SPÖ-Frauenvorsitzende: "Feminismus hat in der Regierung keine Ansprechperson"

Seit einem Jahr ist die 29-jährige Eva-Maria Holzleitner Vorsitzende der SPÖ-Frauen. Ein Amt, das zuvor z.B. Johanna Dohnal und Barbara Prammer innehatten.
Die SPÖ liegt derzeit in den Umfragen vorne. Angenommen Sie würden in der nächsten Regierung Frauenministerin, was würden Sie als erstes angehen?
Wahlen müssen noch immer gewonnen und Koalitionsgespräche geführt werden. Deswegen ist so ein Gedankenexperiment sehr schwer.
Anders gefragt: Was würden Sie der amtierenden Frauenministerin empfehlen anzugehen?
In Österreich werden Frauen ermordet, Woche für Woche. Das ist ein riesengroßes Problem, wo mehr getan werden muss. Es braucht einen kontinuierlichen Dialog mit Gewaltschutz- und Opferschutzeinrichtungen, Beratungsstellen und Co. Auch der Polizei muss man unter die Arme greifen und Frauen- und Mädchenberatungsstellen ausreichend finanzieren.
Von wie viel Geld sprechen wir hier?
Um die Istanbul-Konvention gegen Gewalt gegen Frauen zu erfüllen, empfiehlt der Frauenring 228 Millionen und das ist noch nicht angepasst an die aktuelle Inflation.
Sprechen wir über die Ukraine: Es heißt immer, dass fast ausschließlich Frauen und Kinder nach Österreich flüchten…
… die noch immer keine Familienbeihilfe bekommen. Hier bräuchte es schnell und unbürokratisch eine Lösung. Schnell und unbürokratisch ist ja so ein geflügeltes Wort in der Bundesregierung. Aber schnell gibt es nur zwei Millionen für den Seniorenbund in Oberösterreich. Familienbeihilfe für Ukrainerinnen? Da lässt man sich Zeit.
Aber ist es fair, die Familienbeihilfe nur an ukrainische Geflüchtete auszuzahlen?
Nein. Die Ukraine ist nur das aktuellste Beispiel, warum man das diskutieren muss. Natürlich müssen die Familienleistungen für alle gleichermaßen da sein. Auch das EuGH-Urteil, dass die Indexierung der Familienbeihilfe rechtswidrig ist, hat gezeigt, dass diese kleingeistige, populistische, spalterische Politik in einer solidarischen Union keinen Platz hat. Das Geld muss jetzt sofort zurückgezahlt werden.
Sie setzen sich für die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn ein, um Frauen die Situation am Arbeitsmarkt zu erleichtern. Aber ist das zum Zeitpunkt eines starken Personalmangels z.B. in Gastronomie und im Tourismus klug?
Auch die Zufriedenheit am Arbeitsplatz sinkt. Hier wäre die Vier-Tage-Woche eine Gegenmaßnahme. Es gibt viele Gastronomen und Gastronominnen, die bewusst darauf schauen, das zu verbessern und die klagen nicht über Personalknappheit. Das muss natürlich immer einhergehen mit einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und einem Ausbau von Kinderbetreuung in ganz Österreich. Aber in der 15a-Vereinbarung, die jetzt im Juli beschlossen wird, findet sich dazu wieder nichts. Eine vertane Chance.
In Spanien gibt es jetzt eine Menstruationspause, Frauen müssen, wenn sie Beschwerden während der Menstruation haben, nicht arbeiten. Die SPÖ war dafür, so etwas auch in Österreich einzuführen, die Arbeiterkammer hingegen zögerlich. Was war da los?
In Spanien wird progressive Frauenpolitik gemacht. Dort wird über die Periode ganz offensiv gesprochen. Wir haben aber ein ganz anderes Krankenstand-Modell als Spanien. Es ist ja auch kein Urlaub, wenn man in Embrionalstellung auf der Couch liegt, weil man solche Unterleibsschmerzen hat. Und es gibt auch Krankheitsbilder wie Endometriose, die nicht so gut erkannt werden, wenn wir nicht über das Thema Periode sprechen.
Sprechen wir generell zu wenig über Gender-Medizin?
Ja. Das Paradebeispiel ist hier immer, dass ein Herzinfarkt bei Frauen anders aussieht als bei Männern. Aber zu Gender-Medizin gehört genauso, dass die Pille für den Mann irgendwann einmal Realität werden sollte. Hier werden Forschungen immer wieder abgebrochen, weil es heißt, die Nebenwirkungen sind so extrem groß. Nebenwirkungen, die Frauen einfach zugemutet werden. Generell sollte man Gender Medizin in allen Studienplänen verankern. Die JKU Linz ist hier ein gutes Beispiel. Dort sind Gender-Seminare in jedem Studium vorgesehen – auch z.B. wenn ich Elektrotechnik studiere.
Sie sind jetzt ein Jahr Vorsitzende der SPÖ-Frauen. Wie ist Ihre Diagnose, wie geht es dem Feminismus in Österreich?
Nicht gut, weil er keine Ansprechperson in der Regierung hat. Andere Länder machen vor, wie es gehen könnte. In Island müssen Unternehmen z.B. belegen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleich viel verdienen. Und wenn ein Mann mehr kriegt, dann muss das genau begründet werden.
Das würden Sie sich auch für Österreich wünschen?
Ja. In den skandinavischen Ländern ist die Lohnschere geringer und die Karenz wird fairer aufgeteilt. Bei uns gehen nur zwei von zehn Vätern in Karenz. Wir haben jetzt einen Antrag im Verteidigungsausschuss eingebracht: Beim Bundesheer gibt es ganz viele Männer, außerdem ist im öffentlichen Dienst der Wiedereinstieg oft leichter. Das sind gute Rahmenbedingungen für die Verteidigungsministerin, Väterkarenz beim Bundesheer stärker promoten, um mit alten Rollenbildern zu brechen.
Vor einem Jahr haben Sie gesagt, die SPÖ-Frauen müssen wieder an Schlagkraft gewinnen. Ist das gelungen?
Auf jeden Fall. Wir haben im letzten Jahr einen Schwerpunkt auf die Vernetzung unserer Kommunalpolitikerinnen gesetzt, weil wir in Österreich noch viel zu wenig Bürgermeisterinnen haben. Das war ein guter erster Schritt.
Wie wäre es mit einer Bundespräsidentin?
Das wäre natürlich auch gut und richtig. Ich bin mir nur nicht sicher, ob, wenn die FPÖ eine Frau aufstellt, dass das auch eine feministische Kandidatin wäre.
Aber die SPÖ könnte ja eine feministische Kandidatin ins Rennen schicken.
Wir haben uns dafür ausgesprochen, Van der Bellen zu unterstützen.
Gefiele Ihnen die Idee einer Ampel-Koalition mit Rendi-Wagner, Gewessler und Meinl-Reisinger als Parteichefinnen?
Ich glaube, dass wäre eine sehr gute, progressive Regierung, die viele Dinge ändern könnte, auch, aber nicht nur, frauenpolitischer Natur. Rot-Grün-Pink würde vielleicht auch einen leichteren Zugang zu Staatsbürgerschaft möglich machen. Das betrifft sehr viele Frauen, die z.B. in der Pflege oder als Reinigungskraft jeden Tag einen wichtigen Beitrag leisten. Ihnen sollte man mehr Teilhabe ermöglichen.
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