Dieses „hätten wir doch“ bringt uns nicht weiter. Hören wir auf, immer einen Schuldigen zu suchen! Ja, die Politik trägt sehr große Verantwortung. Die Wissenschafter haben zuerst gesagt, die Impfung hält ein Jahr, jetzt sind wir bei vier Monaten. Das heißt nicht, dass sie vorher falsch gelegen sind, sondern dass sie jetzt neue Erkenntnisse haben.
Und dennoch: Viele haben das Gefühl, dass man sich nicht darauf verlassen kann, was Wissenschafter und Politiker erzählen ...
Politiker entscheiden doch nicht so, weil sie lustig sind. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, dann ändern sich die Dinge. Das ist normal. Anstatt das zu erkennen, wollen wir unbedingt jemanden an den Pranger stellen, um uns selbst zu exkulpieren. Gehen deswegen mehr Leute impfen? Nein! Wir müssen jetzt die Zeit bis Februar nutzen, um noch möglichst viele zur Impfung zu bringen.
Und wie?
Wir brauchen Daten, damit wir wissen, wo wir aktiv werden müssen. Es muss uns gelingen, die Menschen dort zu motivieren und zu informieren – über Standesvertretungen, Communitys, Religionsgemeinschaften, aber auch über politische Verbände. Deswegen wäre ein politischer Schulterschluss so wichtig, weil er Sicherheit gibt.
Kennen Sie Ungeimpfte?
Ja, das sind Menschen, von denen man es nie erwarten würde. Die einen haben Ängste, andere sind einfach sorglos. Ich halte nichts davon, sie in ein Eck zu stellen. Damit gibt man Impfgegnern die Gelegenheit, sie für sich einzunehmen.
Besteht durch die Impfpflicht ab Februar nicht die Gefahr, dass sich die Impfgegner noch mehr versteifen?
Impfgegner wird es bis zum Schluss geben, aber es sind sicher nicht die derzeit ungeimpften 30 Prozent. Das ist eine kleine Gruppe, die besonders laut schreit. Ich verstehe nicht, was das Problem mit dem Begriff „Pflicht“ ist. Jeder Bürger hat Rechte und Pflichten. Die Grundrechte des Einzelnen sind kein Freifahrtschein für Egoismus und Rücksichtslosigkeit.
In einschlägigen Gruppen hält man die Impfpflicht für einen Bluff. Können Sie garantieren, dass sie kommt?
Vom heutigen Standpunkt spricht alles dafür. Wir dürfen die Impfpflicht jetzt nicht übers Knie brechen. Wir brauchen einen breiten Konsens und einen ordentlichen parlamentarischen Prozess. Vier Parteien (ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos, Anm.) sind willens, zu diskutieren. Die FPÖ sehe ich leider noch nicht im Boot.
Was erwarten Sie von der FPÖ und von Herbert Kickl?
Was Herbert Kickl macht, ist fahrlässig. Und ich glaube, die FPÖ wird von ihm in Geiselhaft genommen. Momentan werden die Instrumente (Lockdown und Impfpflicht) bekämpft, aber leider konnte mir noch kein Freiheitlicher ein besseres Instrument sagen, um die Krise in den Griff zu bekommen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.
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