Familienbeihilfe: Nach EuGH-Urteil werden Millionen fällig

Familienbeihilfe: Nach EuGH-Urteil werden Millionen fällig
Die von Türkis-Blau 2018 beschlossene Indexierung ist rechtswidrig. Für alle Erwerbstätigen muss die Familienbeihilfe gleich sein – egal, wo die Kinder wohnen. Jetzt muss Österreich Geld an Betroffene zurückzahlen.

Die türkis-blaue Regierung ist von vielen Experten gewarnt worden, nun ist es amtlich: Die Indexierung von Familienleistungen und verschiedenen Steuervergünstigungen verstößt gegen das Unionsrecht.

Österreich hat seit 2019 die Familienbeihilfe für Eltern, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber in anderen EU-Ländern leben, an das Lohnniveau im Wohnsitzland der Kinder angepasst.

Das hatte zur Folge, dass es für Kinder, die beispielsweise in Ungarn leben, viel weniger Geld gab, als für Kinder, die in Österreich leben. Mehr gezahlt wurde hingegen, wenn die Kinder etwa in der Schweiz oder Norwegen leben (siehe Grafik unten).

Dieser Indexierungsmechanismus stelle eine ungerechtfertigte, mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit von Wanderarbeitnehmern dar, urteilte nun der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Millionen Rückzahlungen

Für Österreich heißt das, dass die Differenzbeträge für Familien, die weniger bekommen haben als Familien in Österreich, nun aller Voraussicht nach rückwirkend ab 2019 zurückgezahlt werden müssen.

Wie viel macht das aus? Laut Familienministerium hat Österreich durch die Indexierung 62 Millionen im Jahr 2019, 104 Millionen im Jahr 2020 und 141 Millionen im Jahr 2021 eingespart (im Vergleich zum Jahr 2018, also vor der Indexierung). In Summe ergibt das mehr als 300 Millionen Euro. Die Minderausgaben sollen dem Familienfonds zugute gekommen sein.

Der Grund für die Ersparnis: Viel mehr Kinder von in Österreich erwerbstätigen Eltern leben in Ländern mit geringerem Lohnniveau als in Ländern mit höherem Lohnniveau.

Familienbeihilfe: Nach EuGH-Urteil werden Millionen fällig

In exakten Zahlen: Von den 125.300 betroffenen Kindern bekamen laut parlamentarischer Anfrage 2021 nur 68 Kinder in der Schweiz, zwölf in Schweden, drei in Norwegen, drei in Dänemark und ein Kind in Luxemburg mehr als in Österreich.

Zum Vergleich: In Ungarn sind 9.986 Kinder, in Slowenien 3.480 Kinder betroffen.

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) teilte am Donnerstag mit, man nehme das Urteil des Europäischen Gerichtshofs selbstverständlich zur Kenntnis. „Die zuständige Fachsektion wird das Urteil nun im Detail prüfen und die zur Umsetzung notwendigen Schritte einleiten.“ Ein Gesetzesvorschlag zur Erstattung der Differenzbeträge werde ehestmöglich an das Parlament übermittelt.

Sofortige Umsetzung

Unklar ist noch, was das Urteil für jene Familien bedeutet, die mehr bekommen haben als Familien mit Kindern in Österreich. Man werde das im Zuge der Erarbeitung des Gesetzesvorschlags nun prüfen, heißt es aus dem Familienministerium.

Österreich muss das Urteil nun sofort umsetzen. Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen.

Das Familienministerium hat in Erwartung des EuGH-Urteils bereits Rückstellungen von 220 Millionen Euro für mögliche Nachzahlungen gebildet, wie aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Mai hervorgeht.

Obwohl Raab der türkis-blauen Regierung nicht angehörte, ist sie übrigens dennoch eine Befürworterin der Indexierung. Sie sei „weiterhin der Ansicht, dass eine Anpassung der Familienleistungen für Kinder, die im Ausland leben, an die dortigen Lebensumstände nur fair wäre. Der EuGH hat nun anders entschieden und das ist zu akzeptieren“, teilte sie in ihrer Stellungnahme mit.

Kommentare