Wenig zufriedenstellend: Kinder stehen zu Semesterferien ohne Zeugnis da
In Wien und Niederösterreich hat die letzte Schulwoche vor den Semesterferien („Energieferien“ hießen sie einmal) begonnen, in einer Woche folgen die anderen sieben Bundesländer. Doch weil gar nichts in diesem Schuljahr normal wie immer war, wird es auch der Schulschluss nicht sein. Es gibt nämlich vorerst keine Schulnachricht, vulgo Semesterzeugnis.
Und das hat einen guten Grund:
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will verhindern, dass die Schüler einen Großteil des Schuljahrs zur Kontakt- und damit Infektionsvermeidung daheim im Distance-Learning verbringen und dann ausgerechnet am letzten Schultag 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in der Schule ihr Zeugnis abholen – und den Zeugnistag damit zu einem Corona-Superspreader-Event machen.
Ausnahme Schulwechsel
Immerhin: Für alle Schülerinnen und Schüler, die vor einem Schulwechsel stehen, wird eine Ausnahme gemacht. Sie sollen noch vor den Ferien ihre Schulnachricht abholen können.
Das betrifft alle in den vierten Klassen Volksschule, vierten Klasse Gymnasium bzw. Mittelschule und fünfte Klassen (neunte Schulstufe). Denn diese Schüler benötigen das Dokument meist für die Anmeldung an einer Schule oder für die Bewerbung um einen Lehrplatz. Wie diese Zeugnisvergaben in Lockdown-Zeiten vonstattengehen, wird den Schulen überlassen. Das kann auch im Park gegenüber passieren oder im Schulhof.
Dass die Zeugnisse für einen Großteil der Schüler erst nach den Ferien kommen – sofern die Schulen überhaupt ab der zweiten Februarwoche (bzw. in der dritten Februarwoche in allen anderen Bundesländern) wieder öffnen, das ist zur Stunde ja keineswegs gesichert –, sieht die
Bildungsforschung jedenfalls nicht als großes Problem.
„Das ist ja nur eine Schulnachricht, juristisch hat das sicher keine Folgen. Ich hätte mir dennoch gewünscht,
dass man mit der ganzen Geschichte etwas gelassener umgeht“, erklärt der Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Uni Wien. Gelassener? „In solch pandemischen Zeiten wie diesen kann man doch den Kindern nicht mit ,Nicht genügend‘ drohen, das ist doch völlig unangemessen. Die Ursache ist aber, dass sich das Ministerium, wie so oft, widersprüchlich zum Thema Schulnoten geäußert hatte.“
Tatsächlich hatte Faßmann recht klar gesagt, als die Verlängerung des dritten Lockdowns verkündet werden musste, dass nun die „Zeit der Milde, nicht der Härte“ sei. „Aber gleichzeitig hat das Ministerium erklärt, dass die Noten angemessen und deutlich sein sollen“, ärgert sich der Forscher. „Aus meiner Sicht hätte die ganze Notengebung viel entspannter ablaufen sollen, mit klaren Botschaften aus dem Bildungsministerium.“
Lernfähigkeit erhalten
Hopmann erinnert daran, dass die derzeit wichtigste Aufgabe sei, „die Lernfähigkeit der Kinder zu erhalten. Diese stehen doch vor
enormen Herausforderungen, nicht nur wenn sie erkranken, sondern auch in ihrem sozialen Umfeld, im
gesellschaftlichen Umfeld, beim fehlenden Kontakt mit Freunden, wegen des unregelmäßigen Schulbetriebs und so weiter. Wer glaubt, in solchen außergewöhnlichen Zeit Noten nach gewöhnlichen Maßstäben vergeben zu müssen, hat leider nichts begriffen.“
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