Sebastian Kurz: "Rückkehr in die Politik ist keine Option“

Als öffentlich geworden war, dass Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der exklusiven Wiener Adresse Ecke Schubertring/Fichtegasse mit seiner Firma ein großräumiges Büro bezieht und dort auch Ex-Finanzminister Gernot Blümel ein Büro hat, war das Stoff für die Gerüchteküche. Von einer zweiten ÖVP-Zentrale bis zur Gründung einer neuen Partei war die Rede.

Der KURIER besuchte Sebastian Kurz (36) in dieser neuen Zentrale seiner Firma SK Management GmbH, um mit ihm über sein neues Leben zwischen Wien und seinem zweiten Büro in Tel Aviv zu sprechen.
KURIER: Dass in dem Büro am Schubertring auch ehemalige Mitarbeiter aus dem Kanzleramt tätig sind und sich Ex-Finanzminister Gernot Blümel hier auch einmietet, hat rasch das Gerücht aufkommen lassen, dass eine ÖVP-Konkurrenz zur Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse entstanden ist. Ist das so?
Sebastian Kurz: Nein, hier ist weder eine Zentrale der ÖVP noch einer anderen Partei. Wir haben mit einem Büro in der Nähe gestartet, irgendwann sind die Aktivitäten und das Team gewachsen. Insofern war ein Umzug notwendig. Das hat uns an den Schubertring geführt.

Büroräumlichkeiten von SK Management
Gernot Blümel gehört zu Ihrer Firma oder betreibt ein eigenes Unternehmen?
Wir sind nach wie vor befreundet. Er hat hier ein Büro, ist aber für ein anderes Unternehmen tätig.
Sie schließen aus, dass in Richtung der kommenden Nationalratswahl 2024 ein politisches Comeback bevorsteht.
Ich bin 36 Jahre alt und habe fast mein ganzes Erwachsenenleben in der Politik verbracht, davon zehn Jahre in der Bundesregierung. Es ist sehr lehrreich und erfrischend, einmal etwas anderes zu machen. Ich genieße die neuen Aufgaben sehr. Es ist fordernd, weil ich da nicht dieselbe Routine habe, wie in der Politik. Auf der anderen Seite ist es sehr reizvoll, international tätig zu sein.
Eigentlich war erwartet worden, dass Sie nach dem Ende ihrer Karriere in Österreich als Politiker auf EU-Ebene auftauchen werden.
Es hat mir immer Freude gemacht, Österreich in der Europäischen Union zu vertreten. Ich habe es immer als notwendig empfunden, auf EU-Ebene auch als Vertreter eines kleinen Landes mitzugestalten. Aber mein politischer Mittelpunkt war immer Österreich.
Wie ist der Blick zurück auf die politische Laufbahn?
Sehr positiv. Ich würde mich jederzeit wieder jung politisch engagieren und kann das auch nur jedem empfehlen. In meiner Zeit in der Politik habe ich extrem viel lernen dürfen und stets das Gefühl gehabt, gestalterisch einen Beitrag leisten zu dürfen. Es ist auch ein Bereich, wo man von der Bevölkerung sehr viel zurückbekommt. Deswegen blicke ich positiv auf meine Zeit in der Politik zurück. Ich gebe aber zu, dass es sich genauso gut anfühlt, jetzt etwas anderes zu erleben.
Das Kapitel Politik ist für die Zukunft abgehakt?

Ja, ich habe da meinen Beitrag bereits geleistet.
Sie sind aber schon noch Parteimitglied der ÖVP?
Ja, aber nicht mehr politisch aktiv.
Haben Sie noch Kontakt mit Ihren ehemaligen Parteikollegen?
Zu vielen besteht nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis. Immer wieder werde ich auch angerufen und um meine Einschätzung gebeten. Ich bin aber jemand, der sich nicht selber einmischt. Vom Typ her liegt mir auch das Spiel mit dem Gaspedal nicht so sehr. Ich kann immer nur eine Sache zu 100 Prozent machen. So wie ich zu 100 Prozent für die Volkspartei und die Regierung im Einsatz war, so bin ich jetzt zu 100 Prozent privatwirtschaftlich tätig.
Hat schon jemand angerufen und gesagt, komm bitte zurück?
Das ist keine Option.
Der Rücktritt war Ende 2021 und noch immer stehen Sie total im Fokus der Öffentlichkeit. Es wird genau beobachtet, was Sie machen. Ist das belastend?
Das nehme ich anders wahr. Ich habe das Gefühl, dass die Notwendigkeit der ständigen medialen Kommunikation nur in der Politik da ist und in der Wirtschaft nicht. Die Momente, wo ich mich mit Medien auseinandersetze, sind sehr rar geworden. Das ist auch gut so.
Eines Ihrer Hauptthemen als Politiker war vor einigen Jahren der Kampf gegen die illegale Migration. Davon haben Sie bei Wahlen auch profitiert. Jetzt ist das Thema wieder aktuell, die ÖVP profitiert aber nicht mehr. Was ist anders?
In innenpolitische Fragen mische ich mich nicht ein. Was die europäische Ebene betrifft, ist eine Sache ganz klar: Wenn es kein entschlossenes Handeln gibt, hat das Konsequenzen. Alle wohlhabenden Staaten steuern, wer zu ihnen zuwandern darf und wer nicht. Sie überlassen diese Entscheidung nicht Schleppern oder anderen. Das muss genauso für die EU gelten, da werde ich in diesem Leben meine Meinung nicht mehr ändern.
Was aktuell diskutiert wird, ist der Umgang mit Russland und mit Wladimir Putin vor dem Ukrainekrieg. Da hat es in Ihrer Amtszeit sehr gute Beziehungen gegeben. Wie beurteilen Sie das heute?
Es gibt zwei Thesen und man wird nie beweisen können, welche richtig ist. Eine ist, dass man Wladimir Putin schon vor Jahren seitens der Europäischen Union mit mehr Härte begegnen hätte müssen. Dann wäre es vielleicht zu so einem Krieg gar nicht gekommen. Und es gibt umgekehrt die These, dass es schon viel früher zu diesem Krieg gekommen wäre, wenn man ihm härter und aggressiver begegnet wäre. Es ist die historisch gewachsene Rolle Österreichs, den Dialog zwischen allen Teilen der Welt – auch wenn es schwierig ist – zu ermöglichen und eine Brücke zwischen Ost und West zu bauen.
Wie sehen Sie den Ukrainekrieg?
Der Angriffskrieg Russlands ist absolut inakzeptabel. Ich hoffe sehr, dass es möglichst rasch zu Verhandlungen kommt, damit dieses Blutvergießen beendet wird. Ich glaube nicht, dass es am Ende des Tages einen militärischen Sieg gegen Russland geben wird, weil Russland eine Nuklearmacht ist. Deswegen muss es ein Ergebnis auf dem Verhandlungstisch geben.
Sie sind in Amerika, in Israel, im Mittleren Osten unterwegs. Was muss Europa machen, dass man mit diesen boomenden, innovativen Regionen mithalten kann?
In vielen Bereichen ist Europa mittlerweile abgehängt. Nicht nur von den USA, sondern auch bereits von China. Wenn wir auf die nächsten Jahre blicken, dann ist sicherlich auch der Mittlere Osten eine Region, die boomt. Das Wichtigste für Europa ist, alles zu tun, um standortfreundlich zu sein.
Was fehlt uns in Europa im Vergleich dazu?
Es ist vor allem eine Frage des Zugangs. Oft habe ich den Eindruck, dass wir in Europa der Meinung sind, wir sind der Mittelpunkt der Welt. Das Problem dabei ist, dass das im Rest der Welt niemand sonst so sieht. Ich bin ein Patriot, ein überzeugter Österreicher. Es fühlt sich immer wieder schön an, heimzukommen. Aber je öfters ich anderswo tätig bin, desto mehr gelange ich zur Erkenntnis, dass in anderen Teilen der Welt der Hunger nach Fortschritt und nach Erfolg größer ist als bei uns. Und auch der Fokus, die Zielsetzung, als Wirtschaftsstandort erfolgreich zu sein, hat dort in der öffentlichen Debatte einen ganz anderen Stellenwert.
Zum Abschluss noch eine Frage: Ihr Rückzug aus der Politik hat auch damit zu tun gehabt, dass es seitens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Sie gibt. Wir sehr behindert Sie das in Ihrer beruflichen Tätigkeit?
In der Politik hat mich das natürlich sehr beschäftigt. Es war auch mit ein Grund, warum meine Freude an der Politik weniger wurde, weil ich mich täglich gegen falsche Anschuldigungen verteidigen musste. In meinem jetzigen unternehmerischen Tun beschäftigt es mich gar nicht. Ich gehe davon aus, dass die Verfahren irgendwann vor Gericht landen. Auf das freue ich mich auch, weil dann werde ich beweisen können, dass die Vorwürfe falsch waren.
Da sind Sie zuversichtlich, dass das mit Freisprüchen endet?
Ja, sehr.
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