SPÖ-Mitgliederbefragung: IT-Experte ortet Manipulationsgefahr

SPÖ-Mitgliederbefragung: IT-Experte ortet Manipulationsgefahr
Daten-Firma sortiert Stimmen vor. Löwelstraße widerspricht Experten: "Das ist die sicherste Befragung, die es je gab"

Bis 10. Mai konnten die Parteimitglieder ihre Stimme abgeben. Danach wird zwölf Tage lang auf noch eintrudelnde Post-Stimmen gewartet. Und am 22. Mai tritt die Wahlkommission der SPÖ zusammen, um die Kuverts zu öffnen, die Stimmen zu zählen und letztlich festzustellen, ob Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler die Mitgliederbefragung gewonnen hat. 

So hat die SPÖ, vereinfacht gesagt, bis zuletzt erklärt, warum es  zwölf Tage dauert, ehe die interne Mitgliederbefragung entschieden ist - und warum man weder Zwischenergebnisse noch eine Wahlbeteiligung kommuniziert.

Wie sich nun zeigt, ist diese Darstellung nicht ganz vollständig. Wahr ist: Die Stimmen werden vor dem 22. Mai nicht ausgezählt. Wahr ist aber auch, dass die Post-Kuverts schon vorher geöffnet werden.

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"Ja, es findet eine grobe Zuordnung zu den einzelnen Kandidaten statt. Allerdings zählt das Unternehmen die Stimmen nicht. Das passiert am 22. Mai durch die Kommission", sagt ein Mitglied der SPÖ-Wahlkommission dem KURIER. 

Der Sprecher der SPÖ bestätigt das: Die mit der Abwicklung beauftragte Firma sortiere die Abstimmungsbögen vor, indem beispielsweise deren Authentizität und Gültigkeit automatisiert geprüft werde. "Allerdings werden alle Stimmen in plombierten Kisten verwahrt und der Wahlkommission erst am 22. Mai zur Verfügung gestellt", sagt SPÖ-Sprecher Stefan Hirsch. Die betreffende Firma habe diesbezüglich einen Ruf zu verlieren, die Stimmen würden de facto in einem Hochsicherheitstrakt verwahrt. "Das ist die sicherste Befragung, die es je von einer Partei gegeben hat."

Vertrauen

Unterm Strich bedeutet das: Man vertraut darauf, dass die mit der Durchführung der Befragung beauftragte Firma und deren Mitarbeiter sich an alle Verträge halten und bis 22. Mai "dicht" halten. 

Erst am vergangenen Montag waren Mitglieder der SPÖ-Wahlkommission im Unternehmen vor Ort, um die genaue Abwicklung zu klären. Dabei wurde außer Streit gestellt, dass die Firma die  Stimmzettel vorsortiert. Wo genau die Wahlkommission die Stimmen dann auszählt,  ist laut Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch noch nicht klar. Klar sei aber, dass kein Mitglied der Wahlkommission irgendwelche Informationen oder  Daten habe, die auf Verlauf oder Ergebnis der Abstimmung hinweisen. "Wir legen großen Wert darauf, dass diese Befragung maximal professionell abgewickelt wird. Wer behauptet, er habe irgendwelche Stapel mit Stimmzetteln gesehen, die Rückschlüsse auf den Ausgang zulassen, muss eine Fata Morgana gesehen haben", sagt Deutsch zum KURIER.

Sicherheitslücke

Was die per Internet abgegebenen Stimmen angeht, sorgt seit Donnerstag eine kolportierte Sicherheitslücke bei der Online-Befragung für Irritationen. Vertreter des Unternehmens "Certitude Consulting" haben Zweifel geäußert, ob das für die Befragung verwendete Tool wirklich für einen wahl-ähnlichen Vorgang geeignet ist.

"Die von der SPÖ bzw. dem beauftragten Unternehmen angewandte Software ist nicht sicher genug, um eine Manipulation bei der Teilnahme auszuschließen", sagt Marc Nimmerrichter, Managing Partner bei Certitude Consulting.

Im Prinzip geht es darum, dass die Verschlüsselung des Abstimmungstools mit  geringem Aufwand geknackt und die Teilnahme  manipuliert werden kann. Anders gesagt: Es könnten Hacker mitstimmen, die eigentlich nicht Parteimitglied sind. "Je nach Rechenleistung des SPÖ-Servers geht es im schlimmsten Fall um ein paar Prozent des Ergebnisses. Sollte es also sehr eng werden, wäre das möglicherweise entscheidend", sagt Nimmerrichter zum KURIER. 

Seine Firma habe die Software nicht im Detail und nur anhand der öffentlich einsehbaren Informationen überprüft. "Wir agieren nicht politisch motiviert und wurden auch von niemandem beauftragt."

Allerdings gehe es bei der Frage, wer die SPÖ führt - auch - um die Frage, wer möglicherweise Bundeskanzler wird. "Und aus dieser Perspektive erscheint es uns geboten, dass Befragungen dieser Relevanz bei den teilnehmenden Bürgern ein möglichst hohes Vertrauen genießen."

Christian Deutsch und die SPÖ-Führung wollen das freilich nicht so einfach hinnehmen. "Wir haben vorab mit Rechts- und IT-Experten intensiv beraten und entsprechende Gutachten über die Vorgangsweise erstellen lassen", sagt Parteisprecher Hirsch. Ein Gutachten eines zertifizierten Sachverständigen halte fest, dass es "für Unbefugte auch statistisch nahezu ausgeschlossen ist, selbst bei Kenntnis des Internetlinks einen Abstimmungscode zu erraten und so unbefugt anstelle einer anderen Person teilzunehmen". 

Die SPÖ hat die Angelegenheit mittlerweile ihrem Anwalt übergeben. Dieser soll prüfen, ob und inwieweit man gegen die von "Certitude Consulting" in den Raum gestellten Versäumnisse und Mängel vorgehen kann.

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