Per Mausklick zur besten Behandlung: Was Klinik-Bewertungsportale bringen
Das Projekt kommt genau richtig zu einer Zeit, in der allerorts von der Notwendigkeit des „mündigen Patienten“ und gleichzeitig von der dringend erforderlichen Digitalisierung des Gesundheitswesens die Rede ist: Seit wenigen Wochen ist in Deutschland der sogenannte „Bundes-Klinik-Atlas“ online.
Bei der vom Gesundheitsministerium initiierten Website handelt es sich um ein Vergleichsportal für rund 1.700 Spitäler. Der Patient – so die Idee – kann darauf abfragen, welches Haus die bestmögliche Behandlungsqualität für seine Beschwerden – von der Krebserkrankung bis hin zum kaputten Kniegelenk – anbietet.
Für die Bewertung, die mithilfe eines kleinen Tachos dargestellt wird, werden im Wesentlichen zwei Faktoren herangezogen: Die Zahl der Behandlungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Diagnosestellung sowie die Zahl der Patienten, die jede Pflegekraft betreuen muss. Beides Indikatoren für hohe Behandlungsqualität. Liegt die Tacho-Nadel im grünen Bereich, ist das ein gutes Zeichen.
Portal leidet an Kinderkrankheiten
Noch leidet der Bundes-Klinik-Atlas offenbar an Kinderkrankheiten. Das Portal verwende fehlerhafte und veraltete Daten, lautet laut Tagesschau die Kritik. Aufgrund seiner Unübersichtlichkeit musste es in einem ersten Update bereits abgespeckt werden. Die Stiftung Patientenschutz fordert sogar das Abschalten der Website.
Was wenig bekannt ist: In Österreich gibt es seit 2016 mit kliniksuche.at ein ähnliches Angebot. Für 48 verschiedene Leistungen und Diagnosen finden sich dort Infos zur Anzahl behandelter Fälle, Kriterien für den Aufenthalt (etwa Verweildauer, Operationstechnik) und allgemeinen Kriterien (Information zu ausgewählten Qualitätsthemen, etwa Sicherheit im OP). „Monatlich werden etwa 50.000 Zugriffe verzeichnet“, heißt es im Gesundheitsministerium.
Doch sorgen solche Portale tatsächlich dafür, dass die Patienten das für sie bestmögliche Behandlungsangebot finden, sich durch die Vergleichbarkeit der Spitäler die Behandlungsqualität verbessert und sich die Patientenströme besser leiten lassen?
Was ist Qualität?
Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer ist skeptisch: „Die verwendeten Indikatoren wie Behandlungshäufigkeit und Personalzahl sagen zwar grundsätzlich etwas über die Behandlungsqualität aus, aber nicht allzu viel“, gibt er zu bedenken. Es seien viel umfangreichere, aufwendig zu erstellende Kriterien notwendig. So sollte unter anderem auch die Bewertung der jeweiligen Behandlung durch die Patienten miteinfließen.
Würde man solche Bewertungen ernst nehmen, so der Experte, „müsste man sie auch konsequent durchziehen“. Sprich: Ein schlechtes Abschneiden eines Spitals bei bestimmten Leistungen müsste auch Folgen haben – bis hin zur Schließung der jeweiligen Abteilung. Was jedoch politisch nur schwer durchsetzbar ist.
Pichlbauer glaubt, dass durch solche Portale die Kluft zwischen großen Spitälern in den Städten und kleinen Landkliniken noch weiter auseinandergehen werde. Letztere würden durch ihre zwangsläufig geringeren Fallzahlen schlechter bewertet, weshalb sie auch als Arbeitsplatz für engagierte Ärzte weniger attraktiv werden. Was sich erst recht negativ auf die Qualität auswirkt.
Nähe des Spitals oft entscheidend
Davon abgesehen überschätze man laut Experten das Bedürfnis der Patienten, sich bei der Spitalswahl an solchen Statistiken zu orientieren. „Meistens ist dem Patienten schlichtweg jenes Krankenhaus am liebsten, das am nächsten gelegen ist beziehungsweise jenes, in das ihn sein Arzt überwiesen hat.“
Ob kliniksuche.at tatsächlich nicht mehr als ein „gesundheitspolitisches Beruhigungspille“ ist, wie es Pichlbauer formuliert, sollte sich im kommenden Jahr klären. Da steht laut Gesundheitsministerium eine Evaluierung des Projekts an.
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