SPÖ attackiert ÖVP wegen angeblicher Hartz IV-Pläne

Schelling (li.) und Stöger
Sozialminister Stöger befürchtet eine "Zerstörung des Sozialsystems", andere SP-Politiker schießen sich auf den neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz ein. Das Finanzministerium betont, eine Einführung in Österreich "war und ist nicht geplant".

SInd das bereits laute Wahlkampftöne? Eine vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Studie, welche Auswirkungen die Einführung des deutschen Hartz-IV-Modells in Österreich hätte, sorgt für Empörung bei der SPÖ: Sozialminister Alois Stöger befürchtete am Samstag in einer Aussendung eine "Zerstörung des Sozialsystems". Das Finanzministerium betont, so ein Modell sei gar nicht geplant.

In der Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, über die gestern in der ZiB1 berichtet wurde, wird davon ausgegangen, dass nach Bezug des Arbeitslosengeldes statt der Notstandshilfe die bedarfsorientierte Mindestsicherung als staatliche Unterstützung folgt. In Deutschland bekommen Alleinstehende im Rahmen von Hartz IV 404 Euro monatlich, Paare 768 Euro. Das Einsparungspotenzial für den Bund läge bei einer Milliarde Euro jährlich. Gleichzeitig wird aber auch auf einen beträchtlichen Anstieg der Armutsgefährdung hingewiesen.

"Armut und soziale Ausgrenzung"

"Die Einführung von Hartz IV in Österreich bedeutet Armut und soziale Ausgrenzung", warnte denn auch Sozialminister Stöger. "Menschen in die Armut zu treiben hat nichts mit verantwortungsvoller Sozial- und Wirtschaftspolitik zu tun." Statt Tempo bei der Langzeitarbeitslosen-"Aktion 20.000" zu machen, blockiere die ÖVP, um scheinbar die Möglichkeiten einer Einführung von Hartz IV in Österreich vorzubereiten.

Er werde nicht zulassen, "Arbeitssuchende mit Hartz IV zu bestrafen, ihnen beinahe das gesamte Ersparte, das Haus und die Eigentumswohnung, das Auto und den Bausparer wegzunehmen", erklärte Stöger. Hartz IV in Deutschland sei "ein mahnendes und abschreckendes Beispiel für uns".

Angriffe auf Kurz

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach am Samstag von einem "Feldzug gegen sozial Schutzbedürftige" und von einer "Kurz'schen Sozial-Abrissbirne". Kaiser warf der "Kurz-ÖVP" in der Aussendung vor, "krude Pläne" zu schmieden. Überlegungen, das Hartz IV-Modell einzuführen, seien "kaltherzig", meinte der Stellvertreter von SPÖ-Chef Christian Kern. "Nach und nach zeigt die neue ÖVP mit Sebastian Kurz als taktierendem Pokerspieler an der Spitze ihr wahres Gesicht." 160.000 Menschen wären zusätzlich von Armut betroffen, so Kaiser. Die Schicksale von sozial schutzbedürftigen Menschen seien der ÖVP "schlichtweg egal".

Auch Gewerkschafter und SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf der "Kurz-ÖVP" vor, mit Hartz-IV-Ideen "auf die Schwächsten hinzuhauen".

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl befand, "mit den Hartz IV-Visionen aus dem Finanzministerium hat sich die ÖVP vom Volk verabschiedet" und unterstellte Kurz' Team "weltfremde Elitenpolitik". Aber auch der SPÖ traut Kickl nicht, es könne durchaus sein, dass ÖVP und SPÖ nach der Wahl "dieses Sozialkürzungsprogramm beinhart durchziehen", zumal die Staatskassen leer seien. Wichtig wäre es dagegen, den Zugang ins Sozialsystem bei "Nicht-Staatsbürgern und Asylanten" zu verschärfen, forderte Kickl.

Büro Kurz: Keine Gegenangriffe

Aus dem Büro des designierten ÖVP-Chefs Sebastian Kurz hieß es, man bleibe der eigenen Linie treu und antworte auf "Angriffe" nicht mit Gegenangriffen. Zuvor hatte bereits das von Hans Jörg Schelling (ÖVP) geführte Finanzministerium betont, dass die Simulationsstudie bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben worden sei. "Ein Modell wie Hartz IV war und ist in Österreich nicht geplant."

Grundsätzlich seien derartige Studien nichts ungewöhnliches, da das Finanzministerium laufend Effizienzpotenziale in jedem Bereich prüfe.

Überlegungen, das Sozialsystem umzustellen, gibt es in der ÖVP seit langem. Zuletzt hatte Innenminister Wolfgang Sobotka in seiner Funktion als NÖAAB-Obmann rund um den 1. Mai für eine De-facto-Abschaffung der Notstandshilfe getrommelt.

Köstinger: "Alter Politikstil"

"Das ist ein Musterbeispiel für alten Politikstil", kritisierte ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger am Samstag. "Wir werden uns an solchen Spielen und diesem Stil nicht beteiligen."

Köstinger warf umgekehrt der SPÖ vor, "irgendeine Studie aus dem Finanzministerium" über die Medien veröffentlicht zu haben, die der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht nur nicht kenne, "sondern nicht einmal wusste, dass es sie gibt". Dann behaupte die SPÖ, ohne Kurz' Programm zu kennen, dass die in der Studie enthaltenen Vorschläge Positionen seines Programms sein würden und empöre sich dann "über die gerade selbst erfundene Behauptung", meinte Köstinger.

Das strategische Ziel sei derzeit offensichtlich "alle gegen Sebastian Kurz", ärgerte sich Köstinger. Man werde über das Programm, die Inhalte und Ziele "sachlich rechtzeitig informieren, ohne andere anzupatzen", versicherte sie.

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