Ursula Plassnik über den Krieg: "Da kämpft Gestern gegen Heute"

Ursula Plassnik über den Krieg: "Da kämpft Gestern gegen Heute"
Die frühere Außenministerin über die Lehren aus dem Krieg und Österreichs Neutralität, die "weder Selbstzweck noch Zaubertrank" sei.

Sie war Außenministerin in der Regierung Wolfgang Schüssel II und in der rot-schwarzen Koalition unter Alfred Gusenbauer, Botschafterin unter anderem in Paris und zuletzt in Bern und ist eine der profiliertesten Diplomatinnen des Landes. Und sie ist eine der prononciertesten Warnerinnen, dass sich Österreich in Sachen Sicherheitspolitik hinter der „heiligen Kuh“ Neutralität versteckt und einen Dornröschenschlaf schlafe. „Weitere Schlaf-Jahrzehnte können wir uns nicht leisten“, sagte sie im vergangenen Jahr in einem viel beachteten Referat. Ein Gespräch über ein Jahr russischer Krieg gegen die Ukraine und die Erkenntnis für Österreich daraus.

KURIER: Welche Lehre ziehen Sie nach einem Jahr Krieg in der Ukraine, abgesehen vom Ende der sogenannten „Friedensordnung“, an die wir uns so gewöhnt hatten – zumindest war der Krieg immer schön weit weg?

Ursula Plassnik: Erstens, wir wurden jäh aus dem Traum vom ewigen Frieden in Europa gerissen und erleben eine neue, harte Realität auf europäischem Boden. Vor unseren Augen tobt der mörderische Vernichtungskrieg einer nuklearen Supermacht gegen einen Nachbarn. Und er wird nicht so schnell aufhören. Zweitens, Wunschdenken hilft nicht, den Gewalttäter können wir nicht einfach wegbeamen oder auch nur beschwichtigen. Und drittens, die EU bleibt solidarisch geeint in ihrer Unterstützung des Überfallopfers, selbst unter massivem russischem Druck.

Ist eine Lehre: Der Stärkere, noch dazu mit Atomwaffen, sitzt am längeren Ast, da können die anderen strampfen, wie sie wollen?

Das wäre das Gesetz des Dschungels. Dagegen wehrt sich die Menschheit seit Jahrhunderten. Wir wollen eine friedliche Ordnung schaffen, wo das Recht die Gewalt ersetzt. Denn Gewalt kann zwar momentan Fakten schaffen, aber kein Recht. Das ist unser aller zivilisatorischer Auftrag. Tausende Ukrainer sterben, weil sie in ihrer Heimat in Frieden und Freiheit leben wollten.

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