Am vergangenen Sonntag, kurz vor 21 Uhr, brachte ein Mitglied der 20 Personen zählenden SPÖ-Wahlkommission ein eMail auf die Reise, das vier Tage später zu einem prominenten Rücktritt führen sollte: Harry Kopietz, rote Eminenz der Wiener Stadt-SPÖ und Vorsitzender der Kommission, schmiss hin.
Der offizielle Grund für die Demission ist Kopietz’ Gesundheit. Die Ärzte haben dem 74-Jährigen geraten, kürzerzutreten, Herz und Blutdruck seien zu schonen.
Das ist allerdings nicht das vollständige Bild.
Seit Tagen wird in der Wahlkommission darüber diskutiert, wie der Auszählungsprozess maximal transparent gemacht werden kann.
Der KURIER hat mit mehreren Kommissionsmitgliedern gesprochen. Und sie alle bestätigen, dass der Rücktritt ursächlich mit dem eingangs erwähnten eMail zu tun hat.
In diesem Schreiben, das an Kopietz persönlich und im CC an die gesamte Kommission ergangen ist, werden einige Punkte zur Abstimmung gebracht, die man als Misstrauensvotum gegenüber der Bundespartei und ein Stück weit auch gegenüber Harry Kopietz sehen muss.
So wird in dem eMail festgehalten, dass „trotz eindringlicher Bitten keine ordentliche Protokollierung der Sitzungen der Kommission“ erfolgte, und dass „auf diverse Fragen von Kommissionsmitgliedern keine Antworten gegeben wurden“.
Deshalb sehe man sich gezwungen, im Umlaufbeschluss folgende Dinge festzuhalten: Es wird ein „externer Informatiker“ zur Überprüfung des Abstimmungsprozesses zugezogen und die beiden USB-Sticks, auf denen der Präsident der Notariatskammer die elektronisch abgegebenen Stimmen verwahrt, werden ebenfalls von einem „unabhängigen Informatiker“ überprüft.
Was die Wahlkarten (Papierstimmen) angeht, wird die Bundespartei verpflichtet, die doppelt abgegebenen Stimmen zu protokollieren und eine „stichprobenartige oder gänzliche Überprüfung des Abstimmungsprotokolls auf Basis der WählerInnenevidenz“ zu ermöglichen. Und: Alle abgegebenen Stimmen müssen so lange aufbewahrt werden, bis die Wahlkommission das Gegenteil beschließt.
Diese eigenwillig anmutende Forderung adressiert Kopietz persönlich. Denn als die Partei im Mai 2020 eine Befragung über die Performance von Pamela Rendi-Wagner durchführen hat lassen, ließ Kopietz eilfertig alle Daten vernichten, die mit der Befragung zu tun haben. Der offizielle Grund damals: Die Partei zahle für die Lagerung der Daten eine Gebühr, die man der Partei ersparen solle.
In Eisenstadt, Graz, St. Pölten sowie den westlichen Landesparteien sah man die Lösch-Aktion anders: Kopietz wird der Wiener SPÖ und damit den Unterstützern Rendi-Wagners zugeordnet. Und mit der Vernichtung aller Stimmzettel wurde es verunmöglicht, das Ergebnis nachträglich zu kontrollieren.
Zurück zur aktuellen Befragung: Der am Sonntag unter den 20 Kommissionsmitgliedern verschickte Umlaufbeschluss erwischte Kopietz am falschen Fuß. Entgegen seinem eigenen und dem Wunsch der Wiener SPÖ-Vertreter in der Kommission wurden alle im Beschluss enthaltenen Punkte mit deutlicher Mehrheit (kolportiert werden 14 zu 6 Stimmen) angenommen.
Parteiisch engagiert
Dem nicht genug, wurde Kopietz in kleiner Runde vorgehalten, er habe sich in den letzten Tagen der Befragung parteiisch „engagiert“, sprich: Er soll in Telefonaten mit Parteimitgliedern offen Werbung für Pamela Rendi-Wagner gemacht haben, die ja nach wie vor von der Wiener SPÖ unterstützt wird.
All das – der gegen seinen Willen beschlossene Umlaufbeschluss, die damit verbundene Kritik, 2020 Teil einer Vertuschungsaktion gewesen zu sein und der Unmut über seine zu parteiische Haltung gegenüber Pamela Rendi-Wagner – dürfte den Kommissions- und Partei-internen Druck auf Kopietz derart erhöht haben, dass er letztlich zurücktrat.
Seine Nachfolgerin Michaela Grubesa will nun all das umsetzen, was im Umlaufbeschluss enthalten ist.
Dazu gehört auch, dass jeder der drei Kandidaten Wahlzeugen nominieren kann, die bei der Auszählung der Stimmen vor Ort sind.
Für Hans Peter Doskozil wird dies bemerkenswerterweise Johannes Zink – er ist kein SPÖ-Mitglied – tun. Zink ist Rechtsanwalt und vertritt das Land Burgenland immer wieder in heiklen Rechtsfragen. Pamela Rendi-Wagner will das Angebot eines Wahlzeugen übrigens nicht annehmen. Sie habe, so erklärte die Parteichefin, vollstes Vertrauen in die Wahlkommission.
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