Spindelegger bleibt vorerst im schwarzen Sattel
Wir brauchen keinen Nachfolger. Wir haben einen guten Parteiobmann“, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter in Richtung seines Parteichefs Michael Spindelegger. Der frischgebackene Tiroler Minister, der durch seine religiöse Angelobungsformel und recht unkonventionelle Art von sich reden machte, gilt neben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner als möglicher Spindelegger-Nachfolger.
Er selbst sieht das im KURIER-Gespräch freilich ganz anders: „Das ist Unsinn, völlig absurd.“ Er sei erst seit Kurzem in der Regierung, im Übrigen äußere er sich auch nicht zu Bildungs- oder Steuerfragen, so Rupprechter. „Ich mache Österreich wieder zum Umwelt-Vorzeigeland.“ Das sei sein Ziel.
Auch der zweite „Kronprinz“, Mitterlehner, will von seiner Rolle nichts wissen. Schließlich ist Montag, der Tag danach.
Die Sprachregelung: Es war keine Krisensitzung, sondern eine Routine- und Arbeitssitzung. Spindelegger stellte nicht die Vertrauensfrage, er habe schließlich das Vertrauen aller. Inhaltliche Differenzen zur Gesamtschule oder Vermögenssteuern mag es schon geben, aber schließlich gebe es „keine Denkverbote“.
Kritische Wortmeldungen sind an einem solchen Tag fehl am Platz. Auch wenn in Parteikreisen hinter vorgehaltener Hand von einem „kommunikativen Supergau“ die Rede ist – offiziell steht die Höflichkeit und das Miteinander unter Parteifreunden im Vordergrund.
Haslauer-Interview
Auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der noch am Samstag in Sachen Gesamtschule quer geschossen hatte, sieht die VP-Welt wieder heil. Er sagte zum KURIER: „Durchs Reden kommen die Leut zam. Und das hat funktioniert. Es gibt keine Sieger, keine Verlierer und auch keine Obmanndebatte. Es gibt im Gegenteil keinen Zweifel an Spindelegger.“
Spindelegger wirkte trotz des sehr unruhigen Wochenendes recht entspannt: „Enttäuschung ist keine Kategorie für einen ÖVP-Obmann.“
Die Einladung zur nächtlichen Krisensitzung wurde zwar von der Bundes-ÖVP ausgesandt, aber Regie im Hintergrund führte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.
Dem Vernehmen nach waren die rebellischen Landeshauptleute aus den westlichen Ländern verärgert, dass sie nach Wien „geladen“ wurden – zum Zweck, Michael Spindelegger das Vertrauen auszusprechen. Die Aufmüpfigen hatten ja nicht beabsichtigt, Spindelegger zu stürzen. Die Rebellion hatte den Zweck, zu zeigen, dass es außer Niederösterreich noch andere Machtzentren in der ÖVP gibt; dass man sich den herablassenden Ton („bin nicht das Christkind“) nicht gefallen lasse; und dass man sich nicht verbieten lasse, fortschrittlicher als die Bundespartei zu sein.
Insofern ist es wenig verwunderlich, dass es keine Debatte über die Person des ÖVP-Obmannes in der nächtlichen Sitzung gab.
Ein Teilnehmer schildert, wie er die Stunden vor und während des Krisentreffens erlebt hat, so: „Es war eine überraschend einberufene Sitzung. Wir haben am Nachmittag die Medien verfolgt, weil wir ja nicht wussten, was los ist. Zu Beginn der Sitzung war die Stimmung angespannt, das hat sich aber relativ rasch gelegt.“ Parteichef Spindelegger habe zu Beginn gesagt, es gäbe drei Themen zu besprechen: Die Gesamtschule, die EU-Wahl und die Vermögenssteuern. Diese wolle er vor der Regierungsklausur außer Streit stellen.
Alle Anwesenden hätten sich daraufhin zu Wort gemeldet – und ihre Standpunkte dargelegt. Spindelegger habe relativ ruhig und gelassen zugehört. Den Kritikern sei klargemacht worden, dass sie auch das Regierungsprogramm mitbeschlossen hätten. Salzburgs Landeshauptmann Haslauer soll eingefordert haben, dass man in der Partei mehr über einzelne Themen diskutieren müsse – und dass es kein Denkverbot geben dürfe. „Ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt so ausführlich diskutiert haben wie Sonntagabend“, stellt ein Mitdiskutant fest.
Abseits des Treffens
Über die Person Spindelegger sei nicht diskutiert worden, berichten auch andere Teilnehmer unisono. „Ich weiß aber nicht, was auf dem Bauernbundball oder in Salzburg gelaufen ist“, sagt ein ÖVPler. Auf dem Ball in Wien waren Samstagabend Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, Innenministerin und ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Sebastian Kurz vertreten – allesamt Spindelegger-Unterstützer. Dessen Kritiker – der steirische VP-Chef Hermann Schützenhöfer, der Salzburger Landeschef Wilfried Haslauer und sein Tiroler Pendant Günther Platter – trafen einander am Sonntag bei der Amtseinführung des neuen Salzburger Erzbischofs. Auch Spindelegger war angereist. Von der „Westachse“ fehlte nur Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner – er kam aber Sonntagabend zum Krisentreffen in die Politische Akademie der ÖVP in Wien.
Insider berichten, Spindelegger wollte, dass Vermögenssteuer und Gesamtschule weiterhin nichts im ÖVP-Programm verloren haben. Das Zugeständnis der Westachse war, ein „Ja, aber“: Sie stehen zum Koalitionspakt, in dem beide Reizworte nicht vorkommen, wollen aber weiter darüber diskutieren können.
Spindelegger sowie Seniorenbund- und Ex-ÖVP-Klubchef Andreas Khol wollten zudem, dass künftig alle Abgeordneten entsprechend der Vorgaben des Parlamentsklubs abstimmen. Zuletzt hatten etwa die steirischen Mandatare – mit Ausnahme von Klubchef Reinhold Lopatka – vor der Abstimmung über das Lehrerdienstrecht und die Fusion von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium den Saal verlassen.
Einziges Zugeständnis des steirischen VP-Chefs Schützenhöfer am Sonntag war: Beim Budget werden die Steirer voraussichtlich nicht ausscheren. Sonst werden sie aber weiter von Fall zu Fall entscheiden, ob sie sich der Klublinie unterwerfen.
Eitel Wonne kam auch nach mitternächtlicher Stunde nicht auf. Die Wut aufs Regierungsprogramm wachse, habe Wirtschaftskammerchef Leitl berichtet. Wirtschaftstreibende sagten, „damit ist nichts anzufangen“.
Was bleibt ist ein Nach-außen-hin-Sieg von Spindelegger, nach innen hat er nur Zeit bis zur nächsten Krise gewonnen. „Jetzt ist einmal Ruhe“, resümiert ein Teilnehmer: „Wie lange, weiß am wenigstens der Bundesparteiobmann“. Oder wie Schützenhöfer im ORF sagte: „Ich warne davor, dass damit alle Probleme der ÖVP gelöst sind.
Entsetzt über die von Salzburgs VP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer im Sonntags-KURIER neu entfachte Vermögenssteuer-Debatte ist Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung.
Kapsch sagte im KURIER-Interview: „Jede Diskussion über neue Steuern ist in einem Land mit solch hohem Rationalisierungspotenzial in seinen Strukturen absurd. Wir sind auch für eine Lohnsteuersenkung. Aber unsere Gegenfinanzierung heißt: Einsparungen.“
Enttäuscht zeigt sich Kapsch einmal mehr vom Regierungsprogramm: „Derzeit sind keine Strukturreformen sichtbar. Man sieht sie auch nicht am Horizont. Was am Tisch liegt, ist zu wenig.“
Der wirkliche Dorn im Auge seien aber neue Steuern. „Jede neue Steuer kostet letztlich Arbeitsplätze. Vermögenssteuern sind darüber hinaus reine Ideologie und Finanz-Symbolik. Damit finanziert man eine breite Lohnsteuersenkung nie und nimmer – außer man schneidet tief in den Mittelstand.“
Insgesamt sieht Kapsch Österreich auf „einer schiefen Ebene nach unten.“ Ein Beispiel: Schweden investiere seine relativ hohen Steuereinnahmen in wichtige Zukunftsthemen. „In Österreich fließen die Steuern aber ins Konsumtive, das Geld verpufft. Uns fehlt der Hebel.“
VP bei Bildung öffnen
Hoch erfreut ist Kapsch hingegen über die „endlich stattfindende breitere Bildungsdebatte“. Kapsch: „Das ist wirklich gut. Hier ist ein Modernisierungsschub wirklich notwendig.“ Letztlich müssten sich sowohl die ÖVP als auch die SPÖ in der Bildungspolitik „öffnen und über ihre Schatten springen“, sagt der Industrielle. Die ÖVP müsse sich in Richtung neuer Schulstrukturen – wie gemeinsame Schule und Ganztagsschule – öffnen. Die SPÖ müsse sich in Fragen der Schulautonomie bewegen. Kapsch: „Die Schule ist nicht Ideologie, sondern die Zukunft unserer Kinder.“ Falsch seien im Bildungszusammenhang neue Förderalisierungs-Tendenzen.
Im Pensionsbereich sieht Kapsch die Lösung in höheren Einstiegsgehältern bei gleichzeitig flacheren Lebenseinkommenskurven. Ähnlich der Reform beim Lehrerdienstrecht. So würden ältere Arbeitnehmer für die Betriebe eher leistbar. „Aber eine Systemumstellung dauert 25 Jahre. Also muss man irgendwann damit anfangen.“
Eigentlich war Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter am Montagvormittag nach St. Pölten gekommen, um Millioneninvestitionen für den Hochwasserschutz zu präsentieren. Das Geld wird es zwar geben (zehn Millionen Euro pro Jahr wird der Bund dafür aufwenden), aber die Präsentation litt unter den Nachwehen der vorangegangenen Nacht. Die Fragen-Flut der Medienvertreter schwappte nämlich in erster Linie in Richtung Erwin Pröll. Und dessen Flutschutz war intakt.
Von einer „Krisensitzung“ Sonntagnacht wollte Pröll nichts hören. „Es wurden Unschärfen bei der Interpretation des Regierungsübereinkommens in sachlicher Diskussion geklärt.“ Es sei kein Match Westen gegen Osten. Und schon gar nicht habe er, Pröll, Parteichef Michael Spindelegger den Kopf retten müssen. Der Vizekanzler genieße volles Vertrauen seiner Landesparteichefs. Man habe zwei Dinge klargestellt: „Dass die Vermögenssteuern kein Thema für die ÖVP sind und dass die Langform des Gymnasiums unangetastet bleibt.“ Angesprochen auf die Schärfe der Wortmeldungen aus den westlichen Bundesländern, kalmierte Pröll: „Das eine oder andere Mal ist mir auch schon eine schärfere Formulierung ausgekommen. Deswegen geht die Welt nicht zugrunde.“
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