So zocken Rot & Schwarz

So zocken Rot & Schwarz
Koalitionspoker inside. Wie läuft es zwischen SPÖlern und ÖVPlern dort, wo sie keiner hört und sieht? Der KURIER hat durch das Schlüsselloch geschaut.

Scharf war der Ton in den vergangenen Tagen. Rote und schwarze Verhandler beflegelten einander öffentlich. ÖVPler warfen den SPÖlern vor, reformresistent zu sein. SPÖler ziehen die ÖVPler, den Kanzler „erpressen“, den Preis für einen erneuten Koalitionspakt hochtreiben zu wollen.

Wie gehen die Noch- und wohl Wieder-Regierungspartner dort miteinander um, wo sie niemand hört und sieht? In den Verhandlungszimmern? Der KURIER hat durch die Schlüssellöcher geschaut.

Die Player

Bis zu zwölf Stunden sitzen die koalitionären Spieler täglich beisammen: Jene, die die Basis für alles, das Budget, verhandeln müssen. Und jene, die über Pensionen reden.

Da gibt es Zielgerichtete wie Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer; inhaltlich Firme, aber Detailverliebte wie SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter; Kurz-und-Bündige wie den einstigen ÖVP-Abgeordneten Günter Stummvoll; stille Zuhörer wie Michael Spindeleggers Kabinettchef Jochen Danninger, der als „Aufpasser“ des ÖVP-Vizekanzlers gilt.

Es gibt die „Sozialpartner-Zwillinge“: den roten Sozialminister Rudolf Hundstorfer und den schwarzen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. „Genosse“ wird dieser von den Roten scherzhaft geheißen – weil er so gut mit ihnen kann.

Das Sagen hat letztlich ein Vierergespann: die SPÖ-Staatssekretäre Josef Ostermayer und Andreas Schieder, ihr ÖVP-Gegenüber Reinhold Lopatka und – offiziell – Landeschef Pühringer. Er ist die schwarze Chef-Person in Sachen Staatshaushalt. De facto ist das jemand anderer: Der „einzige Mann in der Regierung“, wie sich Finanzministerin Maria Fekter selbst nennt.

Gefekterte

Dass sie federführend mitverhandelt, ist bemerkenswert. Insofern, als die ÖVP-Spitze Fekter politisch demontiert hat; sie soll nicht mehr Finanzministerin werden.

Als es bei den Verhandlungen ans Eingemachte ging, war Fekter wieder gefragt. Auch dort geschieht etwas, wofür es bereits ein Eigenschaftswort gibt: Die Kollegen sind von der reschen Ressortchefin fektered. „Sie unterbricht ununterbrochen jeden“, sagt ein Verhandler. Meist mit den Worten: „Samma uns ehrlich...“ Oder einem rustikalen: „Lebt’s ihr auf dem Mond?!“ Ideen der Sozialdemokraten quittiert sie oft mit einem farbigen Satz: „Das ist ferrari-rot.“ Da wüssten dann alle, „dass das sicher nicht geht“, sagt ein Insider.

Andererseits sei Fekter die einzige Schwarze, „die nicht ganz oben um Erlaubnis fragt, einen Kompromiss zu schließen“. Pühringer missfällt die Dominanz seiner Landsfrau. Grantig war er etwa, weil sie mit den Roten ohne ihn über das Budget 2014 parlierte.

Diese waren ebenfalls verstimmt. Als endlich etwas weitergegangen sei bei den Finanzen, hätten die Schwarzen abgebrochen – weil sie zu anderen Terminen müssten. Nicht das erste Mal sei das passiert. Der Sozialdemokraten Deutung: Die Verhandlungen würden aus taktischen Gründen „bewusst in die Länge gezogen. Die halten uns zum Narren.“

Das Spiel

Es ist Teil des Pokers auf beiden Seiten, dem Wesensmerkmal jeder Koalitionsverhandlerei. Finalspieler sind freilich Spindelegger und SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Da heißt es dann: Mann gegen Mann.

Faymann und Spindelegger haben sich bisher stundenweise zu den Verhandlern gesellt. Korrekt gingen sie miteinander um, sagen Rote und Schwarze. Emotional ist es Ende November geworden. Schieder hatte via KURIER befunden: „Wenn die ÖVP meint, ein Sparpaket ist nötig, dann: Karten auf den Tisch.“ Sie solle sagen, „wo und wie gespart werden soll“. Fuchsteufelswild war Spindelegger ob dieser Aussage. Telefonisch hat er sich bei Faymann beschwert.

Dieser mache bei den Verhandlungen das, was er immer mache – nichts ohne Absprache mit seinem Intimus, dem nach außen hin zurückhaltenden Staatssekretär Ostermayer, sagen Schwarze. Und Faymann sei so, wie er immer sei: „Ein lustiger Kampl, aber auch ein Gummi-Mensch.“

Sein schwarzes Gegenüber lacht derzeit nicht viel. Übellaunig sei Spindelegger, sagen Rote – „weil er unter schwerem Druck seiner Bünde steht. So schlecht drauf kennen wir ihn eigentlich nicht.“

Sitz(ungs)fleisch

Allein die Hockerei ist nicht stimmungsaufhellend. Reizbar, vor allem müde macht sie. „Nach der stundenlangen hochkonzentrierten Arbeit ist man erschöpft“, sagt ein Verhandler. Ein Glaserl Wein wird dennoch mitunter hernach getrunken. Was durch Ideologien getrennt ist, wird durch Vorlieben verbunden. In den Pausen ebenso. Auf ein Zigaretterl gehen da der Rote Ostermayer und die Schwarze Fekter.

Und wer viel Sitz(ungs)fleisch braucht, benötigt Futter. Schinkenbrötchen, Würstel mit Saft, Gulasch, Kaiserschmarren werden zwischendurch geschmaust. Die Essensorganisation ist paritätisch verteilt: Einmal sind die Sozialdemokraten, das andere Mal die Christlichsozialen zuständig für das Buffet. Und da versagten die SPÖler auch schon einmal. „Nicht einmal einen Bissen haben wir bei dieser Sitzung bekommen“, klagten Schwarze. Mag sein, dass die Verhandlungen da an der Kippe standen – weil die ÖVPler angefressen waren, des leeren Magens wegen.

Je größer die Entfernung von den Wiener Polit-Zirkeln, umso mehr stößt das Getue um die Neuauflage der Regierung auf Unverständnis. Auch in der ÖVP. „Die Leute sagen: Die Regierungsverhandlungen sind schlimmer als der Wahlkampf“, wird dem KURIER von der Basis eines schwarzen Bundeslandes berichtet.

Die ÖVP vermittelt den Eindruck, nicht zu wissen, was sie will. Der eine zieht, der andere bremst. Während sich ÖVP-Chef Michael Spindelegger in Spar- und Reformrhetorik übt, sind es die schwarzen AHS-Lehrer und die Bauern, die am lautesten ihren Status quo verteidigen.

Auch in der Personalpolitik läuft in der ÖVP nicht alles rund. Das Paradebeispiel ist der Umgang mit dem wichtigen Finanzressort.

Seit mehr als einem Jahr will Spindelegger Maria Fekter ablösen. Im Sommer 2012 wollte er ihren Finanzminister-Job, sie sollte dafür eine andere wichtige Position bekommen. Indem Fekter die Rochade vereitelte, fügte sie Spindelegger eine Niederlage zu. „Das hat er ihr nicht verziehen und will sie seither gänzlich los werden“, weiß man in Fekters oberösterreichischer Heimat.

Will Spindelegger Fekters Job immer noch? Oder doch nicht mehr? In der ÖVP heißt es reihum, Spindelegger vermittle den Eindruck von Unentschlossenheit. Unpopuläres wie hohe Staatsschulden, Hypo-Debakel und leere Kassen würden ihn abschrecken, das Prestige und die Macht des Finanzministers würden ihn hingegen anlocken.

Jedenfalls ist die Führung des zentralen Finanzressorts seit mehr als einem Jahr umstritten. Symptomatisch für das Hin und Her: Spindelegger hat Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer nicht nur mit der Führung der Finanzverhandlungen betraut, sondern ihm auch den Posten des Finanzministers in der neuen Regierung angeboten. Pühringer soll eine Zeit lang überlegt haben, er hat sich aber dann doch für Linz entschieden. Das wird dem KURIER aus mehreren ÖVP-Quellen unter und ober der Enns erzählt.

Überlegt wurde auch eine Zeit lang, den politisch und unternehmerisch erfahrenen Herbert Paierl ins Finanzressort zu holen. Der unkonventionelle Steirer hätte frischen Wind in die Regierung und in die ÖVP bringen sollen. Ein Neo gegen die Neos, sozusagen.

Das Führungsvakuum in dem Schlüsselministerium trug – wie auch der Kanzler im kleinen Kreis kritisiert – letztlich auch zu dem Budgetloch-Desaster bei. Man kam nicht umhin, Fekter wieder heran zu ziehen, damit sie die Lage begradige. Ergebnis: Die Ministerin, von der jeder weiß, dass sie auf der Ablöseliste steht, verhandelt die entscheidenden Budgets fürs Nulldefizit.

So zocken Rot & Schwarz
In Oberösterreich sorgt dies für Kopfschütteln. Dennoch wird sich Oberösterreich künftig mit nur mehr einem Minister –Reinhold Mitterlehner(Bild)– abfinden, weil Pühringer ja das zweite Ressort abgelehnt hat.

Pühringer hat als Landeshauptmann sensationelle Vertrauenswerte und wird die ÖVP 2015 in die Landtagswahl führen.

Die SPÖ dürfte der ÖVP den Wunsch erfüllen, nicht zwei Minister, sondern nur zwei Staatssekretäre einzusparen. Die ÖVP tut sich schwer, ein Ministerium zu streichen, also wird auch die SPÖ das Gesundheitsressort bestehen lassen. Alois Stöger aus der SP-Oberösterreich wird Gesundheitsminister bleiben.

Damit ist das Wissenschaftsministerium auf ÖVP-Seite gerettet, und Karlheinz Töchterle kann ebenfalls bleiben. Tirols Landeshauptmann Günther Platter hat sich gegen Töchterles Ablöse quer gelegt.

Als Favorit für das Landwirtschaftsministerium wird Ex-ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger gehandelt. Der Kärntner wohnt inzwischen in Niederösterreich und hat das mächtige Land hinter sich. Kaltenegger wäre ein Signal, im gesamten ÖVP-Bauernbereich (Bauernbund, Landwirtschaftskammer) eine Verjüngung herbei zu führen.

EU-Wahl

So zocken Rot & Schwarz
Vorbestraft und mit 12 Monaten bedingt belastet: Ewald Stadler
Die EU-Wahl im Mai 2014 wird ein bundespolitischer Testlauf. Erneut zeichnet sich eine Spaltung des rechten Lagers ab. Der wortgewaltigeEwald Stadler(Bild) wird „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ antreten und der FPÖ im EU-kritischen Spektrum Konkurrenz machen. Stadler führt im Dezember „finale Gespräche“ über die Finanzierung seines Wahlkampfes. Er sei emsig dabei, seine Kandidatur auf die Beine zu stellen. „Ich habe tolle Kandidaten, Sie werden sich wundern, wie gut meine neue Partei wird“, sagt Stadler zum KURIER. Aus dem BZÖ wurde Stadler ausgeschlossen. Sein Kommentar: „Wenn es eine Steigerung von tot gäbe, hieße sie BZÖ.“ Stadler ist derzeit parteiloser EU-Abgeordneter.

Kommentare