So teuer kann unser Leben werden
Um bis zu 175 Prozent höhere Gaspreise. 1,7 statt 1,2 Euro für den Liter Benzin. Um 15 Prozent höhere Baukosten: Der Vergleich zum Frühling 2021 zeigt, wie alles teurer wird. „Bei der Teuerung kommt in den nächsten Monaten überall noch etwas dazu, schon wegen indirekter Energiepreiseffekte bei Konsumgütern und Dienstleistungen“, sagt Makroökonom Josef Baumgartner, der für das Wifo Inflations- und Konjunkturprognosen mitentwickelt.
Im Mai rechnet das Wifo laut aktueller Prognose mit dem Höhepunkt der Inflation von 7,5 Prozent. Voraussetzung: Öl und Gas aus Russland fließen weiter.
Schon im Vorjahr, noch vor dem Ukraine-Krieg, sind die Gaspreise im europäischen Großhandel stark angestiegen. „Dadurch ist es schwieriger, Prognosen zu erstellen“, sagt Baumgartner.
Die wahrscheinlichsten Szenarien
Keine leichten Zeiten für Ökonomen: Es fehlen Erfahrungen, um statistische Zusammenhänge zu berechnen und auf Prognosemodelle anzuwenden. Es sei ähnlich wie bei der Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen von Corona im März 2020, „wo man den Verlauf einer Lawine prognostizieren musste, während man mittendrin steckte“, sagt Baumgartner.
Bei aller Vorsicht – welche Szenarien sind bei den Preisen dennoch abschätzbar?
Ölpreise: Derzeit zeichnet sich im Jahresverlauf eine leichte Entspannung der Ölpreise ab. Die OPEC und die USA dürften aufgrund des hohen Preisniveaus ihre Fördermengen ausweiten, die internationale Konjunktur und damit auch die Rohölnachfrage sich wieder abschwächen. Unter diesen Annahmen sollten die Treibstoffpreise an der Tankstelle Anfang März ihren Höhepunkt erreicht haben. Da lagen sie über zwei Euro. Seither sind sie wieder etwas zurückgegangen.
Gaspreise: „Beim Gas haben die Haushalte in Ost- und Südösterreich in den letzten Wochen deutliche Preiserhöhungen erfahren“, sagt Baumgartner. Die Arbeitspreise für Gas waren im Februar, also noch vor Kriegsbeginn, im Schnitt um 70 Prozent höher als vor einem Jahr. „Die meisten Kunden haben neue Verträge mit einer Bindung von 6 bis 12 Monaten, und in diesem Zeitraum sollte es zu keinen weiteren Preissteigerungen kommen – außer jemand zieht um und muss als Neukunde den Anbieter wechseln – das wird dann richtig teuer.“ Die Preiserhöhungen am europäischen Gasgroßmarkt infolge des Ukraine-Krieges dürften verzögert ab dem Jahresende oder Anfang 2023 zu einer neuerlichen Preisanpassungen führen.
Lebensmittel: Deutliche Preissteigerungen verursachten Corona-Effekte und Ernteausfälle für Weizen und Ölsaaten bereits 2021. Dadurch zogen auch die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in Österreich an. Auf die Konsumentenpreise für Nahrungsmittel wurden diese aber erst zu Jahresbeginn 2022 in größere Breite weitergegeben. „Was jetzt bei uns von der Lebensmittelindustrie verarbeitet wird, ist Getreide aus der Ernte vom letzten Jahr, die über längerfristige Lieferverträge bezogen wurde“, sagt Baumgartner. „Ein weiterer Teuerungsschub bei den Konsumentenpreisen für Lebensmittel durch den Ukraine-Krieg dürfte erst deutlich zeitverzögert wirksam werden.“ Bei Produkten aus der Ostukraine wie Sonnenblumenöl könnte es etwas schneller gehen als bei Getreide. Bei letzterem ist mit Preissteigerungen im Sommer oder Frühherbst zu rechnen. Zuvor müssen sich noch Erzeuger und Handelsketten auf Preiserhöhungen einigen.
Kunstdünger: Aus Erdgas wird Ammoniak gewonnen, ein wichtiger Rohstoff für Kunstdünger. Durch die hohen Gaspreise haben sich Kunstdüngerpreise bereits 2021 vervielfacht. Viele Bauern hofften auf eine Entspannung im Frühling 2022 und haben deswegen weniger Dünger eingelagert. Wladimir Putin zerschlug die Hoffnung – die Preise sind jetzt sogar noch höher als im Herbst. „Die hohen Düngerpreise werden entweder zu einer geringeren Produktion führen, da weniger verwendet wird oder auf den Erzeugerpreis für landwirtschaftliche Produkte aufgeschlagen“, sagt Baumgartner. Beides wirkt in dieselbe Richtung: Die Weltmarktpreise für pflanzliche landwirtschaftliche Erzeugnisse werden steigen. Über höhere Futtermittelpreise wird in der Folge auch Fleisch teurer.
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