keine Parteikarrieren planen und der SPÖ nicht – wie in den 70ern – beigetreten sind, weil sie sich Job oder Wohnung erwarten, sondern aus weltanschaulichen Motiven. Das ist eine Zivilgesellschaft in der Partei. Die muss man pflegen.
Apropos Ideologie: Für Andreas Babler ist der Marxismus eine gute Brille, um durch sie auf die Welt zu schauen. Sie sind Ökonom. Stimmen Sie Babler zu?
Ich bin kein Marxist. Die SPD hat sich 1950 mit dem Godesberger Programm vom Marxismus verabschiedet. Nach einer langen intellektuellen Debatte hat man ein geniales, kurzes Papier geschrieben, das sinngemäß festhält: Uns ist egal, ob jemand Christ, Humanist oder Marxist ist. Wenn wir uns auf gemeinsame Grundwerte – im Falle der SPÖ Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität – einigen und gemeinsam in eine Richtung gehen, sind wir eine Bewegung.
Eine ihrer wichtigsten Forderungen lautet: Die Politik muss gegenüber der Wirtschaft wieder die Oberhand bekommen. Wo könnte eine SPÖ dem Primat der Politik denn wieder zum Durchbruch verhelfen?
Die österreichische Volkswirtschaft ist zu klein, um eine Finanztransaktionssteuer alleine durchzusetzen – und die EU ist bei diesem Thema ja leider gescheitert. Eine Steuerreform könnte und müsste die SPÖ in der Regierung aber auf jeden Fall problemlos hinbekommen.
Mit all den Inhalten, die Babler propagiert? Also neuen Vermögens-, Erbschafts- und Millionärssteuern? Selbstverständlich! Mittlerweile sind das ja Dinge, die die OECD geradezu von uns verlangt. Arbeit muss geringer besteuert werden, Kapital stärker. Natürlich wehrt sich die ÖVP gegen die großen Maßnahmen mit Händen und Füßen. Aber es wäre grundrichtig, Vermögen und vor allem Erbschaften zu besteuern.
Sie wissen, dass ein SPÖ-Finanzminister die Erbschaftssteuer abgeschafft hat.
Die Zeiten sind heute völlig andere. Das Bankgeheimnis von damals existiert nicht mehr. Mit dem Grundbuch, dem Kontenregister und dem Firmenbuch können wir problemlos alle Vermögen digital nachvollziehen.
Und der Schmuck im Nachtkasterl oder die geschenkte Rolex vom Opa?
Dieses Argument, der Staat würde im Schlafzimmer schnüffeln, ist völlig daneben. In Wahrheit würden wir mit den erwähnten Registern 90 Prozent der Vermögen erwischen. Ob jetzt jemand ein teures Gemälde an der Wand hängen hat, ist nachrangig. Die großen Vermögen liegen auf Konten oder sind in Immobilien investiert.
Die Babler-SPÖ verspricht allen ein besseres Leben. Was ist mit jemandem, der ein Eigentumshaus am Land mit Swimmingpool und Carports hat und zweimal im Jahr auf Urlaub fliegt?
Jemand, der siebentausend Euro brutto im Monat verdient, um den müssen wir uns materiell nicht kümmern. Natürlich glauben diese Menschen, dass sie – verglichen mit einem Mateschitz – Mittelschicht sind. Aber sie gehören zu den Top-5-Prozent-Verdienern. Die SPÖ muss sich für die Menschen einsetzen, die zu kämpfen haben. Sei es, weil sie in materiellen Schwierigkeiten sind. Sei es, weil sie sich trotz Zugehörigkeit zur Mittelschicht wie im Hamsterrad fühlen und den gesellschaftlichen Druck am Arbeitsplatz, um den Schulplatz, etc. stemmen müssen.
Ein ständiges Thema ist in der SPÖ die Haltung zu Migration und Integration. Ist diese Frage beantwortet?
Nein, sie ist ungelöst. Es leben 750.000 Menschen in Österreich, die mangels Staatsbürgerschaft nicht mitentscheiden. Hier fehlt mir der Diskussionsprozess. Die Sozialdemokratie hat es immer geschafft, antiquiertes Denken zu überwinden, indem man mit einer besseren Realität besticht. Wenn jemand hier für seine Kinder eine gute Ausbildung bekommt und mitentscheiden darf, wird er religiös und kulturell säkularisiert. Das Wahlrecht für Nicht-Österreicher ist eine Integrationsmaßnahme. Aus sozialdemokratischer Sicht soll man die Hürden für Mitbestimmung so gering wie möglich halten.
Mitentscheiden, ein gutes Stichwort: Sie sind ein glühender Verfechter von mehr Basisdemokratie in der Partei, die Wiener SPÖ hat diesbezüglich mehrfach große Skepsis angemeldet...
Es ringt mir Respekt ab, dass uns Wien in der entscheidenden Phase unterstützt hat. Man muss aber auch sehen: Die Kandidatin der SPÖ Wien wurde nur Dritte, Andreas Babler hat Wien vor einer Blamage bewahrt. Die Direktwahl des Vorsitzenden und das Mitentscheiden beim Koalitionspakt sind für mich absolute Mindestanforderungen, darunter geht’s nicht. Wir könnten ja auch darüber reden, ob Mitglieder nicht mitentscheiden sollten, wer auf die Nationalratswahlliste kommt oder auf einen Parteitag fährt. In anderen Ländern ist das Standard.
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