Soll der Staat auch für die Teuerung zahlen?
Energiekostenzuschuss, Erhöhung der Pendlerpauschale, Gießkanne: Der Staat versucht nach den Folgen der Pandemie nun abzufedern, was die Inflation auffrisst. Ist das ein Rettungsschirm, den wir uns verdient haben?
PRO
Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, heißt es gerne. Nun: Das unfreiwillige Sparschwein des Steuerzahlers ist der Staat. Österreich ist ein Hochsteuerland sondergleichen – besonders, was den Faktor Arbeit angeht. Im OECD-Vergleich liegen wir auf Platz 3, rechnet man Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge gemeinsam mit der Besteuerung des Einkommens zusammen.
In der Belastung von Treibstoffen ist Österreich ein Niedrigsteuerland. Das heißt: Wer mit dem Auto fahren wollte, konnte das auch vergleichsweise preiswert tun. Die Politik beließ es dabei. Verabsäumt wurde, den öffentlichen Nahverkehr so auszubauen, dass er eine taugliche Alternative darstellt. In Ballungszentren ist es sehr leicht, auf den Individualverkehr zu verzichten, am flachen Land geht man sehr weit zur nächsten Busstation, nur um dort ewig zu warten.
Die Ukraine-Krise hat einen Flächenbrand bei den Energiepreisen ausgelöst und die strukturellen Schwächen bloßgelegt: Heizen ist teurer, Strom ist teurer, Sprit ist teurer: Es ist also durchaus gerechtfertigt, jetzt die Gießkanne auszupacken, um notdürftig zu löschen.
Allerdings darf es dabei nicht bleiben. Das Land muss endlich neu aufgestellt werden: Dazu gehört der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Umstieg auf erneuerbare Energien, die nicht von Krisen im Weltgeschehen abhängig sind und eine moderne Herangehensweise an das Thema Steuern. Warum man etwa Kapital vergleichsweise gering belastet, Arbeit aber sehr hoch, ist nicht zu erklären. All das sind Themen mit einem langen Zeithorizont, aber sie konkret anzugehen, ist unaufschiebbar.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Versäumnisse der Vergangenheit ohnehin tragen. Es ist nur fair, ihren Schmerz darüber etwas zu lindern. Und dann endlich etwas zu tun.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER.
CONTRA
Die Preisspirale dreht sich unaufhörlich nach oben. Oder anders formuliert: Am Ende des Geldes bleibt immer mehr Monat übrig. Zeit für die Politik zu handeln. Leider einmal mehr in gewohnt populistischer Art und ohne erkennbare Weitsicht.
Wieder wird Geld nach Gutsherrenart ans Volk verteilt. Gegen einen warmen Geldregen wird schließlich kein Wähler protestieren. Einziges Problem – die Kassen sind leer. Nach Jahren der Pandemie – und eigentlich schon davor – gibt es genau genommen nichts zu verteilen. Auch wenn man angesichts der Milliardensummen, die gegeben werden, das Gefühl hat, dass das Geld längst abgeschafft ist.
Besonders ärgerlich, wenn ein Großteil des Geldes gar nicht dort landet, wo es dringend benötigt wird. Stichwort Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 Prozent. Gute Sache, vor allem für jene, die gut verdienen und damit überproportional vom Absetzbetrag profitieren. Der Mindestrentner hat davon exakt gar nichts. Auch der Energiekostenzuschuss in Höhe von 150 Euro wird großzügig mit der Gießkanne übers Land verteilt statt treffsicher an jene, die sich die Heizungskosten nicht mehr leisten können.
Es wäre an der Zeit, nicht nur Aktionspolitik zu betreiben, sondern die großen Themen anzugehen. Österreich gehört laut einer aktuellen Eurostat-Studie noch immer zu den Ländern mit den europaweit höchsten Arbeitskosten. Liegt auch daran, dass der Staat sich einen großen Teil der Bruttogehälter einbehält. Würde es hier zur seit gefühlten Jahrhunderten geforderten Lohnnebenkostensenkung kommen, wäre das wohl ein echtes Konjunkturpaket. Für die Unternehmer, die sich mehr Mitarbeiter leisten können. Und für Konsumenten, denen mehr Geld in der Tasche bleibt. Ganz ohne Geldumverteilungsaktionen nach Gutsherren-Art.
Simone Hoepke ist stv. Leiterin des Wirtschaftsressorts.
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